- Von Andreas Harms
- 26.01.2024 um 15:27
Als es um Hochwasser geht, legt Norbert Rollinger ganz besonders viel Druck in die Stimme. Es ist höchste Eisenbahn, soll die Tonlage des Präsidenten vom Versichererverband GDV – etwas freier interpretiert – verdeutlichen, und die Versicherungsbranche hat die Faxen dicke. Und ja, das Weihnachtshochwasser 2023 hat wieder gezeigt, was in Deutschland in Sachen Schutz vor Hochwasser so vorangeht: Nichts.
Politiker und andere öffentliche Persönlichkeiten fordern dann gern reflexartig die Elementarschadenversicherung als Pflicht für alle. Deshalb zeigte sich der GDV genötigt, seinen Standpunkt auf der Jahresmedienkonferenz 2024 entsprechend druckvoll (einmal mehr) klarzumachen.
Neuer Vorstoß in Sachen Elementarschaden-Pflichtversicherung
Hochwasser könnte Versicherer weniger als eine Milliarde Euro kosten
„Wir sagen ‚Nein‘ zur Pflichtversicherung als alleiniges Mittel“, stößt Rollinger also hervor und fügt sogleich hinzu, wozu seine Branche denn gerne „Ja“ sagt. Ja zu einem Gesamtkonzept mit vielen abgestimmten Maßnahmen. Ja, zum klimaangepassten Bauen und Sanieren. Ja zu einem Baustopp in Überschwemmungsgebieten. Ja zu entsiegelten Flächen. Und dann auch Ja zu einer flächendeckenden Versicherung gegen Hochwasser. Aber bitte bezahlbar.
Es ist ein Vortrag in Richtung Berlin, aber auch in Richtung jedes einzelnen Bundeslandes. Deren Ministerpräsidenten wirft Rollinger an anderer Stelle vor, sie wollten „selbstverursachte Probleme in der Flächennutzung und die jahrelange Unterfinanzierung der Schutzmaßnahmen auf die Versichertengemeinschaft abwälzen“.
Doch auf der Konferenz ging es auch darum, wie sich die Versicherungsbranche im vergangenen Jahr und damit mitten im allgemeinen wirtschaftlichen Krisengeflüster geschlagen hat. Und es lässt sich festhalten: beachtlich. Die Versicherer verbuchten 2023 über alle Sparten hinweg ein Beitragsplus von 0,6 Prozent auf somit 224,7 Milliarden Euro. Fürs neue Jahr übt man sich angesichts steigender Nominallöhne und nachlassender Inflation in ordentlichem Optimismus und erwartet ein Beitragswachstum von 3,8 Prozent.
Druck gab es bei den Lebensversicherungen. Dort gingen die Beitragseinnahmen um 5,2 Prozent auf 92,0 Milliarden Euro zurück. Vor allem das Einmalbeitragsgeschäft war davon betroffen. Die laufenden Beiträge blieben eher stabil. Stabil dürfte auch das Jahr 2024 bleiben, schätzt man beim GDV. Die Beitragseinnahmen sollten insgesamt bei 91,8 Milliarden Euro liegen. Das ergäbe einen nur noch leichten Rückgang um 0,2 Prozent.
Schäden wachsen stärker als die Beiträge
Eher schwierig wirkt hingegen das Schaden- und Unfallgeschäft, für das Rollinger auf den Punkt bringt: „Die Schäden wachsen deutlich stärker als die Beiträge.“ Offenbar zog es sich durch das Jahr, dass Dienstleistungsbetriebe ihre Preise nachträglich noch kräftig hochzogen, als Beispiele nennt der GDV die Baubranche und Autowerkstätten. Wer 2023 mal mit einer zu tun hatte, dem dürfte das bekannt vorkommen.
Das führte unterm Strich dazu, dass die Beiträge zwar ansehnlich um 6,7 Prozent auf 84,5 Milliarden Euro anzogen. Die Schadenausgaben aber mit plus 12,7 Prozent noch viel heftiger. Die KFZ-Sparte fuhr damit einen versicherungstechnischen Verlust von rund 2,9 Milliarden Euro ein. Schaden und Unfall insgesamt bliebt immerhin im Plus, wenngleich sich der versicherungstechnische Gewinn auf 1,5 Milliarden Euro mehr als halbierte.
In diesem Jahr dürften die Beiträge um weitere 7,7 Prozent anziehen, schätzt man nun. Weil die KFZ-Sparte noch einiges nachzuholen hat, sollte der Zuwachs dort etwa 10 Prozent betragen.
Und am Ende noch die Krankenversicherungen: In der Privaten Krankenversicherung (PKV) stiegen die Beitragseinnahmen um 2,3 Prozent auf 48,2 Milliarden Euro. 42,6 Milliarden Euro entfielen davon auf die Krankenversicherung (plus 1,3 Prozent). In der Pflegeversicherung stiegen die Beiträge insbesondere wegen Leistungsausweitungen in der gesetzlichen Pflegeversicherung um 10,3 Prozent auf 5,6 Milliarden Euro (mehr dazu lesen Sie auch hier).
„Wehrhaft gegen Extremisten und Verfassungsfeinde“
Ganz zu Beginn passierte jedoch fernab von Zahlen und Hochwasser noch etwas ganz anderes. Denn da wurde Rollinger „aus aktuellem Anlass“ politisch. Was der Anlass war, sagte er zwar nicht, es handelt sich aber höchstwahrscheinlich um das hohe Ergebnis der AFD in einer Umfrage unter Vermittlern (Pfefferminzia berichtete).
„Unzufriedenheit mit der gegenwärtigen Situation darf nicht dazu führen, verfassungsfeindliche Parteien und Gruppierungen zu unterstützen“, so der GDV-Präsident. Demokratie müsse handlungsfähig sein, aber auch wehrhaft „gegen Extremisten und Verfassungsfeinde jeder Art“.
Es werde dem Standort Deutschland und den Bürgern massiv schaden, wenn man versuche, Deutschland aus der Europäischen Union austreten zu lassen, so Rollinger weiter (Was darauf anspielt, dass AFD-Funktionäre derzeit solche Planspiele betreiben). „Ein solches Programm ist schlecht für Wirtschaft, Wohlstand und Wachstum.“
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