- Von Lorenz Klein
- 10.02.2021 um 15:24
„Keine Zinsen – Miese Rente“, lautet der Titel einer 45-minütigen Reportage, die am 1. Februar in der ARD lief und auch in der Mediathek abrufbar ist. Filmautor Michael Houben sprach darin mit Betroffenen und Experten über die Folgen der Niedrigzinsmisere für die private Altersvorsorge. „Seit zwölf Jahren gibt es für Gespartes nur noch ganz wenig bis gar keinen Zins mehr“, fasst der Autor im Begleittext zum Film das Grundproblem zusammen – und fragt: „Privat vorsorgen, aber wie?“. Schließlich müsse die heutige Generation „für denselben Nutzen dreimal so viel sparen“.
Die Experten, die Houben vor der Kamera interviewt, sind in der Versicherungsbranche bestens bekannt, darunter: Frank Grund (Bafin), Axel Kleinlein (BdV), Peter Weiß (CDU), Jörg Asmussen (GDV) und Marcel Fratzscher (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung).
Aktuare wollen Garantiezins drastisch herunterfahren
Bafin entzieht zwei Pensionskassen die Betriebserlaubnis
Der Versicherer als Vampir
Beim Zuschauen wird schnell klar: Die Lebensversicherer müssen im Film herbe Kritik einstecken – man könnte fast sagen, dass ihnen die Rolle des Schurken im Stück zukommt. Dazu tragen vor allem die deftigen Sätze des kernig auftretenden Verhaltensökonomen Hartmut Walz bei, die das Herz eines jeden Fernseh-Dramaturg zum Hüpfen bringen dürften. Kostprobe: „Das ist ja wie, wenn ich mein Blut spende für eine Blutbank, wo die Vampire die Buchhaltung machen.“ Mit den Vampiren meint Walz die Versicherer. Wir kommen noch auf das Zitat zurück.
Walz untersucht an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen „Angebote von Banken und Versicherungen“, wie es im Film heißt. „Auch als es noch Zinsen gab, hielt er von Lebensversicherungen nichts“, wird der Wissenschaftler den geneigten ARD-Zuschauern vorgestellt.
Der Forscher ist aber nicht nur für flotte Sprüche gut. Walz berichtet, dass er es öfter erlebe, dass ihm Leute, die sich einst für eine Lebensversicherung entschieden, sagten: „Na, immerhin. Ich habe doch deutlich mehr zurückbekommen, als ich eingezahlt habe.“ Allerdings würden sie dabei nicht die Inflation berücksichtigen, findet Walz – und diese sei „bei den langlaufenden Verträgen in der kumulierten Wirkung richtig dramatisch“.
Er hat es ausgerechnet: Ein Rentner, der 2015 eine Lebensversicherung ausgezahlt bekam, genoss noch 3 Prozent Garantiezins plus Gewinnbeteiligung, so die Annahme im Film. „Klingt gut, war aber unterm Strich nicht doll“, kommentiert der Autor aus dem Off. „Denn während man 30 Jahre lang in die Lebensversicherung einzahlte, knabberte die Inflation viel weg.“
Es folgt ein, nun ja, etwas schräges Beispiel zur besseren Veranschaulichung: „Für umgerechnet jedes Brot, das man eingezahlt hatte, bekam man am Ende inflationsbereinigt nur 0,84 Brote zurück. Ein Sechstel des Gesparten ging flöten, trotz damals noch 3 Prozent Garantiezins“, beschreibt der ARD-Autor.
Bafin-Mann Grund warnt vor Leistungskürzungen
Bei Sparern seien Lebensversicherungen trotzdem beliebt gewesen, heißt es, weil sie mit ihren staatlich garantierten Zinsen als sicher galten. Doch diese Zeiten seien nun einmal vorbei. Frank Grund, Exekutivdirektor für Versicherungen bei der Finanzaufsicht Bafin, kann diese Sicht bestätigen. Dem Kamera-Team der ARD sagt er: „Eins ist völlig klar: Die Unternehmen sollten nicht mehr mit Garantiezinsen in ihren Produkten für das Neugeschäft rechnen in Höhe von 0,9 Prozent. Das ist aus unserer Sicht angesichts des jetzigen Niedrigzinsumfelds viel zu hoch.“
Grund äußert sich im Film auch über die zunehmende Schieflage bei den Pensionskassen. Die Bafin beaufsichtigt 135 Pensionskassen, davon befinden sich laut Grund 36 unter „intensivierter Aufsicht“, wie es heißt. Bei diesen Unternehmen sei davon auszugehen, so der Bafin-Mann, dass sie in den nächsten Jahren Schwierigkeiten bekommen könnten. Und weiter: „Aktuell gehen wir nicht davon aus, dass das unmittelbar droht, aber perspektivisch kann das durchaus sein, dass die ein oder andere Pensionskasse in den nächsten Jahren Leistungskürzungen erwägen muss.“
Kindergarten gerät in den Sog der Caritas-Kassenpleite
Dass derartige Leistungskürzungen bereits Realität sind, zeigt der Film an einem Praxisfall. So hat die Zahlungsunfähigkeit der Pensionskasse der Caritas für einen Kindergarten, der für seine Mitarbeiter eine betriebliche Altersversorgung (bAV) abgeschlossen hatte, bittere Konsequenzen: Rund 437.000 Euro muss der Elternverein des Kindergartens „Rappelkiste“ insgesamt aufbringen, um die Verluste auszugleichen – das sind 13 Euro pro Kind und Monat über Jahrzehnte hinweg.
„Die einst unvorstellbaren Minuszinsen und Fehler des früheren Managements seien schuld“, zitiert der Autor aus einer schriftlichen Stellungnahme der Pensionskasse. „100 Millionen Euro sind weg“, heißt es im Film. Die Konsequenz: Die Zusatzrenten werden aufgrund der Zahlungsunfähigkeit der Caritas Pensionskasse um ein Drittel gekürzt. Der Elternverein ist gesetzlich verpflichtet, den fehlenden Rentenanteil aus dem laufenden Etat zu begleichen – so viel, wie für Spielzeug vorgesehen ist. Eventuell müsse sogar Personal abgebaut werden. „Das macht mir Angst und Bange“, sagt ein Vorstandsmitglied dem Filmteam.
Auch die alleinerziehende Mutter Birgit Blech kommt in dem Film zu Wort. Sie ist in 15 Jahren Rentnerin. Sie bespart eine kleine private Rentenversicherung, die ihr Arbeitgeber zur Hälfte bezuschusst, und eine Riester-Rentenversicherung. 339 Euro gibt ihr der Staat über die Riester-Förderung im Jahr dazu – gut fünfmal mehr als sie selbst einzahlt. Das sind nämlich nur 5 Euro im Monat, sprich 60 Euro im Jahr. Von 2011 bis 2034 beliefen sich die staatlichen Riester-Zulagen auf ungefähr 7.000 Euro. „Da denkt sich jeder – das nehme ich mit, dann mache ich das für diese 60 Euro im Jahr“, sagt Birgit Blech.
„Am Ende ziemlich genau 0 Prozent Zins“
Doch die Ergebnisse sind ernüchternd: Bei durchschnittlicher Lebenserwartung bekommt sie dem Film zufolge „am Ende ziemlich genau 0 Prozent Zins“. Das ergibt nach jetzigem Stand mit exakt 28,54 Euro nicht mal 30 Euro Zusatzrente im Monat. Und wie ist es mit Aktien wird die Riester-Sparerin gefragt? „Auf jeden Fall ist das nichts, was mir entspricht“, sagt Birgit Blech, „wenn ich spekuliere, wenn ich nicht weiß, wo das hingeht.“ Weiß sie denn bei ihrem Riester-Vertrag so genau, „wo das hingeht“, schießt es einem in den Kopf…
„Lieber Garantien als Gewinn, so denken viele. Um welchen Preis?“, schallt es nun aus dem Off. Hartmut Walz von der Hochschule Ludwigshafen kommt jetzt wieder zu Wort: „Ich finde die Garantie zu teuer. Sie hilft nichts und sie macht bei ganz vielen Leuten die Altersvorsorge kaputt.“ Zugleich nimmt er die Versicherer in Sachen Riester ein wenig in Schutz. Zwar sei es bei Riester-Verträgen „absolut üblich“, dass ein hoher Anteil der Erträge – sogar einschließlich der Riester-Förderung – für die Kosten draufgehe. Das liege aber unter anderem auch daran, so Walz, dass kleine Verträge mit kleinen Sparvolumina natürlich trotzdem ihren Aufwand machen.
Riester-Sparen mit 5 Euro Eigenanteil im Monat? Ganz schlechte Idee…
„Ob sie einen Vertrag mit 5 Euro oder mit 500 Euro pro Monat besparen, ist ja für den Versicherer eigentlich gleich viel Arbeit. Und deswegen sind diese kleinen Sparbeiträge bei Riester sehr, sehr ungünstig“, so der Experte.
Nun ja, trotz dieses, sagen wir, etwas sub-optimalen Verhältnisses aus eigenen Sparbeiträgen und staatlicher Förderung, sagt Riester-Sparerin Blech doch tatsächlich: „Wenn ich sehe, was da am Ende für mich rauskommt an Rente, denke ich, da läuft irgendwas verkehrt.“
Seite 2: Riester-Rente „Verbrennungsmotor für Steuergelder“?
13 Kommentare
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kommentierenWas Asmussen eigentlich besser wissen müsste – Prof. Dr. Hartmut Walz
Vor 4 Jahren[…] unter diesem Pfefferminzia-Artikel der Versicherungslobby […]
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