KVProfi Thorulf Müller © privat
  • Von Redaktion
  • 10.12.2015 um 08:08
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Das Jahr neigt sich dem Ende. Zeit, mal Bilanz zu ziehen. Pfefferminzia hat KVProfi Thorulf Müller zur Zukunft der PKV, Beitragsanpassungen, Tarifwechsel und Tarifhygiene befragt. Müllers Fazit: In vielen Bereichen sieht es düster aus.

Pfefferminzia: Das Jahr 2015 neigt sich dem Ende zu, die VAG-Novelle steht vor der Tür. Wie beurteilen Sie die Situation der PKV und die Zukunft?

Thorulf Müller: Um es mit Heinrich Heine zu sagen: Denk ich an die Deutsche PKV in der Nacht, bin ich um den Schlaf gebracht.

Warum sehen Sie die Zukunft so negativ?

Als der Gesetzgeber im Dezember 1999 den 10-Prozent-Zuschlag als notwendig erachtete, um die Beitragsbelastung im Alter zu mildern, basierte das auf durchschnittlichen Verzinsungen in Höhe von 7 bis 8 Prozent. Heute kann die PKV sich zwar in den Büchern noch etwas positiver darstellen, als die Lebensversicherer, aber das sind temporäre Verwerfungen. Die Verzinsung liegt bei der Neuanlage realistisch unter einem Prozent. Es fehlt also ein Verzinsung von grob geschätzt mindestens 5 bis 6 Prozent auf ein Kapital, dass ein Vielfaches der Beitragseinnahme ist. Wenn da ein Vorstand Rückgrat hätte, würden die weißen Fahnen schon gehisst worden sein.

Sie spielen auf die aktuellen Beitragsanpassungen an?

Das sind die ersten harmlosen Anzeichen, dessen was noch kommt. Aber wenn sich heute die Kunden und Vermittler über die Beitragsanpassung zum Beispiel beim Tarif Axa Vital 250 aufregen, dann sollten sie eben auch bedenken, dass sie zu günstig versichert waren.

PKV bedeutet nun einmal, dass ich die durchschnittlichen lebenslangen Behandlungskosten in monatlichen Raten lebenslang einzahlen muss. Wenn meine Rate am Anfang schon nicht ausreicht, weil eine viel zu hohe Vererbung durch Storno kalkuliert ist, wie es Axa ja in einem Erklärvideo sogar selber zugibt, dann ist diese Differenz irgendwann, zuzüglich der Kostensteigerungen, auszugleichen.

Die Vermittlung von PKV über den angeblich so günstigen Beitrag, ist doch die Ursache für die Probleme, die es jetzt gibt.

Aber die PKV hat doch über 200 Milliarden Euro Rückstellungen?

Richtig, aber im Gegensatz zu vielen Journalisten, Vorständen und Versicherungsvermittlern, habe ich scheinbar bei Buchhaltung und Rechnungswesen in der Schule aufgepasst. Rückstellungen sind Schulden, Verbindlichkeiten, also auf der Passivseite.

Die PKV schuldet den heute versicherten Kunden unter Berücksichtigung von Lebenserwartung und Abgangsordnung und dem sich daraus ergebenden zukünftigen Beitragsaufkommen mehr als 200 Milliarden Euro an Leistung. Ich fürchte, dass dieser Wert zu optimistisch berechnet ist, weil die Vererbung viel niedriger sein wird, weil Kopfschäden zu optimistisch berücksichtigt werden und weil die Effekte aus Vertragsgestaltungen, wie Hilfsmittelmanagement und Primärarztmodellen viel zu offensiv kalkuliert wurden und werden.

Ich empfehle einmal die Frage zu stellen, wie die Kaufkraft, die ja als Sparanteil eingesammelt wird, geparkt wurde und wie das in den Bilanzen dargestellt wird. Insbesondere ist dazu ein Arbeitspapier der Deutschen Aktuarvereinigung geeignet: „Ergebnispapier der Deutschen Aktuarvereinigung: Modernisierung des HGB für die deutsche Private Krankenversicherung“.

Ich zitiere:

„Dieser Bilanzierung der Aktiva entspricht die derzeitige Bilanzierung der Passiva, die im Wesentlichen auf dem Aufsichtsrecht basiert. Würde diese in Richtung auf eine marktnähere Bewertung verändert, würde das Gleichgewicht zwischen Aktiva und Passiva gestört. Aus den genannten Gründen halten wir eine Entkopplung von Handels- und Aufsichtsrecht für die PKV nicht für sachgerecht. „

Da ticken Bomben, weil die 200 Milliarden Euro Rückstellung, wie oben dargestellt, zu niedrig sind und weil die Kapitalanlagen diese 200 Milliarden Euro gegebenenfalls nicht hergeben werden, weil der Optimismus bei der Bewertung der Anlagen zu groß gewesen ist.

Gibt es noch mehr, was sich nachteilig auswirkt?

Ja, der Neugeschäftsmotor stockt. Es gibt immer weniger neue Abschlüsse. Wobei ich es schockierend finde, dass die PKV immer noch mehr als 100.000 Menschen pro Jahr aus einer PKV in die andere bringt. Es gibt ein Cash-Problem, mit dem die PKV bisher die Löcher gestopft hat. Deswegen ist ja zum Beispiel die Verzinsung höher. Die müssen keine Anlagen auflösen und das Geld neu anlegen, sondern die nehmen das frische Geld und legen es nicht an, sondern tun so, als wenn es die Entnahmen sind. Das sorgt heute für etwas Entspannung in Relation zur Lebensversicherung, führt aber hinten raus zu einem längeren Elend, wenn sich die Märkte tatsächlich irgendwann erholen.

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