Ein Azubi bei seiner Arbeit in einem Siemens-Werk: Mit dem Start ins Berufsleben stellt sich auch die Frage nach der betrieblichen Altersvorsorge, und ob diese für einen Sinn ergibt. © Getty Images
  • Von Redaktion
  • 24.06.2015 um 09:30
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Wer in die Arbeitswelt einsteigt, sollte nicht überhastet einen bAV-Vertrag unterschreiben, meint Georg Plötz von der Verbraucherzentrale Bayern. Andreas Wimmer, Leiter der aba Fachvereinigung Direktversicherung sieht das ganz anders. Jetzt heißt es „Ring frei“ für Argumente pro und contra Betriebsrente.

Georg Plötz von der Verbraucherzentrale Bayern ist kein Freund der betrieblichen Altersvorsorge (bAV) via Direktversicherung. Mit klassischem Sparen oder einem Riester-Banksparplan seien Arbeitnehmer flexibler und rentabler, sagt er gegenüber dem Magazin Focus Money.
Wir geben Ihnen einen Überblick über die Argumente, die Plötz in dem Artikel gegen die bAV-Direktversicherung ins Feld führt, und zeigen die Reaktion von Andreas Wimmer, Leiter der aba Fachvereinigung Direktversicherung.

Argument 1: Muss sich der Arbeitgeber beteiligen, dass sich eine bAV lohnt?

Georg Plötz: Eine Direktversicherung lohne sich nur, wenn der Chef monatlich noch mindestens 20 Prozent dazu gibt. Ansonsten sei sie ein Minusgeschäft für den Arbeitnehmer.

Andreas Wimmer: Ob eine Riester-Rente oder eine nach Paragraf 3 Nummer 63 Einkommenssteuergesetz (EStG) geförderte betriebliche Altersversorgung für junge Arbeitnehmer günstiger ist, kann man nicht allgemeingültig beurteilen. Denn die Vorteilhaftigkeit einer Versorgung hängt stark von der persönlichen Lebens- und Einkommenssituation – Stichwort Kinder – ab und wird beeinflusst durch gesetzliche Änderungen.

Berechnungen des unabhängigen Instituts für Vorsorge- und Finanzplanung haben ergeben, dass die Vorteile einer betrieblichen Altersversorgung in der Ansparphase insbesondere bei Studienabgängern regelmäßig die Nachteile der steuerlichen Belastung der bAV-Leistungen sowie die DRV-Rentenkürzung kompensieren können. Zuschüsse durch den Arbeitgeber vergrößern in jedem Fall die Vorteilhaftigkeit der betrieblichen Vorsorge.

Argument 2: Ist eine klassische Rentenversicherung für die bAV ungeeignet?

Georg Plötz: Die meisten bAV-Verträge bestünden lediglich aus einer klassischen Lebensversicherung mit Kapitalgarantie. Für Unternehmen sei das oft die einfachste Variante, ihrer gesetzlichen Pflicht nachzukommen.

Andreas Wimmer: Klassische Tarife haben in der Vergangenheit eine große Rolle gespielt. Um die Renditechancen der Betriebsrente trotz extremer Niedrigzinsen zu wahren, greifen heute immer mehr Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu neuen, chancenorientierten Vorsorgekonzepten. Diese garantieren in der Regel in der bAV bei Vertragsabschluss eine Mindestrente in Euro, mit der ein Kunde sicher planen kann.

Zweitens stehen selbst bei schlechter Kapitalmarktentwicklung mindestens die für die Altersvorsorge eingezahlten Beiträge zum Rentenbeginn garantiert bereit. Und drittens erhält jeder Arbeitnehmer die Rente lebenslang – egal wie alt er oder sie wird.

Argument 3: Hat der Steuervorteil überhaupt Bestand?

Georg Plötz: Der Steuervorteil der Entgeltumwandlung könne schnell weg sein. So bringe beispielsweise eine Direktversicherung mit schlechten Konditionen bei einem Monatsbeitrag von 100 Euro über 20 Jahre gerechnet zirka 4.000 Euro weniger ein als eine gute Police.

Andreas Wimmer: Auf den ersten Blick ist die Betriebsrente zwar ab ihrer Auszahlung mit höheren Abgaben belastet als die Privatrente. Dafür fallen in der Ansparphase auf die monatlichen Beiträge zur bAV keine Steuern und Sozialabgaben an. Dies stellt auch das Institut für Vorsorge- und Finanzplanung fest. Dadurch kann im Vergleich zur privaten Altersvorsorge ein nahezu doppelt so hoher Beitrag gespart werden.

Unterm Strich führt dies zu einer um durchschnittlich 30 Prozent höheren Nettorente im Vergleich zur privaten Vorsorge. Dazu tragen unter anderem der durch Steuer- und Sozialversicherungsersparnis mögliche höhere Sparbeitrag und eine in der Regel deutlich niedrigere Steuerbelastung in der Rentenphase bei. Außerdem führen die über den Arbeitgeber erzielbaren Gruppenkonditionen und eventuelle Arbeitgeberzuschüsse zu höheren Leistungen im Vergleich zu einem Privattarif. Zudem hängt die Gesamtverzinsung freilich wie auch bei der privaten Altersvorsorge von der Finanzstärke und Qualität des einzelnen Anbieters ab.

Argument 4: Nutzt der Steuervorteil nur in der Ansparphase?

Georg Plötz: Der Steuervorteil nütze dem Arbeitnehmer nur in der Ansparphase. Bei Auszahlung schlage das Finanzamt hingegen voll zu. Wer sich einen Einmalbetrag auszahlen lasse, müsse gar die Hälfte davon abgeben.

Andreas Wimmer: Die Einkünfte der Bundesbürger sollen in der Regel nur einmal besteuert werden. Bei privaten Altersvorsorgeverträgen werden die Beiträge aus dem Nettolohn, das heißt bereits versteuertem Einkommen, bezahlt und von der Kapitalleistung nur die Erträge, also Versicherungsleistung abzüglich eingezahlte Beiträge, versteuert. Dies bedeutet, dass die Einkünfte komplett einmal besteuert werden.

Bei einer betrieblichen Vorsorge fallen alle Steuern erst im Leistungsfall an. Das heißt, die zu zahlenden Steuern werden dem Arbeitnehmer bis zum Erhalt der Kapitalleistung gestundet.

Damit werden in beiden Fällen, private wie betriebliche Altersvorsorge, die Einkünfte nur einmal besteuert. In Summe betrachtet, ergeben sich Unterschiede bei der Steuerlast lediglich dadurch, dass die Steuersätze variieren können. Welche Besteuerungsart besser ist, kann erst nach Erhalt aller Zahlungen ermittelt werden.

Argument 5: Schmälert die Entgeltumwandlung den Rentenanspruch?

Georg Plötz: Die Entgeltumwandlung schmälere den späteren Rentenanspruch, weil das Bruttogehalt durch die Abgabe geringer würde. Gleiches könne auch für Kranken- oder Arbeitslosengeld sowie eine Erwerbsminderungsrente gelten.

Andreas Wimmer: Diese Aussage ist richtig, sofern mit der Entgeltumwandlung eine Reduktion des sozialversicherungspflichtigen Entgelts verbunden ist. In diesem Fall verringert sich die Attraktivität der bAV geringfügig. Insgesamt gelten aber die oben getroffenen Aussagen.

Argument 6: Ist die bAV zu unflexibel?

Georg Plötz: Die bAV sei zu unflexibel – gerade für Arbeitnehmer, die noch Kinder bekommen wollen. Der Grund: Der Vertrag könne nicht gekündigt werden, es sei lediglich eine Beitragsfreistellung möglich. So komme der Kunde erst als Rentner an sein Geld.

Andreas Wimmer: Die bAV bietet durchaus eine gewisse Flexibilität. So kann beispielsweise in der Elternzeit der Versicherungsschutz in voller Höhe erhalten bleiben, wenn die Beiträge aus privaten Mitteln weitergezahlt werden. Alternativ besteht die Option, die Beitragszahlung für diesen Zeitraum bei Verringerung der Leistungen einzustellen und den Vertrag danach unter bestimmten Voraussetzungen wieder aufleben zu lassen. Außerdem können die Beiträge in der Elternzeit zinslos gestundet werden.

Die bAV kann zum Beispiel im Falle der Direktversicherung unter bestimmten Bedingungen gekündigt werden – mit gleichzeitiger Abfindung der Zusage. Dies entspricht allerdings nicht dem Gedanken der betrieblichen Altersversorgung, mit der der Staat den Aufbau einer Vorsorge fürs Alter unterstützt. Es ist zu beachten, dass eine Kündigung für den Arbeitnehmer nachteilig und als letzte Möglichkeit in Betracht gezogen werden sollte.

Argument 7: Fressen spätere Zahlungen die Betriebsrente wieder auf?

Georg Plötz: Zu Rentenbeginn müssten gesetzlich Versicherte den vollen Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag zahlen, deshalb komme aus der bAV weniger heraus als die meisten Versicherten denken. Zudem müssten ab 2040 alle Alterseinkünfte zu 100 Prozent versteuert werden.

Andreas Wimmer: In den meisten Fällen ergibt sich dennoch eine im Schnitt rund 30 Prozent höhere Rente. Denn die höheren Abzüge bei der Betriebsrente werden durch die staatliche Förderung in der Einzahlungsphase in der Regel überkompensiert.

Allerdings ist die volle Kranken- und Pflegeversicherungspflicht ein wichtiges Thema, das die weitere Verbreitung der bAV hemmt. Hier wäre eine politische Lösung sinnvoll. Es gibt einen großen übergreifenden Konsens, zwischen Politik, Arbeitgeber, Gewerkschaften und Versicherungswirtschaft, dass die Rahmenbedingungen gerade bei den unteren Einkommensgruppen besser werden sollen. Wie dies erreicht werden kann, wird derzeit diskutiert.

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