Dachdecker arbeiten oft an der frischen Luft – das ist gesund, schützt aber nicht vor dem Verschleiß der Knie. Eine Grundfähigkeitspolice kann dieses Risiko absichern, wenn es auch Schwierigkeiten dabei geben kann. © picture alliance / imageBROKER / FB-Fischer
  • Von Lorenz Klein
  • 06.11.2023 um 08:45
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Das Marktangebot in der Grundfähigkeitsversicherung wächst rapide. Wie die Versicherer ihre Produkte weiterentwickelt haben – und wo Gefahren drohen.

Allmählich hat es sich rumgesprochen im Volke: Wer keine Kraft mehr hat zum Arbeiten – sei es durch Krankheit oder nach einem Unfall –, geht ohne private Vorsorge ein großes finanzielles Risiko ein. Doch mit einer Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) kann man den Verlust der eigenen Arbeitskraft absichern. End of Story? Schön wär’s.

Leider ist es so, dass die Verbreitung der BU vielerorts stagniert – unter anderem im Handwerk, wie der Versicherer Signal Iduna konstatiert. Denn für Arbeitnehmer, die überwiegend körperlich tätig sind und damit ein höheres Ausfallrisiko zu tragen haben, ist die BU oft nicht mehr bezahlbar. Zu dieser Entwicklung hat die Branche selbst beigetragen, aber das ist eine andere Geschichte.

Eine Option für BU-lose kann die Grundfähigkeitsversicherung, kurz GFV, sein. Wie der Name schon sagt, versichert die GFV menschliche Grundfähigkeiten wie Sehen, Hören, Gehen, Treppen steigen, Heben, Tragen, den Gebrauch der Arme und so weiter. Kann der Versicherungsnehmer das nicht mehr leisten, bekommt er eine Rente. Die Leistungsauslöser für eine Grundfähigkeitsversicherung seien für Kunden leicht nachzuvollziehen und würden unabhängig von der Berufsausübung beurteilt, hebt die Signal Iduna den Nutzen des Produktes hervor.

Zudem fließt die volle Rente bereits, wenn nur eine der versicherten Grundfähigkeiten verloren geht. Torben Wamser, Product Owner Einkommensschutz bei Signal Iduna, zeigt sich dann auch optimistisch für ein Marktsegment, das endlich aus dem Dornröschen-Modus erwacht zu sein scheint: „Obwohl Deutschland als traditionelles BU-Land gilt, entdecken immer mehr Vermittler und Endkunden die Vorteile, die ein guter Grundfähigkeitsschutz bieten kann. Das gilt vor allem in Situationen, in denen ein BU-Schutz aus unterschiedlichen Gründen nicht infrage kommt“, sagt Wamser.

Komplett meint komplett

Wer nun aber die GFV gleich zum „BU-Schutz für Handwerksberufe“ erklärt, ist schief gewickelt. Denn das wecke schnell falsche Erwartungen, warnt Philipp Wedekind, Leiter Ratings Vorsorge und Nachhaltigkeit beim Analysehaus Franke und Bornberg. Die Produkte ticken einfach zu unterschiedlich: Während die BU bereits leistet, wenn körperliche oder psychische Einschränkungen eine mindestens 50-prozentige Berufstätigkeit nicht mehr erlauben, zahlt die GFV erst, wenn eine Fähigkeit komplett verloren geht. Und komplett meint auch komplett.

Beispiel Fliesenleger: Kann der aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr auf den Knien arbeiten, so ist das ein klarer BU-Fall. Nicht so in der GFV. Erst wenn der Fliesenleger gar nicht mehr knien kann, bekommt er eine Leistung. Das Problem: Selbst mit größeren Knie-Problemen gelingt es den Menschen in der Regel, zumindest kurze Zeit zu knien, erläutert Experte Wedekind.

„Die GFV ist keine BU-Light“

„Die GFV ist eben keine BU-Light“, gibt Makler und Biometrie-Experte Philip Wenzel zu bedenken. Hier sei die Euphorie einer gewissen Ernüchterung gewichen – auch bei den Vermittlern. „Denn die Grundfähigkeitsversicherung geht halt nicht automatisch glatt durch, wenn ich in der BU-Versicherung Ausschlüsse oder gar eine Ablehnung erhalten habe“, weiß Wenzel. Um besagter Ernüchterung vorzubeugen, sei es wichtig, dass sich die Vorstellung des Kunden mit den tatsächlichen Leistungsauslösern decke. Doch hier gebe es immer wieder Missverständnisse. Diese führten dazu, dass Kunden „den Leistungsfall extrem falsch einschätzen“.

Wenzel schildert ein typisches Beispiel: „Ein Heizungsmonteur muss auch mal eine 250 Kilogramm schwere Wärmepumpe in einen Keller wuchten. Wenn er jetzt liest, dass in der GFV ‚Heben und Tragen‘ versichert ist, hört sich das für ihn super an. Nur: ‚Heben und Tragen‘ bedeutet in der Regel, 5 Kilogramm 5 Meter über einen ebenen Boden zu tragen.“ Im Klartext: Wer das nicht mehr fertigbringt, dem muss das Leben schon ziemlich übel mitgespielt haben. Wenzels Heizungsmonteur dürfte es also wie Wedekinds Fliesenleger aus dem obigen Beispiel ergehen: Sie sind noch zu fit, als dass sie auf Geld von ihrer GFV hoffen können.

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Lorenz Klein

Lorenz Klein gehörte dem Pfefferminzia-Team seit 2016 an, seit 2019 war er stellvertretender Chefredakteur bei Pfefferminzia. Im Oktober 2023 hat Klein das Unternehmen verlassen, um sich neuen Aufgaben in der Versicherungsbranche zu widmen.

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