Ein Mitarbeiter eines Folienwerks überwacht eine Extrusionsanlage, auf der Spezialfolien für Verbundsicherheitsglas produziert werden. © picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Hendrik Schmidt
  • Von Karen Schmidt
  • 27.08.2020 um 19:36
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Die Corona-Krise hat viele Betriebe und damit auch die betriebliche Altersversorgung kräftig durcheinandergeschüttelt. Wie krisensicher sind Betriebsrenten in Deutschland? Und auf welche Punkte sollten Vermittler bei der Auswahl einer passenden bAV-Lösung für Unternehmen nun besonders achten?

Bei einer rein arbeitgeberfinanzierten betrieblichen Altersversorgung hängt die Zahlung der Arbeitgeberbeiträge in aller Regel auch davon ab, ob der Arbeitnehmer ein Entgelt bezieht. Bei Kurzarbeit Null entfällt also die arbeitgeberfinanzierte bAV. Gibt es diese Verknüpfung von bAV und Entgelt nicht, müssen die Beiträge grundsätzlich erst einmal weiterfließen. Darauf weist der Hamburger Rechtsanwalt Stephan Michaelis hin. Ob der Arbeitgeber seinen Aufwand kürzen darf, hängt von der jeweiligen Versorgungszusage ab. Aber: Ein Arbeitgeber werde, „wenn sich seine wirtschaftliche Situation nachhaltig verschlechtert, die bAV-Zusagen nicht dauerhaft in unveränderter Form aufrechterhalten müssen, sondern kann dann auch eine Kürzung der Zusage in Betracht ziehen“, schreibt Michaelis in einer Information zum Thema. Den Rahmen hierfür habe das Bundesarbeitsgericht geschaffen, dem Eingriff in bestehende Zusagen aber zum Schutz der Arbeitnehmer auch Grenzen gesetzt.

Alleine diese Ausgangssituationen und Handlungsszenarien zeigen: Makler und Vermittler können an dieser Stelle bei ihren Firmenkunden punkten. Meiss­ner: „Auf den Punkt gebracht – Krisenzeiten beim Arbeitgeber sind die Stunde des Maklers und Vermittlers. Denn nun ist Beratung gefragt und notwendig. Also am besten so schnell wie möglich ins Gespräch gehen und Unterstützung anbieten“, empfiehlt die bAV-Expertin.

Was passiert bei einer drohenden Insolvenz

Wie sieht es nun bei einer drohenden Insolvenz des Arbeitgebers aus? Im Falle des Konzerns Galeria Karstadt Kaufhof bekommen die Betriebsrentner das direkt zu spüren – sie erhalten seit April keine Bezüge aus der bAV mehr. Das Unternehmen befindet sich im sogenannten Schutzschirmverfahren, also einer Vorstufe zur Insolvenz – und da ist es üblich, die Zahlungen zu unterbrechen. Die Betroffenen müssten sich nun auf eine „mehrmonatige Zahlungsunterbrechung“ einstellen, wie es in einem Schreiben des Konzerns heißt.

HDI-Mann von Löbbecke macht an dieser Stelle Mut: „Die Rentenzahlungen sind nur ausgesetzt, nicht gestrichen. Nach Abschluss des Schutzschirmverfahrens müssen alle fälligen Zahlungen nachgeholt werden“, sagt er. Je nach Ausgang müsse das entweder der Arbeitgeber oder bei einer tatsächlichen Insolvenz der Pensions-Sicherungs-Verein (PSV) übernehmen. „Den Rentnern geht kein Cent verloren“, so von Löbbecke. In die gleiche Kerbe haut Jan Andersen, Principal bei Aon Deutschland. „Durch die gesetzliche Insolvenzsicherung sowie weit verbreitete zusätzliche privatrechtliche Schutzmaßnahmen ist gewährleistet, dass Versorgungsansprüche ausreichend vor einer Insolvenz des Arbeitgebers oder des Versorgungsträgers geschützt sind“, betont er.

Neue Aufgabe für den Pensions-Sicherungs-Verein

Wie bereits erwähnt, kommt dem Pensions-Sicherungs-Verein hier eine bedeutende Rolle zu. Er sichert die bAV in Form von unmittelbaren Versorgungszusagen, Unterstützungskassenzusagen und Pensionsfondszusagen sowie in bestimmten Fällen Zusagen über eine Direktversicherung. Unter Insolvenzschutz stehen rund 4 Millionen Betriebsrentner und rund 7,1 Millionen Versorgungsberechtigte mit unverfallbarer Anwartschaft. Das Geld, das zur Sicherung der bAV gebraucht wird, zahlen die Arbeitgeber ein.

Neu ist, dass der PSV nun auch teilweise bei Pensionskassen einspringen muss. Grund dafür ist die zunehmend schwieriger werdende wirtschaftliche Situation der Pensionskassen im anhaltenden Niedrigzinsumfeld. „Da gerade regulierte Pensionskassen, die nicht zu Versicherungskonzernen gehören, in der Vergangenheit häufig höher verzinste Garantieleistungen zugesagt haben, bekommen diese nun immer mehr Probleme, ihre (retrospektiv zu) großzügigen Leistungsversprechen zu halten“, erklärt Rechtsanwalt Michaelis. „Dies führte zuletzt immer häufiger zu notwendigen Eingriffen der Bafin in die Geschäftspläne der Pensionskassen, mit dem Ergebnis, dass die garantierten Leistungen für den Anwärterbestand und auch für laufende Renten gesenkt wurden.“

„Die Stunde der Kundenbindung hat geschlagen“

Generell habe der Arbeitgeber eine Einstandspflicht für derartige Leistungskürzungen. Wenn dieser aber selbst insolvent wird, hatte der Arbeitnehmer keinen Insolvenzschutz durch den PSV und blieb auf Kürzungen sitzen. „Mit der Reform werden künftig Pensionskassenzusagen gegen Insolvenz des Arbeitgebers gesichert“, so Michaelis. Dieser Schutz sei aber beschränkt auf Pensionskassen, die nicht Protektor angehören, also dem Sicherungsfonds für Lebensversicherungen.

Kurzarbeit und drohende Insolvenzen – welche Lehren können Vermittler aus den Ereignissen ziehen? „Das Insolvenzrisiko des Arbeitgebers ist ein wichtiger Aspekt, wenn es um die Wahl des Durchführungswegs geht“, sagt HDI-Vorstand von Löbbecke. Bei Direktversicherungen sei dies geringer, da ein externer Versorgungsträger von der Arbeitgeber-Insolvenz grundsätzlich unberührt bliebe. „Der Rentner hat einen direkten Leistungsanspruch gegenüber dem Versicherer“, so von Löbbecke.

Henriette Meissner sieht mehrere Lehren, die man ziehen kann: „Als Erstes: Die Stunde der Kundenbindung hat geschlagen. Ein guter Kundenservice, schnelle Auskünfte und eine gute Beratung festigen gerade jetzt die Basis für die spätere gute Zusammenarbeit. Dadurch kann die Maklerstellung entscheidend gestärkt werden. Denn es kommt eine Zeit nach der Krise.“ Fakt sei nämlich: „Der Megatrend Fachkräftemangel bleibt. Darauf ist die betriebliche Altersversorgung eine wichtige Antwort“, so Meissner. „Und die sollten wir auch mit einem klaren ‚Ja‘ zu mehr Absicherung geben.“

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Karen Schmidt

Karen Schmidt ist seit Gründung von Pfefferminzia im Jahr 2013 Chefredakteurin des Mediums.

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