Immer weniger Kundinnen und Kunden begrüßen die Verbindung von Nachhaltigkeit bei Versicherungsprodukten, so der Befund der Unternehmensberatung Bearing Point. © Bearing Point
  • Von Lorenz Klein
  • 03.08.2023 um 09:09
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Nachhaltigkeit bleibt präsent, scheint aber viele Menschen zunehmend zu stören oder zu ermüden – und darunter leidet auch die Verbindung zwischen Nachhaltigkeit und Versicherungsprodukten. Dieses Fazit zieht die Unternehmensberatung Bearing Point auf Basis einer Umfrage. Die Berater raten der Branche daher zu einem Strategiewechsel.

Nachhaltigkeit scheint die Deutschen zunehmend zu erschöpfen, zum Teil sogar zu verärgern. Für Versicherer wird es daher immer schwieriger, die Kunden über das Thema Nachhaltigkeit in ihren Produkten anzusprechen – ein Strategiewechsel scheint daher geboten. Das empfiehlt die Unternehmensberatung Bearing Point.

Die Berater stützen ihren Rat auf die Ergebnisse der Online-Umfrage „Sustainable Insurance“. Diese ließ Bearing Point zum nunmehr dritten Mal vom Marktforschungsunternehmen Yougov durchführen. Die Befragung erfolgte zwischen dem 30. Juni und 2. Juli, insgesamt 2.086 Personen in Deutschland nahmen daran teil, wie Bearing Point am Donnerstag mitteilte.

Der Umfrage zufolge wolle deutsche Verbraucher immer weniger eine Verbindung ziehen zwischen Nachhaltigkeit und Versicherungsprodukten. Inzwischen sind es 61 Prozent, die den Zusammenhang ablehnen oder keine Angaben machen. Nur noch 10 beziehungsweise 29 Prozent befürworten diese Verbindung uneingeschränkt oder machen sie von einer konkreten Ausgestaltung abhängig (siehe Grafik).

„Versicherungen scheinen im aktuellen Umfeld kaum Chancen zu haben, sich über nachhaltig ausgerichtete Produkte zu differenzieren“, lautet eine Kernerkenntnis der Studienautoren. „Unsere Gesellschaft ist bei Nachhaltigkeit zunehmend polarisiert und bringt zunehmend Skepsis gegenüber Unternehmen generell und bei Versicherungen nochmals verstärkt auf“, erklärt Bearing-Point-Partner Giso Hutschenreiter. „Versicherungsunternehmen müssen sich offenbar eher als Ganzes präsentieren und dabei Fairness und Glaubwürdigkeit in ihre Nachhaltigkeitsstrategie integrieren“, leitet Hutschenreiter seine strategische Empfehlung aus den Ergebnissen ab.

Dass Versicherungsunternehmen eine wichtige Rolle bei der Förderung von Nachhaltigkeit spielen sollen, bejahen laut der Autoren nochmals deutlich weniger Verbraucher als in den Vorjahren: Stimmten 53 Prozent der Deutschen noch im Vorjahr zu, dass Versicherer mit ihren Produkten nachhaltiges Verhalten fördern sollten, sind es im Jahr 2023 nur noch 39 Prozent. Bei der Befragung im Jahr 2021 waren es sogar noch 71 Prozent, die das bejahten.

Leistungseinbußen oder höhere Prämien zum Wohle der Nachhaltigkeit stoßen auf weniger Akzeptanz

Und auch mit Blick auf die konkrete Ausgestaltung bei Produkten, haben sich auch hier die Zustimmungswerte erneut verschlechtert. In der Gesamtbevölkerung wären in Deutschland nur noch 26 gegenüber 32 Prozent im Jahr 2022 bereit, für mehr Nachhaltigkeit auf Versicherungsleistungen zu verzichten. Dabei ist die Akzeptanz bei den 18 bis 24-Jährigen fast doppelt so hoch wie bei den über 55-Jährigen.

Gefragt nach der Bereitschaft zur Zahlung einer höheren Prämie für einen nachhaltigen Zweck, wären nur 22 Prozent (27 Prozent im Vorjahr) der Deutschen dazu bereit. Rund zwei Drittel lehnen inzwischen eine erhöhte Prämie ab, um damit eine nachhaltige Produktausrichtung abzubilden. „In Deutschland war der Wert im Vorjahr schon mit 60 Prozent auf einem hohen Niveau“, merken die Autoren an.

Konkret bei denen nachgefragt, die zu einem eigenen Beitrag bereit wären, können sich jeweils ein gutes Drittel einen Verzicht bei Ersatzleistungen – wie zum Beispiel Austauschteile beim Auto –, Einschränkungen bei Dienstleistungen oder – in diesem Jahr erstmalig abgefragt – die Sicherstellung von Sozialstandards vorstellen. Letzteres sei ein Hinweis auf Faktoren, die bislang neben dem „E-Environment“ in ESG von vielen Unternehmen noch zu wenig adressiert werden, so die Autoren.

So oder so. Giso Hutschenreiters Fazit fällt ernüchternd aus:

Unsere Umfrage legt nahe, dass Kunden kein Vertrauen in die Nachhaltigkeitsbemühungen von Versicherungen haben. Die Rechtfertigung einer höheren Prämie oder eines Leistungsverzichts fällt umso schwerer.“

Für Versicherungsunternehmen sei das kein einfaches Umfeld, räumt der Experte ein. Nachhaltigkeit ohne eine ernsthafte Grundlage laufe Gefahr, als Greenwashing demaskiert zu werden. „Seitens des Kunden erwartete Anreize müssen andererseits auch mit grundlegenden Prinzipien des Versicherungsgedankens vereinbar sein“, stellt Hutschenreiter klar. Die Branche stünde deshalb vor einer großen Herausforderung. „Nicht nur regulatorische Vorgaben zwingen zu Veränderung, sondern Versicherungen wissen, dass sie ihre Anlagepolitik und die Risikoselektion verändern müssen. Die Kunden scheinen diesen Weg mit seinen daraus erwachsenden Konsequenzen nicht mitgehen zu wollen und das betrifft nicht nur Versicherungen.“

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Quelle: Studie “Sustainable Insurance 2023” / Bearing Point
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Lorenz Klein

Lorenz Klein gehörte dem Pfefferminzia-Team seit 2016 an, seit 2019 war er stellvertretender Chefredakteur bei Pfefferminzia. Im Oktober 2023 hat Klein das Unternehmen verlassen, um sich neuen Aufgaben in der Versicherungsbranche zu widmen.

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