Stephan Heider berät als "Bankrocker" seine Kunden ganz ohne den klassischen Anzug © Stephan Heider
  • Von Oliver Lepold
  • 18.03.2022 um 15:06
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Millenials und die junge Generation Z stellen spezielle Anforderungen an die Beratung. Worauf sollten sich Maklerinnen und Makler einstellen? Welche Fehler gilt es zu vermeiden? Pfefferminzia befragte Stephan Heider, den als „Bankrocker” aktiven Makler, nach Erkenntnissen aus seiner Beratungspraxis.

Pfefferminzia: OK, wie bereitest du dich auf junge Neukunden vor?

Stephan Heider: Wenn möglich, schaue ich mir die Social-Media-Profile an, um einen Eindruck von dem jeweiligen Menschen zu erhalten und nach Gemeinsamkeiten und Anknüpfungspunkten zu suchen. Andernfalls bestreite ich das Erstgespräch lediglich mit den Grundinformationen Alter und Geschlecht. Mein Vorgehen unterscheidet sich nicht danach, ob mir ein junger oder älterer Neukunde gegenübersitzt.

Welche Faktoren sind entscheidend für die Akzeptanz einer Maklerin oder eines Maklers bei der jungen Zielgruppe?

Nach meiner Erfahrung ist der jungen Generation das Gefühl von Verständnis, Augenhöhe und Identifikation wichtiger ist als die fachliche Kompetenz! Ähnliches sind sie von Influencern gewohnt. Die junge Generation ist kaum finanziell vorberaten, hat allenfalls ein paar Youtube-Finanzvideos geschaut, aber noch keine Abschlussentscheidung getroffen. Die Zielgruppe kommt zu mir, weil sie mit einem tätowierten, bärtigen Typen mehr anfangen kann als mit dem bebrillten Bankberater im klassischen Anzug. Junge Kundinnen und Kunden möchten nach der Beratung das Gefühl haben, verstanden worden zu sein. Sie brauchen einen Profi, der ihnen ihr vorhandenes Finanzwissen bestätigt und sie zu einer Lösung führt – nämlich dem richtigen Lösungsprodukt zu ihrer konkreten Problemstellung. In der Bank ist das anders, dort muss der Bedarf beim Kunden meist erst geweckt werden. Das ist Push-Marketing, während ich Pull-Marketing praktiziere.

Inwieweit bereitest Du dich differenziert vor, wenn Du weißt, dass du einen Mann, eine Frau, oder ein Paar berätst?

Der wichtigste Mensch in einem Leben sollte man selber sein. Leider ist das oft nicht der Fall. So schließen viele junge Frauen für ihre Kinder Unfallversicherung und Altersvorsorge ab, sorgen aber für sich selbst nicht ausreichend vor. Emotional verständlich, aber ökonomisch wahnsinnig. Wie soll man die Kinderfürsorge bezahlen, wenn im BU-Fall die Rente nicht reicht? Männer erkennen eher, dass sie die Wurzel des Wohlstandes für ihre Familie sind, während Frauen ökonomisch zu sehr auf die Kinder abzielen. Bei kinderlosen jungen Kunden gibt es keine großen Unterschiede, das Bildungsniveau spielt aber eine wichtige Rolle. Je höher der Bildungsgrad, desto eher begreifen junge Menschen Versicherungen und Vorsorge als Selfcare in finanzieller Hinsicht. Die Achtsamkeit bei diesen Themen ist ihnen wichtig. Je geringer der Bildungsgrad, desto wichtiger ist Kundinnen und Kunden hingegen der soziale Status. Hier wirkt in der Beratung meist nur die Angstkeule, also die Frage: „Wenn Du nicht mehr arbeiten kannst, worauf wirst Du dann alles verzichten?”

Wie gehst Du vor, wenn sich die jungen Kundinnen und Kunden Altersvorsorge und BU noch nicht leisten können?

Ich sehe mir das Konsumverhalten und den Geldfluss der Menschen an. Oftmals ist der limitierende Faktor in ihrem Konsumverhalten begründet. Das geht klar auf Fehler in der Erziehung zurück, auf Einflüsse im Elternhaus und politisch gesehen: Die Schulbildung. Ein Großteil der jungen Generation lebt im Moment, nimmt 1.500 Euro ein und gibt sie vollständig aus. Im Finanziellen sollten wir aber die Zukunft als Zielpunkt nehmen und unsere Handlungen daraufhin ausrichten. Verkaufsrhetorisch nehme ich meiner Kundschaft dann den halben Lohn weg und lasse sie aufschreiben, worauf sie am ehesten verzichten könnten. Ich erkläre ihnen danach, dass sie einen solchen Vertrag bereits eingegangen sind – nämlich mit der staatlichen Rentenversicherung. Wenn sie so weitermachen, droht ihnen Altersarmut. Viele kommen dann ins Überlegen und fragen nach Empfehlungen. Als Berater musst Du junge Kundinnen und Kunden aber stets Entscheidungen selbst treffen lassen, ansonsten erntest Du nur Abwehrhaltung.

Welche weiteren Fehler sind in der Beratung junger Menschen zu vermeiden?

Viele möchten auf Augenhöhe beraten und beugen sich gewissermaßen nach unten, um junge Kunden zu beraten. Das ist ein Fehler, denn so verlassen Beraterinnen und Berater ihren Expertenstatus. Besser ist es, den Menschen die Hand zu reichen, also viele Ankerfragen zu stellen im Stil von „Hast Du das verstanden, magst Du etwas ergänzen?“, Trittbretter zu schaffen und die jungen Leute wissensmäßig nach oben zum Berater zu holen. Eine auf die Kundensituation abgestimmte bildreiche Sprache ist dabei sehr hilfreich, zum Beispiel Sportmetaphern für einen Fußballfan: Eine gute Defensive ist vorrangiger als der Sturm – genau wie im Leben, zuerst eine gute Absicherung nach hinten mit einer BU und wenn dann noch etwas übrig ist, kaufen wir einen Stürmer, sprich investieren zusätzlich in Zukunftssicherung. Ich erkläre auch immer zuerst die BU und erst dann Sparpläne.

Zur Website von Stephan Heider:  https://www.bankrocker.com

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Oliver Lepold

Oliver Lepold ist Dipl.-Wirtschaftsingenieur und freier Journalist für Themen rund um Finanzberatung und Vermögensverwaltung. Er schreibt regelmäßig für Pfefferminzia und andere Versicherungs- und Kapitalanlage-Medien.

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