Einfach, unkompliziert, digital und lässig – so präsentieren sich Insurtechs gern. © picture alliance / Bildagentur-online/Blend Images | Blend Images/Strauss/Curtis
  • Von Manila Klafack
  • 26.08.2020 um 15:07
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Die Corona-Pandemie hat anfangs auch den Insurtech-Markt mächtig durchgerüttelt. Den Boom nachhaltig abbremsen, konnte sie allerdings nicht. Im Gegenteil: Inzwischen ziehen die Investitionen in Versicherungs-Startups wieder an. Doch wie arbeiten digitale Versicherer eigentlich? Wie entwickeln sie ihre Produkte und welche Vorteile bieten sie?

Digitale Versicherungen versprechen vor allem eins: weniger Zeitaufwand für den Kunden durch einen schnellen Abschluss, eine einfache Handhabung und eine unkomplizierte Datenverwaltung.

Nur ein paar Klicks, keinerlei Papierkram, null Wartezeit und alles stets griffbereit in einer App verfügbar – so sieht die Versicherungswelt der Insurtechs aus. Ein einfacher Abschluss von einfachen Produkten ohne Beratungsgespräch und ohne hohen Zeitaufwand, lautet das Credo der Start-ups der Versicherungsbranche.

Gerade bei jüngeren, online-affinen Interessenten treffen sie damit einen Nerv. Eine aktuelle Umfrage des Marktforschungsunternehmens Yougov im Auftrag der Management- und Technologieberatung Bearing Point ergab, dass nur gut 20 Prozent der 18- bis 20-Jährigen – also Mitglieder der sogenannten Generation Z – für eine Beratung mit einem Versicherungsmakler in Kontakt treten möchten. 37 Prozent bevorzugen den Weg über die Homepage des Versicherers. Ein Drittel setzt auf ein Internet-Vergleichsportal.

Digitale Prozesse an die junge Zielgruppe anpassen

„Für die Generation Z ist es selbstverständlich, dass sie alle ihre Anliegen jederzeit online erledigen können. Versicherungen müssen daher ihre digitalen Dienste dringend an dieser Zielgruppe ausrichten“, kommentiert Giso Hutschenreiter, Partner und Versicherungsexperte bei Bearing Point, die Studien-Ergebnisse.

Das erklärt, warum das Angebot der digitalen Versicherer in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen ist. Ob Deutsche Familienversicherung, Mailo, Getsafe, One oder Lemonade – der „Insurtech Radar“ von Policendirekt zählte 2019 ganze 134 Anbieter.

Die Marktbeobachter von Yougov und Bearing Point stellen eine zunehmende Kooperationsbereitschaft der Start-ups mit etablierten Versicherern und mit anderen Insurtechs fest. Dabei besetzten die Neulinge zunächst Nischen und/oder tummelten sich aktuell vorrangig im Kompositbereich.

Die klassischen Versicherungen haben die Potenziale der Start-ups längst erkannt. Die Prozesse in den eigenen Unternehmen auf digital zu polen, gestaltet sich jedoch oft schwierig. Ein Start-up dagegen kann die entsprechenden Geschäftsabläufe von vornherein auf die digitale Nutzung abstellen. So streben etablierte Versicherer zunehmend Beteiligungen an digitalen Unternehmen an oder gründen sie gleich selbst.

Bei der Allianz etwa heißt das digitale Geschäftsmodell Allianz X. Zudem beteiligte sich der Konzern an dem 2012 gegründeten Berliner Insurtech Simplesurance. Über dessen App „Schutzklick“ können Kunden Smartphones, Notebooks, Fahrräder oder Haustiere versichern.

Gewerbe- statt Privatkunden im Visier

Die Provinzial Nordwest zielt dagegen mit dem vor eineinhalb Jahren gestarteten Start-up andsafe auf Gewerbetreibende ab. Denn auch dort finden sich mehr und mehr junge, online-affine Unternehmer und vor allem auch Gründer.

Während die eigentliche Produktgestaltung bei andsafe in ihren drei Phasen (Idee, Design, Entwicklung) nicht groß von der „klassischen“ Herangehensweise abweicht, besteht ein zentraler Unterschied in der Iteration. Es gibt kein abschließendes Produkt, vielmehr verändert es sich durch die ständige Überarbeitung und Anpassung an die Kundenanforderungen und an den Wettbewerb.

„Um das Produkt in kurzen, iterativen Zyklen anpassen zu können, sind digitale Prozesse notwendig. Bereits während der Produktentwicklung beachten wir deshalb notwendige Folgeprozesse und gestalten sie oder das Produkt so, dass eine automatisierte Durchführung möglich ist“, beschreibt Jakob Lüdtke, leitender Manager Produktdesign, das Vorgehen. „Diese digitalen Prozesse ermöglichen es uns wiederrum, sehr schnell auf Veränderungen reagieren zu können.“

Die Betriebsinhaltsversicherung sei dafür ein gutes Beispiel. Nach vier Fragen bekomme der Interessent einen ersten Preis genannt. Zudem spiegele sich die angestrebte Einfachheit in den Leistungen wider. Hier habe man sich bewusst für die Allgefahrendeckung entschieden, die alles umfasst, was nicht explizit ausgeschlossen ist. Ferner würden automatische Leistungs-Updates und die digitale Verfügbarkeit aller Dokumente im Portal das Versicherungsleben der Anbieter, der Makler und der Kunden erleichtern.

Produktlebenszyklen werden sich verkürzen

Anstatt mit der Zeit verschiedenste Produktgenerationen wegen der regelmäßig verbesserten Leistungen verwalten zu müssen, gelten bei Insurtechs immer die aktuellen Bedingungen. Der Kunde hat damit das beste Produkt, und der Vorteil des Versicherers liegt in den vereinfachten Prozessen.

Die digitalen Player verkürzen mit ihrer Herangehensweise die Lebenszyklen einzelner Produkte. Diese Entwicklung wird sich in den nächsten Jahren über die gesamte Versicherungswelt fortsetzen. Die alteingesessenen Versicherer werden sich auf die bereits veränderten und sich weiter wandelnden Kundenbedürfnisse einstellen müssen.

Bei den Produkten an sich allerdings erwarten Experten wie Jakob Lüdtke keine „revolutionären Neuerungen“ innerhalb der kommenden fünf Jahre. Ebenfalls keine signifikante Bedeutung werden seiner Ansicht nach zum Beispiel die situativen Versicherungsprodukte erlangen. „Ich glaube nicht an die Masse von Skifahrern, die sich erst auf der Piste entscheiden und eine Unfallversicherung abschließen“, so Lüdtke.

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Manila Klafack

Manila Klafack war bis März 2024 Redakteurin bei Pfefferminzia. Nach Studium und redaktioneller Ausbildung verantwortete sie zuvor in verschiedenen mittelständischen Unternehmen den Bereich der Öffentlichkeitsarbeit.

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