Hermann Hübner ist Vorstandsvorsitzender beim Dienstleistungsanbieter für Versicherungsmakler Vema. © Vema Versicherungs-Makler-Genossenschaft
  • Von Hermann Hübner
  • 09.08.2018 um 17:18
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Die geplante DIN-Norm 77230 hinke ihrer Zeit hinterher und diene vor allem dem schönen Schein, findet Versicherungsmakler Hermann Hübner, gleichzeitig Vorstandschef des Dienstleistungsanbieters Vema - Versicherungs-Makler-Genossenschaft ist. Ein skeptischer Kommentar.

Dann hat es eine Norm an sich, dass sie natürlich mit bestimmten Richtwerten arbeiten muss. Eine Bedarfsanalyse zur Altersvorsorge und Arbeitskraftabsicherung ist uns allen bereits bestens bekannt. Eine Vielzahl an Programmen und Tools sind heutzutage ein fester Bestandteil des Beratungsprozesses bei den Kollegen. Was der Kunde letztlich macht, spielt sich zwischen seiner Versorgungslücke und den Möglichkeiten seines Geldbeutels ab. Hier schafft die Norm keine Vorteile.

Generell scheint viel mehr Wert auf Zahlen wie etwa Versicherungssummen gelegt zu werden, als auf Inhalte, die ein Produkt erfüllen müsste, um normkonform zu sein. Nehmen wir hier die Privathaftpflicht als Beispiel. Hier sieht die Norm eine Mindestdeckungssumme von 10 Millionen Euro vor. Zwar werden einige Punkte, die zu Haftungsszenarien führen, gezeigt (zum Beispiel die Anmietung von Wohnungen, das Hüten fremder Tiere…), auf wertvolle Bedingungsinhalte wie den Verzicht der Prüfung der Aufsichtspflichtverletzung bei Schäden, die nichtdeliktfähige Kinder verursachen, oder ähnliche Mehrwerte für den Kunden wird nicht eingegangen.

Wird eine bessere Beratung nur vorgegaukelt?

In der Folge wäre ein Vertrag mit dem besten Bedingungswerk, das der deutsche Versicherungsmarkt hergibt, aber nur 5 Millionen Euro Deckungssumme vorsieht, nicht DIN-konform und dürfte somit nicht angeboten werden. Ein „08/15-Produkt“ mit 10 Millionen Euro hingegen ist überhaupt kein Problem. Wird dem Kunden durch die DIN-Norm dann nicht nur eine bessere Beratung vorgegaukelt? Zumal private Haftpflichtschäden, welche die Millionenmarke übersteigen, doch ausgesprochen selten sind. Tatsächlich konnte ich keinen einzigen Privathaftpflicht-Fall recherchieren, der über den schuldhaft verursachten Brand einer Kirche und eine Schadensumme von 3,5 Millionen Euro hinausging.

Besagte 10 Millionen Euro Deckungssumme werden übrigens auch für die Kfz-Haftpflicht als Mindestmaß angesehen, wo es keinen Anbieter mehr geben dürfte, der standardmäßig weniger als 50 Millionen Euro anbietet. Was ist mit Kunden, die aufgrund ihrer Bonität nur im Rahmen des Kontrahierungszwangs zu den gesetzlichen Mindestdeckungssummen abzusichern sind? Normverstoß?

Weg vom Spezialisten und zurück zum „Allfinanzvertrieb“?

Die Norm spricht wohlwollend vom „ganzheitlichen Ansatz“, der bei der Beratung im Fokus stehen sollte. In der Folge werden nicht nur Versicherungsthemen behandelt, sondern auch eine ganze Reihe von Finanzthemen wie „Aufbau Liquiditätsreserven“ und das „Zinsänderungsrisiko bei Immobilienfinanzierungen“. Was für Vertriebe, Versicherer (sofern sie alle Bereiche bedienen können) und Laien zunächst positiv klingt, stellt unterm Strich einen Rückschritt dar.

Zumindest gefühlt hat die Branche den Schritt vom „Bauchladen“ zum Spezialistentum gerade erst abgeschlossen oder ist in Teilen noch dabei. Und natürlich gibt es durch die berufliche Qualifikation Sparten, in denen jeder dank Fachausbildung eine solide Beratung durchführen kann, und andere, bei denen man sich zunächst einen zusätzlichen Wissensschatz aufbauen muss (etwa im Bereich der Gewerbeversicherungen). Eine Beratung in Bausparen, Immobilienfinanzierung oder Fondsvermittlung wollen viele klassische Versicherungsmakler nicht leisten. Fehlt die entsprechende Zulassung in der Gewerbeordnung, darf er es auch gar nicht – aller Qualifikation und Berufserfahrung zum Trotz. Die Aussage „Man kann in der Finanzbranche nicht alles können und wissen!“ war die vergangenen Jahre aufrichtig und ehrlich.

Werblich ist die Norm sehr gut nutzbar

Viele Vertriebe werden starkes Interesse daran haben, möglichst bald entsprechend der angestrebten DIN-Norm beraten zu können. Werblich ist das einfach sehr gut nutzbar. Aber führt das nicht nur dazu, dass der einzelne Vermittler in Schnellprogrammen mit oberflächlichem Wissen befüllt wird, damit er seine Registrierungen bekommt, um dann als „Tausendsassa“ auf Kunden losgelassen zu werden? Wem nützt das am Ende wirklich und nützt es dem Kunden überhaupt?

Bekommt der Kunde so wirklich den besseren Berater oder ist es nicht doch eher ein vertriebliches Goodie für den Außendienst von Finanzvertrieben und Versicherern, mit einer DIN-konformen Beratung werben zu können? Ich fände es schön, wenn die Zeiten, in denen man Kunden mit hübschen, funkelnden Dingen vom Wesentlichen ablenkt, endlich vorbei wären. Dieser Norm-Entwurf ist leider absolut unnötig, bietet keinerlei Neuerungen oder Verbesserungen und stellt einen riesigen Schritt zurück in alte, schlechtere Zeiten dar.”

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