Norman Wirth ist Rechtsanwalt und Inhaber der Kanzlei Wirth Rechtsanwälte. © Wirth Rechtsanwälte
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  • 27.03.2023 um 13:42
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Ein Mann bemerkt Risse an seinem Wohnhaus und seiner an einem Hang aufgeschütteten Terrasse. Er verlangt wegen eines Erdrutsches daher Leistungen aus seiner Wohngebäudeversicherung. Zu Recht? Das musste der Bundesgerichtshof jüngst bewerten.

Was ist geschehen?

Das versicherte Grundstück des Versicherungsnehmers liegt am Rand einer am Hang aufgeschütteten Terrasse. Im Jahre 2018 bemerkte er Rissbildungen an seinem Wohnhaus und auf der zugehörigen Terrasse. Er ging von einem versicherten Erdrutsch aus und verlangte von seiner Wohngebäudeversicherung die Übernahme der Kosten für die Instandsetzung. Diese lehnte jedoch ab. Der Versicherungsnehmer klagte.

Die gerichtliche Entscheidung

In zwei Instanzen entschieden das Landgericht und das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg zulasten des Versicherten. Als Erdrutsch könne der Versicherungsnehmer nur „sinnlich wahrnehmbare Vorgänge“ verstehen. Insbesondere implizierten die in der Definition des Erdrutsches verwendeten Begriffe des „Abgleitens“ und „Abstürzens“ zumindest die sinnliche Wahrnehmbarkeit einer gewissen Dynamik.

Die Geologie verwende für langfristig langsam verlaufende, sich nicht beschleunigende Bewegungen von Erdmassen ohne ausgeprägte Gleitflächen den Begriff des „Erdkriechens“. Langsame, sinnlich nicht wahrnehmbare Erdbewegungen in Form des „Erdkriechens“ sind vom Begriff des „Erdrutsches“ als einem anderen geologischen Vorgang nicht umfasst…

Weil es danach an einem Erdrutsch fehle, scheide eine Leistungspflicht der Beklagten aus.

Das BGH-Urteil

Der Bundesgerichtshof als dritte Instanz, sah das am Ende anders (Urteil vom 09.11.2022, Aktenzeichen IV ZR 62/22). Ausgangspunkt seiner Entscheidung war dabei, dass es bei der Auslegung des Begriffs „Erdrutsch“ zuvorderst auf das Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers ankommt. Dieser verwendet keine fachlichen Klassifizierungen, wie sie in der Geologie gebräuchlich sind. Ihm ist in aller Regel auch die Unterscheidung von „Erdkriechen“ zum „Erdrutsch“ völlig fremd.

Das Verständnis vom Begriff „Erdrutsch“ als „naturbedingtes Abgleiten oder Abstürzen von Gesteins- oder Erdmassen” war bisher in Rechtsprechung und Literatur erheblich umstritten. Zu großen Teilen wurde auch dort ein Erdrutsch nicht zwangsläufig mit der Notwendigkeit einer sinnlichen Wahrnehmbarkeit in Verbindung gebracht. Eine solche ist auch keineswegs von der Definition des Erdrutsches in den Versicherungsbedingungen vorgegeben. Ein Abgleiten kann auch allmählich erfolgen. Soweit selbst ein Großteil der Rechtsprechung und Literatur dieses Verständnis teilt, ist dem Versicherungsnehmer nichts anderes zu unterstellen.

Die Folgen

Der BGH verwies den Rechtsstreit an das Oberlandesgericht zurück, da dort noch weitere Fragen zur Klärung offengeblieben waren.

Das Urteil des BGH stellt den Umfang des Versicherungsschutzes in der Wohngebäudeversicherung klar. Auch Schäden durch allmähliche, nicht augenscheinliche, naturbedingte Bewegungen von Gesteins- oder Erdmassen sind abgedeckt. Das Urteil bringt eine wichtige Klarstellung zur Definition eines „Erdrutsches“ und wird dazu beitragen, dass Versicherungsnehmer besser geschützt sind.

Über den Autor

Norman Wirth ist Rechtsanwalt mit den Schwerpunkten Versicherungsrecht, Vertriebsrecht, Vermittlerrecht und Kapitalanlagerecht und Inhaber der Kanzlei Wirth Rechtsanwälte in Berlin.

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