Feuerwehrleute löschen einen Brand in einem Metallveredelungsbetrieb: Brände führen oft zu Betriebsunterbrechungen. © pa / dpa / DB Norbert Pree / Passauer Neue Presse
  • Von Jens Lehmann
  • 10.05.2023 um 11:01
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Betriebsausfälle zählen zu den gefährlichsten Ereignissen für jedes Unternehmen. Der Umsatz bricht weg, die Kosten laufen weiter. Ohne Betriebsunterbrechungsversicherung droht die Insolvenz.

Bei der mittleren und großen BU handelt es sich bei den meisten Anbietern um eigenständige Versicherungsverträge, die frei ausgestaltet und somit individuell an den jeweiligen Bedarf des Betriebs angepasst werden können. Das gilt beispielsweise auch für den Wirkungsumfang des BU-Schutzes. Je nach Standort des Unternehmens kann er um Elementarschäden, zum Beispiel durch Hochwasserereignisse, erweitert oder auf All-Risk-Niveau angehoben werden, damit der Betrieb gegen alle Gefahren abgesichert ist. „In den großen Betrieben setzt sich die Allgefahren­deckung immer mehr durch“, so Ottersbach. Auch in der Liga darunter sei es Aufgabe des Vermittlers, die spezifischen BU-Gefahren eines Unternehmens zu identifizieren und abzusichern.

Auch hinsichtlich der Höhe der Deckungssumme sind die Makler gefordert. Sie wird aus den Werten des abgelaufenen Jahres ermittelt. Neben der Höhe der Deckungssumme geht es auch um die Frage der Haftzeit. Sie bestimmt, für welchen Zeitraum die BU Leistungen erbringt. Je nach individueller Risikosituation liegt die Haftzeit meist zwischen einem und zwei Jahren, die Spanne der Angebote der Versicherungswirtschaft liegt zwischen sechs Monaten und drei Jahren. „Grundsätzlich muss man bei der Festlegung der Haftzeit immer vom schlimmstmöglichen Szenario ausgehen“, rät Ottersbach. Und davon, dass sich die Wiederaufnahme des Betriebs wegen des Handwerkermangels in vielen Regionen zusätzlich verzögern könne. „Darum ist ein zeitlicher Puffer in der Haftzeit sehr wichtig.“

Das schlimmste Szenario, ein Totalschaden, ist gar nicht so selten. In produzierenden Unternehmen, der Gastronomie oder im Handwerk ist meist ein Feuer der Grund dafür, dass schlagartig nichts mehr geht. Beinahe ebenso häufig sind kleinere Sachschäden, die jedoch verheerende Folgen für ein Unternehmen haben können. Wird etwa eine für die Produktion unverzichtbare Maschine durch Feuer oder Wasser unbrauchbar, kann das den gesamten Betrieb lahmlegen. Und zwar so lange, bis Ersatz da ist.

Das Problem: „In einigen Branchen, wie zum Beispiel im Druckereigewerbe, liegen die Lieferzeiten für Spezialmaschinen bei bis zu zwei Jahren“, so Ottersbach. „Wenn keine gebrauchte Maschine zu haben ist und auch kein Ersatz irgendwo in einer Halle steht, kann ein solcher ‚Bottleneck‘-Schaden das Aus für das Unternehmen bedeuten.“

Fachkräftemangel haut auch hier ins Kontor

Haftzeit und Deckungssumme müssen für solche Fälle ausgelegt sein, damit das Unternehmen während der Betriebsunterbrechung weder Kunden noch Personal verliert. Um die Geschäftsbeziehungen zu erhalten, kann die vorübergehende Lohnfertigung in einem anderen Betrieb ein Ausweg sein. Auch das muss bei der Kalkulation der Deckungssumme berücksichtigt werden. Das gilt ebenso für die weiterlaufenden Gehälter im eigenen Betrieb. Sie werden meist schnell zu einem belastenden Kostenfaktor. „Ohne Schutz durch eine BU kann ein Unternehmen seine Beschäftigten häufig bereits nach kurzer Zeit nicht mehr bezahlen“, warnt Markus Müller, Produktmanager Gewerbe-Sachversicherung bei der Gothaer Allgemeinen.

In Zeiten des Fachkräftemangels in immer mehr Branchen sei es gefährlich, hochqualifiziertes Personal ziehen zu lassen. „Wenn irgendwann der Schaden im Betrieb behoben ist, steht da zwar eine neue Werkshalle mit neuen Maschinen. Doch es gibt niemanden mehr, der sie auch bedienen kann“, so Müller. Eine BU trage dazu bei, das Personal und damit das wichtige Know-how im Unternehmen zu halten und das Geschäft langfristig zu sichern.

Vorsicht bei Rückwirkungsschäden

Neben dem Deckungsumfang, der Höhe der Versicherungssumme und der Dauer der Haftzeit stellt sich zur Absicherung vieler Unternehmen zudem die Frage möglicher Rückwirkungsschäden. „Auch zwischen kleineren Unternehmen gibt es immer mehr wechselseitige Abhängigkeiten. Fällt beispielsweise ein Zulieferer oder Abnehmer durch einen Brand aus, hat das immer häufiger ganz erhebliche Auswirkungen auf die eigene Produktion“, sagt Experte Ottersbach.

Beide Fälle könnten eine Betriebsunterbrechung zur Folge haben, ohne dass ein Sachschaden im eigenen Unternehmen vorliegt. „Solche Rückwirkungsschäden sollten bei der Vertragsgestaltung Berücksichtigung finden“, rät Mario Schwarz von der R+V.

Jährliche Bedarfskontrollen

Das BU-Marktpotenzial ist angesichts der eher geringen Versicherungsdichte gerade bei kleineren Firmen groß. Doch selbst in mittleren oder großen Betrieben mit bestehender BU besteht Beratungsbedarf. Zwar sei hier das Bewusstsein für die finanziellen Risiken einer Betriebsunterbrechung durch einen Sachschaden hoch, so Schwarz. „Doch häufig sind die Haftzeiten für die Betriebsunterbrechungsversicherung nicht ausreichend bemessen.“ Auch die Höhe der Deckungssumme sollte unter permanenter Maklerbeobachtung stehen, damit sie an den jeweiligen Bedarf des Unternehmens angepasst werden kann. Zwar ersetzen Versicherer mit der Nachhaftung auch Betriebsunterbrechungsschäden, die über der vereinbarten Versicherungssumme liegen.

Marktüblich ist eine prämienfreie Nachhaftung bis zu einer Grenze von rund 30 Prozent über der Versicherungssumme, was vor allem schnell wachsenden Betrieben hilft. Dennoch ist mindestens ein jährlicher Vertrags-Check wichtig, damit Unternehmen im Ernstfall eine Betriebsunterbrechung überstehen. Das gilt laut Experte Ottersbach auch für eine zusätzliche Absicherung gegen Naturgefahren. „Angesichts immer neuer Jahrhunderthochwasser und Starkregenereignisse in Deutschland besteht bei vielen BU-Bestandsverträgen Nachholbedarf.“

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Jens Lehmann

Jens Lehmann ist diplomierter Publizist und Betriebswirt und arbeitet als freier Journalist und Autor in Hamburg. Er ist thematisch auf Wirtschafts-, Finanz- und Mobilitätsthemen spezialisiert. Seine Beiträge erscheinen in Publikationen großer Zeitungsverlage, Unternehmensveröffentlichungen sowie bei Pfefferminzia.

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