Peter De Coensel, Chef von Degroof Petercam AM: Erst das Experiment, dann die Theorie © DPAM
  • Von Redaktion
  • 31.05.2022 um 09:30
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Auch im Mai liegt die Inflationsrate weit über 7 Prozent. Die Zentralbank will die Inflation in Richtung 2 Prozent drücken. Nur woher kommt dieses Ziel eigentlich? Und was hat es mit der „Regel von 72“ auf sich? Peter De Coensel, Chef der belgischen Investmentfirma Degroof Petercam Asset Management erklärt das Ganze mal.

Während die Auswirkungen vor allem der Lebensmittel- und Energieinflation für die Verbraucher und das private Budget offensichtlich sind, sind sie für die Unternehmen weit weniger deutlich. Die Unternehmen sind sowohl direkt durch den Produktionsprozess als auch indirekt durch die Nachfrage nach ihren Produkten oder Dienstleistungen betroffen. Energieunternehmen können von einer höheren Inflation profitieren. Technologieunternehmen sind weniger energieintensiv und könnten nur begrenzte Auswirkungen spüren. Industrie- und Konsumgüterunternehmen spüren die Inflation und den Druck auf ihre Nettogewinnspannen.

In dem Moment jedoch, in dem die Auswirkungen des Zweitrundeneffekts die Lohnkostenbasis nachhaltig treffen, werden alle Unternehmen die Auswirkungen auf das Endergebnis spüren. Die Budgetrunden, die für die meisten Unternehmen im dritten und vierten Quartal anstehen, könnten für Aufregung sorgen. Inwieweit betrachtet ein Unternehmen eine Inflationsrate von rund 5 Prozent bis zum Jahresende als einmaligen Umstand? Oder müssen sie diese in ihre Mehrjahresplanung einbeziehen. Und hier kommen wir wieder auf die Attraktivität einer Inflationsannahme von 2 Prozent anstelle von 4 Prozent zurück.

Die neue Bedeutung von „Whatever it takes“

In mehreren IWF-Veröffentlichungen wurde ein Inflationsziel von 4 Prozent gefordert. Dies würde den Zentralbanken mehr Flexibilität bei der Festlegung der Leitzinsen und vor allem mehr Spielraum lassen, bevor sie die Null-Linie erreichen. Dem IWF zufolge würden sich die negativen wirtschaftlichen Folgen in Grenzen halten. Obwohl ein Inflationsziel von 4 Prozent theoretisch für die Regierungen (Verringerung der Verschuldung) und die Zentralbanken nützlich sein könnte, würde es für den Durchschnittshaushalt eine starke Entwertung bedeuten und die Kaufkraft der Gehälter stark beeinträchtigen. Inflation hat für Menschen an der Macht eine andere Bedeutung als für Menschen, die ihren Lebensunterhalt mit einem Arbeitseinkommen bestreiten müssen.

Das Festhalten an einem Inflationsziel von 2 Prozent birgt die Gefahr, in eine Deflation hineinzurutschen. Noch wichtiger ist jedoch, dass ein solches Ziel die Inflation erfolgreich absichert. Eine anhaltende Inflation von 4 Prozent und mehr entwertet das Geld zu schnell und macht es den Unternehmen schwer, Budgets zu kalkulieren, Projekte zu bewerten und das allgemeine Geschäftsmodellrisiko zu kontrollieren. Die Zentralbanken tragen Verantwortung und müssen verhindern, dass sich eine Inflationspsychologie durchsetzt. „Whatever it takes“ könnte im Zusammenhang mit der gegenwärtigen hohen Inflation erneut verwendet werden, allerdings mit einer völlig anderen Bedeutung. Eine Bedeutung, die durch Zinserhöhungen und das Ende von QE gekennzeichnet ist.

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