Martin Gräfer © Die Bayerische
  • Von Lorenz Klein
  • 25.03.2022 um 14:51
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Martin Gräfer, Vorstand des Versicherers Die Bayerische, zeigt sich entsetzt über den Krieg in der Ukraine. Kürzlich war Gräfer selbst an der polnisch-ukrainischen Grenze unterwegs, um Hilfsmittel zu übergeben und Schutzsuchende nach München zu begleiten. Inwieweit der Krieg auch die Debatte über nachhaltiges Wirtschaften beeinflusst, war ein Thema, das Pfefferminzia mit Gräfer im Rahmen des Themenschwerpunktes „Nachhaltigkeit“ besprach.

„Dieser Krieg ist tatsächlich eine völlige Katastrophe. Ich war am letzten Wochenende an der polnisch-ukrainischen Grenze und habe Hilfsmittel hingebracht und Menschen, Gäste mit nach München genommen, die aus der Ukraine geflohen sind – das ist wirklich etwas, das grauenvoll ist“, berichtet Martin Gräfer, Vorstand des Versicherers Die Bayerische, im Podcast-Gespräch mit Pfefferminzia (hier geht es zur aktuellen Ausgabe von „Die Woche“ mit dem kompletten 15-minütigen Interview zum Nachhören).

Dabei schilderte Martin Gräfer sein humanitäres Engagement für die vom Krieg geplagten Menschen zurückgenommen beiläufig, denn eigentlich ging es im Gespräch mit Pfefferminzia um „Nachhaltigkeit in der Versicherungsbranche“ – doch der Krieg in Europa überlagert und berührt zurzeit eben auch dieses Thema. Darf man zum Beispiel Gas überhaupt noch – auch wenn es nur übergangsweise ist – als nachhaltig bezeichnen, wenn es aus diktatorischen Systemen stammt, so wie es Experten nun zu bedenken geben?

Im Interview nahm Gräfer vor allem zu den Nachhaltigkeitszielen der Versicherer und auch die seines eigenen Hauses Stellung – und verteidigte dabei die Branche gegen kritische Stimmen, wonach es reichlich spät sei, wenn die deutsche Versicherungswirtschaft ihre immensen Kapitalanlagen von mehr als 1.700 Milliarden Euro erst bis spätestens 2050 klimaneutral anlegen wolle. „Die Bayerische ist seit 2018 klimaneutral“, betonte Gräfer, wenngleich das bislang nur mit Hilfe von Ausgleichszertifikaten gelingt, die als „Brückentechnologie“ nötig seien, wie er sagt.

Klimaneutralität ohne derartige Hilfen strebt die Bayerische „in jedem Fall noch in diesem Jahrzehnt“ an und das, „glaube ich, werden wir auch schaffen“, gab sich der Manager optimistisch. So habe sich die Bayerische beispielsweise „schon lange aus der Kapitalanlage mit fossilen Brennstoffen zurückgezogen“.

„Es muss schneller gehen, deutlich schneller gehen, mit der Energieautonomie“

Aufs Tempo drückt der Bayerische-Vorstand auch bei der Transformation Deutschlands – hin zu einer sicheren, flächendeckenden, unabhängigen und natürlich nachhaltigen Energieversorgung: „Es muss schneller gehen, deutlich schneller gehen, mit der Energieautonomie – und das bedarf auch in Deutschland eines echten Rucks“, so der Appell Gräfers. „Ich kann mich noch gut an die Rede von Roman Herzog erinnern – und ich glaube, dass dieser Ruck immer noch nicht angekommen ist. Wir müssen alle aus der Komfortzone raus und dürfen nicht darüber nachdenken, dass ein Windrad ja vielleicht nicht nur nicht hübsch ist, sondern idealerweise dort steht, wo man es selber nicht sieht.“ Vielmehr gehe es jetzt darum, fuhr Gräfer fort, bereit zu sein, „auch über eigene Grenzen zu springen – und das betrifft uns alle“.

Strom näher vom Herstellungsort an den Verbrauch bringen

Und dabei redete der Versicherungsmanager auch den Mitbürgern in seiner bayerischen Wahlheimat ins Gewissen: „Es gibt ja Demonstrationen – gerade in Bayern offensichtlich noch mehr als in anderen Landstrichen Deutschlands –, wenn ein Windrad aufgebaut werden soll: Dann will das keiner im Garten haben – und Garten meint ja eine doch deutliche Entfernung. Man will es idealerweise nicht sehen“, was aber auch daran liege, so Gräfer, weil man den Menschen den Nutzen von diesem Windrad nicht selbst ermögliche. „Ich glaube, auf Strom verzichten ist keine Lösung, aber den Strom anders herzustellen, näher vom Herstellungsort an den Verbrauch zu bringen, das ist echt ein guter Punkt.“ Gräfer verwies dabei auf die Debatte, Photovoltaikanlagen flächendeckend auf neugebaute Wohnhäuser zu setzen. Er persönlich finde diese Diskussion „extrem gut“. Er selbst wohne in einem Haus mit Photovoltaikanlage, was den Bewohnern eine autarke Energieversorgung ermögliche.

Gräfer gegen „schwarze Angstpädagogik und Verzichtsideologie“

Auf die Frage, ob Nachhaltigkeit nicht zwangsläufig Verzicht bedeuten müsse, auch wenn das schmerzvoll sei, entgegnete Gräfer, dass „Verzicht“ ein Begriff sei, den er in diesem Zusammenhang nicht teilen würde. „Statt schwarzer Angstpädagogik und Verzichtsideologie setzen wir auf das Konzept einer blauen Ökologie“, ließ Gräfer bereits im vergangenen Jahr wissen.

Eine „blaue Ökologie“ sei im Wesentlichen davon beseelt, erklärte der Manager nun im Gespräch, „dass wir als Gesellschaft – und damit meine ich nicht die Bayerische allein, sondern insgesamt als Gesellschaft – in der Lage sind, durch Innovation, durch Glauben an den Fortschritt und durch die Fokussierung von Intelligenz, Lösungen zu schaffen, die eben nicht darin münden, ein Tempolimit umzusetzen. Die eben nicht darin münden, einen ,Veggie Day‘ umsetzen zu müssen – entgegen dem, was Menschen vielleicht wollen oder auch nicht wollen. Ich glaube, Technologieorientierung ist wahnsinnig relevant und wichtig“, so das Resümee Gräfers.

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Lorenz Klein

Lorenz Klein gehörte dem Pfefferminzia-Team seit 2016 an, seit 2019 war er stellvertretender Chefredakteur bei Pfefferminzia. Im Oktober 2023 hat Klein das Unternehmen verlassen, um sich neuen Aufgaben in der Versicherungsbranche zu widmen.

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