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Jörg Arnold, Chef des Finanzdienstleisters Swiss Life in Deutschland © Swiss Life
  • Von Redaktion
  • 05.05.2023 um 16:22
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lesedauer Lesedauer: ca. 04:05 Min

Die kürzlich von der Bundesregierung vorgestellte „Initiative für Finanzielle Bildung“ setzt ein wichtiges Zeichen. Aber das allein reicht nicht, findet Jörg Arnold, Chef von Swiss Life Deutschland. In seinem Gastbeitrag nennt er vier Punkte, wie das Finanzwissen in Deutschland gestärkt werden kann – und wünscht sich, dass auch privatwirtschaftliche Einrichtungen ihr Wissen an den Schulen einbringen dürfen.

Internationalen Studien zufolge fühlen sich gerade Menschen in Deutschland finanziell nicht gebildet genug. Das Resultat daraus lässt sich in zahlreichen Statistiken ablesen: Im Europavergleich rangieren wir sowohl bei der Aktionärs- als auch der Eigentumsquote auf den hinteren Rängen.

In Deutschland ist der Anteil kapitalgedeckter, privater und betrieblicher Renten am Renteneinkommen äußerst niedrig, obwohl die Sparquote im Vergleich mit unseren europäischen Nachbarn überdurchschnittlich hoch wäre. Dass wir damit auch volkswirtschaftlich nicht gut abschneiden, ist offensichtlich. Wir lassen die Potenziale des privaten Sektors sowohl bei Investitionsvorhaben, dem Wohnungsbau und der Entlastung unseres Rentensystems ungenutzt.

Wir müssen also konstatieren: unser Umgang mit Finanzen ist nicht gut. Und dieses Verhalten übertragen wir von einer Generation zur nächsten. Doch das Problem liegt nicht an den Bürgerinnen und Bürgern, denn aus Befragungen wissen wir, dass es 80 Prozent der Menschen wichtig wäre, selbstbestimmt Finanzfragen zu beantworten. Doch vielen fehlt neben der Lust und dem Antrieb vor allem die Kenntnis. Lediglich ein Drittel fühlt sich grundsätzlich über Finanzthemen informiert.

Finanzwissen muss nachhaltig in der Gesellschaft verankert sein

Wir haben also vielmehr ein strukturelles Defizit, das auch Auswirkung auf die gesellschaftliche Teilhabe hierzulande hat. Denn wer in der Lage ist, für sich selbst zu entscheiden und Finanzfragen zu beantworten, kann ökonomische Ziele formulieren, für das Alter vorsorgen und profitiert von Gestaltungsoptionen. Finanzkompetenz ist also eine Frage sozialer Chancengerechtigkeit. Heute ist es mehr dem Zufall oder dem Elternhaus geschuldet, ob man nicht nur über finanzielle Mittel, sondern auch über Finanzwissen verfügt. Für eine echte Chancengerechtigkeit sollten wir mehr in die Eigenverantwortung der Menschen investieren.

Wenn die Bundesregierung künftig 2 Millionen Euro im Rahmen der Initiative Finanzielle Bildung investiert, ist das deshalb ein grundsätzlich gutes Zeichen. Damit sie aber über Symbolpolitik hinaus Wirkung erzielt, braucht es zusätzlich ein anderes Verständnis im Umgang mit Finanzen.

Dazu vier Punkte, wie das Finanzwissen in Deutschland gestärkt werden kann:  

  1. Menschen frühzeitig und langfristig zur Teilhabe befähigen mit schulischen und außerschulischen Angeboten

Unser Schulsystem ist reformbedürftig. Die Lehrpläne wirken nicht immer zeitgemäß und bilden die Anforderungen an eine moderne, digitale und vielfältige Lebenswirklichkeit und Gesellschaft unzureichend ab. Sie bereiten nur bedingt auf ein selbstbestimmtes Leben vor. Es ist notwendig, dass die Schule auch praxisorientiert auf relevante Alltagsfragen vorbereitet. Und dazu zählen Finanzentscheidungen. Neben einem obligatorischen Schulfach für Finanzen und Wirtschaft braucht es deshalb ausgebildetes Personal, welches selbst über genügend Fachwissen verfügt und Freude dabei hat diese Lerninhalte zu vermitteln. Wer schließlich mit einem positiven Mindset Inhalte präsentiert und Zusammenhänge erklärt, ermöglicht den anderen einen leichteren Zugang. Es ist wichtig, dass Deutschland hier nicht an vermeintlichen Hürden des Föderalismus scheitert, sondern gemeinschaftlich handelt. Auch ehrenamtliche, gemeinwohlorientierte oder privatwirtschaftliche Einrichtungen könnten ihr Wissen einbringen.

Eine Offensive für Finanzwissen hat insbesondere dann Wirkung, wenn sie alle Bevölkerungs-, Bildungs- und gesellschaftliche Schichten erreicht und Menschen jeden Alters, Geschlechts und unabhängig von Herkunft und Milieu gleichermaßen anspricht. Finanzbildung darf daher nicht nur eine Aufgabe der Schule sein. Es braucht sowohl digitale als auch analoge Bildungs- und Informationsangebote und Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, die eine zielgruppengerechte und gleichzeitig fundierte Ansprache ermöglichen, sowohl im schulischen als auch außerschulischen Umfeld.

  1. Finanzthemen zu einem besseren Image verhelfen

Finanzthemen haben ein Imageproblem und das hemmt die Bereitschaft, sich gern mit ihnen zu beschäftigen. Unser Finanzsystem wird zurecht als zu kompliziert wahrgenommen und ist negativ konnotiert. Generell wird ein offener Dialog zu Geld- und Finanzthemen gesellschaftlich meist tabuisiert. Finanzielle Fehlentscheidungen erhalten indes deutlich mehr Aufmerksamkeit als Erfolgsbeispiele, der Alarmismus ist groß und allenthalben fehlen passende Vorbilder für finanziell eigenverantwortliches Handeln. Der Aufbau einer positiven Wahrnehmung kann durch eine bewusste und langfristige Kommunikation im öffentlichen Raum unterstützt werden. Und im digitalen Raum braucht es verlässliche Quellen, die Finanzthemen qualitativ hochwertig und gleichzeitig modern, inspirierend vermitteln. Eine stärkere Chancenorientierung, kann Mut machen, eigene Erfahrungen im Finanzkontext zu sammeln. Wer sich mit Finanzen auskennt, soll schließlich nicht als spröde oder raffgierig gelten, sondern als verantwortungsbewusst.

  1. Anreize für eigenes Handeln schaffen

Der Staat wird’s schon richten! Ein Irrglaube, der viele davon abhält, eigenständig vorzusorgen und Finanzwissen aufzubauen. Politische Entscheidungen werden zuweilen aus dogmatischen oder ideologischen Beweggründen getroffen, die sowohl volkswirtschaftliche Realitäten außer Acht lassen als auch den Eindruck erwecken, es bestünde kein persönlicher Handlungsbedarf. Gerade bei der Rente sollten die Menschen animiert werden, eigenständig und frühzeitig vorzusorgen. Es müssten dafür eigentlich längst Reformen angestrengt werden, doch stattdessen wird auf staatliche Zuschüsse oder weitere Staatsschulden gesetzt und die Menschen im vermeintlichen Glauben gelassen, die Renten seien sicher. Privates, eigenverantwortliches Handeln sollte hingegen unterstützt und honoriert werden, sodass Anreize entstehen eigenständig aktiv zu werden.

  1. Raum für Finanzentscheidungen schaffen und Vielfalt an Angeboten bieten

Eine höhere Finanzkompetenz ist schließlich kein Selbstzweck. Wer für sich selbst vorsorgen und bei finanziellen Dingen entscheiden kann, entlastet andere. Es ist daher gesellschaftlich erstrebenswert und bedingt eine Kraftanstrengung aller. Umso wichtiger ist aber auch, den Raum für Finanzentscheidungen weiter zu öffnen, statt einzuschränken. Derzeit übernehmen rund 190.000 ausgebildete Beraterinnen und Berater die Rolle, Menschen auf den Vorsorgebedarf anzusprechen und unterstützen bei der Finanzentscheidung, in dem Fachwissen geteilt und Fragen geklärt werden. Neben Gesprächen mit Freunden und Verwandten stellen mit 38 Prozent Beratungsgespräche die Top-Informationsquelle für junge Menschen dar. Ihnen sollte auch in Zukunft die Möglichkeit geboten werden, dort ihre Finanzkompetenz aufzubauen. Gleichzeitig braucht es hier mit Blick auf Beratungsformen, -angebote und -sprache noch mehr Vielfalt und Optionen, um für alle Menschen gleichermaßen ansprechbar zu bleiben. Mehr statt weniger ist hier die Devise. Gemeinsam mit karitativen Einrichtungen, Verbraucherorganisationen und Schuldnerberatungen kann der Finanzberatungssektor einen relevanten Beitrag zur Stärkung der Finanzkompetenzen leisten.

Die Förderung des Finanzwissens der Menschen stärkt die Chancengerechtigkeit und ist damit eine Investition in die soziale Gerechtigkeit. Zudem macht es uns ökonomisch widerstands- und zukunftsfähig, wenn wir die Eigenverantwortung der Menschen stärken. Hier aktiv zu werden, lohnt sich also mehrfach.

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