Jens Patze ist Produktmanager bei der Helvetia Leben. © Helvetia
  • Von Oliver Lepold
  • 27.05.2021 um 09:20
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Unter welchen Umständen ist es sinnvoll, bereits sehr junge Menschen über eine Grundfähigkeitsversicherung abzusichern? Was ist dabei zu beachten? Jens Patze, Produktmanager der Helvetia Leben, erläutert die wichtigsten Punkte aus Praxissicht.

Pfefferminzia: Für Kinder und Jugendliche kann bereits ab zehn Jahren eine Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) abgeschlossen werden. Warum sollten sich Eltern stattdessen für eine Grundfähigkeitsversicherung entscheiden?

Jens Patze: Kinder gehören auch zur Zielgruppe der Grundfähigkeitsversicherung (GF), weil man ihnen so einen sinnvollen Schutz anbieten kann. Das Pricing ist zwar breit gestreut am Markt, aber in der Regel ist eine GF deutlich günstiger als eine Schüler-BU. Das kommt vielen Eltern entgegen. Die meisten BU-Anbieter starten zudem erst ab 15 Jahren. Bei Versicherern mit früheren Eintrittsaltern sollte immer geprüft werden, was diese leisten und wie die Definition für den Schüler tatsächlich aussieht.

Ab wann können Grundfähigkeiten abgesichert werden und welche Unterschiede gibt es bei den Ausgestaltungen der Tarife für Kinder?

Die Ausgestaltung für Kinder ist bis auf Details identisch zu der für Erwachsene. Die Anbieter unterscheiden sich allerdings darin, welche Grundfähigkeiten generell abgesichert sind. Am Markt gibt es etwa 70 BU-Anbieter. Nur rund 25 bieten eine GF an. Und nur sieben davon – inklusive Helvetia – bieten diese für Kinder ab 6 Jahren bis zum Endalter 67 an. Ein Anbieter startet bereits ab drei Jahren. In dem Alter sind manche Grundfähigkeiten häufig noch gar nicht richtig entwickelt. Deshalb können sie auch nicht von Beginn an versichert sein. Den größten Teil der Grundfähigkeiten hat ein Kind mit sechs Jahren dagegen bereits entwickelt. Nur das Autofahren fällt bis zum 17. Lebensjahr natürlich generell weg.

Wie hoch kann man ein Kind oder einen Jugendlichen in der Grundfähigkeitsversicherung maximal versichern? Und inwieweit ist diese Summe sinnvoll?

Die Grenzen in der GF für Kinder liegen wie in der Schüler-BU meist bei monatlich 1.000 Euro. Diese Summe ist ohne Einkommensnachweis gut versicherbar, denn sie liegt über der staatlichen Grundsicherung, ermöglicht aber noch kein „Luxusleben“. Einige Anbieter bieten eine BU-Rente für Schüler auch bis 1.500 Euro an. Wichtig ist, dass man auf Dynamik und Nachversicherungsgarantien achtet. Da gibt es durchaus relevante Unterschiede am Markt. Die versicherte Rente stellt eine Basisabsicherung für die Lebenshaltungskosten dar, auf der man später aufsetzen kann, um flexibel neue Einkommenswege zu gehen. Besonders hervorzuheben ist, dass es in der GF nicht relevant ist, ob nebenher gearbeitet wird. Es zählt nur der Verlust mindestens einer Grundfähigkeit.

Welche Unterschiede gibt es bei Laufzeiten und dem späteren möglichen Übergang zu einer BU ohne Gesundheitsprüfung?

Zwei Anbieter haben eine tariflich begrenzte Maximallaufzeit von 50 Jahren. Wenn der Kunde 17 Jahre alt ist, reicht das. Aber ein sechsjähriges Kind erhält den Schutz dann nur bis zum 56. Lebensjahr. Einem Kind einen Schutz anzubieten, der weit vor 67 Jahren endet, ist fahrlässig, weil das Kind selbst unter optimistischsten Annahmen frühestens mit 63 in Ruhestand gehen kann. In der Regel bleibt die Laufzeit auch beim Übergang in die BU unverändert, sonst würde das Risiko des Versicherers steigen. Die versicherte Rente bleibt beim Umstieg aber stets begrenzt. Oft sogar mit einem festen Maximalbetrag, so dass nicht der komplette GF-Schutz umgetauscht werden kann. Hier sollten die Regeln der Umtauschoption also genau verglichen werden. Wer dann trotzdem noch höher versichert werden will, muss sich einer neuen Gesundheitsprüfung unterziehen. In guten Tarifen kann auch nach dem Umtausch noch die Dynamik oder Nachversicherungsgarantie genutzt werden.

Bis wann muss der Umstieg auf die BU erfolgt sein?

In der Regel bis zum Berufseinstieg, das kann auch nach einem Studium der Fall sein. Häufig besteht eine Altersgrenze von 30 oder Mitte bis Ende 20. Daher gilt: Je höher das Alterslimit, umso besser. Den Umtausch von der GF in die BU noch als Schüler ermöglichen derzeit nur zwei Anbieter, darunter Helvetia. Das ist der optimale Zeitpunkt, denn dann sind auch künftige Risikoberufe wie etwa Profi-Fußballer oder Fotomodelle durch die BU mit abgedeckt. Ist zum Zeitpunkt des Umtausches der Beruf schon bekannt, kann es sein, dass dieser gar nicht versichert werden kann und der Umtausch daher entfällt.

Welche Trends für Kinder und Jugendliche sehen Sie in der Branche?

Aufgrund der Niedrigzinsen geht der Trend zur fondsgebundenen Grundfähigkeits-versicherung und – obwohl nicht zielführend – zu einem immer jüngeren Eintrittsalter. Die Umtausch- und Erhöhungsoption ist das Unterscheidungsmerkmal im Wettbewerb. Daher wird sich das Angebot immer weiter ausweiten. Ob dann irgendwann eine reine Anwartschaft auf die BU kommt, bleibt abzuwarten. Ich finde übrigens nicht, dass man ausschließlich den Umtausch der GF in die BU in der Beratung als Abschlussgrund so herausstellen sollte.

Warum denn nicht?

Damit redet man das Produkt klein, denn es gibt großen Bedarf an Versicherungsschutz in jüngeren Jahren. Warum sonst haben wir eine Versicherungsdichte von 40 Prozent bei Unfallversicherungen für Kinder? Jedes Jahr passieren 40.000 Unfälle mit bleibenden Schäden. Mit knapp sechs Jahren nehmen Kinder bereits häufig am Straßenverkehr teil. Für Eltern kann es dann attraktiv sein, die Unfallversicherung ganz oder teilweise mit einer Grundfähigkeitsversicherung zu ersetzen beziehungsweise zu ergänzen, weil sie mehr Schutz in Form eines krankheitsbedingten Grundeinkommens bietet.

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Oliver Lepold

Oliver Lepold ist Dipl.-Wirtschaftsingenieur und freier Journalist für Themen rund um Finanzberatung und Vermögensverwaltung. Er schreibt regelmäßig für Pfefferminzia und andere Versicherungs- und Kapitalanlage-Medien.

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