Dieter Homburg ist Berater mit dem Schwerpunkt Altersvorsorgeplanung und Autor des Buches „Altersvorsorge für Dummies“ © Sebastian Mayer
  • Von Oliver Lepold
  • 20.05.2019 um 10:20
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lesedauer Lesedauer: ca. 06:10 Min

Viele Menschen tun sich immer noch schwer mit dem Thema private Altersvorsorge, und verlassen sich allein auf die gesetzliche Rente. Eine Entwicklung, die Dieter Homburg, Autor des Buches „Altersvorsorge für Dummies“, mit Sorge beobachtet. Im Interview fordert er mehr Aufklärung und bessere staatliche Anreize.

Viele Deutsche wollen Garantien und sind sehr risikoavers eingestellt – können ihre Sparziele so aber in Niedrigzinszeiten nicht mehr erreichen. Sie müssten mehr Risiko zulassen und anders investieren. Inwiefern ändert sich die Einstellung gegenüber dem Risiko angesichts des anhaltenden Niedrigzinsumfelds?

Hierzu ist die Definition von Risiko maßgeblich. Wer noch 20 oder 30 Jahre Zeit hat und etwas fürs Alter tun möchte, für den sind die heutigen Garantien zum Beispiel bei Lebensversicherungen total kontraproduktiv. Garantiert sind sowieso kaum mehr als die eingezahlten Beiträge, die nach Abzug der Inflation nur noch einen geringen Wert in Kaufkraft gerechnet haben. Und hier gilt ganz sicher nicht der Satz „besser als nichts“. Im Gegenteil, durch die Garantien wird der Lebensversicherer dazu angehalten, einen ganzen Teil in langlaufende festverzinsliche Staats- und Bankanleihen zu investieren. Diese werfen aber auf absehbarer Zeit noch nicht mal mehr einen realen Inflationsausgleich ab. Damit ist die Sache von vorneherein schon zum Scheitern verurteilt. Den besten Schutz vor allen Krisen bieten Sachwertanlagen wie Immobilien, Unternehmensbeteiligungen wie Aktien oder Gold und Silber. Hier sind auch in Zukunft gute Verzinsungen möglich. Insbesondere dann, wenn man nicht einfach blind jeden Monat 100 Prozent Aktien kauft, sondern gemachte Gewinne auch immer wieder geschickt absichert und umschichtet. Die Menschen müssen nicht mehr Risiko zulassen, sondern verstehen, was mit ihrem Geld passiert und wie man intelligentes von weniger intelligentem Anlegen unterscheidet.

Hat die umfassende Regulierung der Branche bessere Qualitätsstandards für die Beratung gebracht?

Nein, noch lange nicht. Nach wie vor gibt es viele schwarze Schafe und dem Anlagebetrug sind weiterhin Tür und Tor geöffnet. Einen Versicherungsvermittlerschein bekommen Sie schon nach einem vier- bis sechsmonatigem Online-Kurs – dann können Sie fleißig drauflos beraten. Was dabei rauskommt, bekomme ich jeden Tag auf den Tisch und kann versuchen, das Kind wieder aus dem Brunnen zu holen.

Was raten Sie selbst: Wo findet ein Interessent die beste Altersvorsorge-Beratung?

Bei sich selbst. Ganz klar! Das Thema ist nicht deligierbar. Ein gutes Grundverständnis von den Mechanismen und Hintergründen einzelner Anlagen sollte sich jeder selbst aneignen. Ansonsten ist die Wahrscheinlichkeit groß, über den Tisch gezogen zu werden. In Deutschland ist die Altersvorsorge-Beratung flächendeckend auf den Verkauf von Produkten ausgelegt. Das allein führt in den meisten Fällen eine erstklassige Altersvorsorge-Beratung schon ad absurdum.

Wie sieht Ihrer Ansicht nach eine perfekte Vorsorgeplanung für einen 25-Jährigen aus?

Das Schiff, das keinen Hafen kennt, dem weht kein Wind: Als erstes sollte der junge Mensch ganz genau definieren, wo er – finanziell gesehen – hin will. Er sollte sich etwa die Frage beantworten, was er jeden Monat zum Leben brauchen würde, wenn er heute nicht mehr arbeiten müsste. Das Ergebnis muss er dann nur noch unter Einbeziehung der Inflation hochrechnen – und der Rest ist Finanzmathematik, die mit einfachen Online-Rechnern bewältigt werden kann. Wenn es um die Frage der Geldanlage geht, hängt dies stark von den Rahmenbedingungen jedes Einzelnen ab. Wer beispielsweise einen sehr hohen Steuersatz hat, geht anders vor, als jemand, der deutlich weniger Steuern zu bezahlen hat. Was aber alle gemein haben sollten, ist, dass sie ihr Geld sachwertorientiert in Aktien, freie Beteiligungen, Immobilien, Edelmetalle, aber vor allem in sich selbst, investieren sollten. In das eigene Wissen, die eigenen Skills und die persönliche Weiterentwicklung zu investieren, ist die beste Vorsorgeplanung. Weil dann alles andere damit erleichtert wird.

Was sind Ihrer Ansicht nach die größten Fehler bei der Altersvorsorge?

Zu lange warten, weil Warten extrem teuer ist. Beim Sparen ist nämlich die Zeit ausnahmsweise mal unser Freund. Albert Einstein hat den Zinseszinseffekt als das achte Weltwunder beschrieben, und das ist es auch. Ein weiterer Fehler besteht darin, in unrentable Produkte zu investieren. Die meisten Altersvorsorgeprodukte machen nur die Banken- und Versicherungswelt reicher, helfen aber letztlich nicht den Verbrauchern. Falsch ist es auch, die staatliche Förderung links liegen zu lassen. Machen wir uns nichts vor, die meisten Menschen können sich die Monatsbeiträge für eine ausreichende Altersvorsorge kaum leisten. Im Zuge von Rentenkürzungen – das Renteneintrittsalter von 65 auf 67 Jahre hochzusetzen kommt übrigens auch einer Kürzung gleich – hat der Staat Fördertöpfe wie Riester, Rürup oder die betriebliche Altersversorgung ins Feld geführt. Diese lohnen sich keinesfalls pauschal für jeden, aber durchkalkulieren sollte man sie in jedem Fall. Oftmals kann man damit seine Nettobelastung deutlich drücken, und so bleibt auch noch etwas zum Leben übrig.

Wie sehen Sie die Zukunft der Altersvorsorge in Deutschland?

Wir steuern in dieser Hinsicht auf ein Desaster zu. Die Kinder, die unsere späteren Renten zahlen müssten, sind nie geboren worden, und die milliardenschweren Pensionsverpflichtungen gegenüber unseren Beamten tun ihr Übriges. In meinen Vorträgen und Beratungen rege ich immer an, das Heft unbedingt in die eigene Hand zu nehmen. Sich in Sachen Altersvorsorge auf den Staat zu verlassen, gleicht dem Versuch auf einer vielbefahrenen Straße mit den Händen vor den Augen bei Rot über die Ampel zu gehen. Hier gilt es, deutlicher aufzuklären. Es geht darum, den Menschen die Chance zu geben, ein lebenswertes Leben auch im Alter führen zu können.

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Oliver

Oliver Lepold

Oliver Lepold ist Dipl.-Wirtschaftsingenieur und freier Journalist für Themen rund um Finanzberatung und Vermögensverwaltung. Er schreibt regelmäßig für Pfefferminzia und andere Versicherungs- und Kapitalanlage-Medien.

kommentare
Wilfried Strassnig
Vor 2 Jahren

Falsche Berechnungen zur Inflation. Riester ist. wie BAV trotz Förderung uninteressant.

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Wilfried Strassnig
Vor 2 Jahren

Falsche Berechnungen zur Inflation. Riester ist. wie BAV trotz Förderung uninteressant.

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