Moritz Schüßler, Head of Intermediated Retail bei Vanguard und Michael Heidinger, Head of Wholesale Business Development bei abrdn © vanguard/ abrdn
  • Von Oliver Lepold
  • 06.10.2022 um 09:13
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Wie stellen Beraterinnen und Berater sicher, dass ihre Kunden langfristig erfolgreich für die Altersvorsorge investieren? Michael Heidinger, Head of Wholesale Business Development bei abrdn, und Moritz Schüßler, Head of Intermediated Retail bei Vanguard, erläutern erprobte Praxisratschläge.

Welche Tipps und Tricks haben Sie im Rahmen Ihrer mit Standard Life veranstalteten gemeinsamen Webinarreihe „Crashkurs Investments“ den teilnehmenden Beratern vermittelt, um typische Fehler bei der Anlage zu vermeiden?

Moritz Schüßler: Einer der wichtigsten Punkte ist eine konsequente Investmentphilosophie. Wir haben die Grundprinzipien erfolgreicher Vermögensanlage vorgestellt – Ziele, Diversifikation, Kosten und Disziplin. Für Berater sind besonders der  erste und letzte Punkt sehr wichtig. Darauf kann man dann auch immer wieder referenzieren, wenn es an den Märkten wacklig wird. Wichtig ist auch, dass man die Kunden langfristig am Ball hält. Man sollte das Thema positiv angehen: Wir unterstützen zum Beispiel mit Bullen- und Bärenmarkt-Übersichten über 120 Jahre. Es gab in diesem Zeitraum 100 Bullen- und nur 20 Bärenjahre – so eine Information lässt sich sinnvoll in den Beratungsprozess integrieren.

Welche Fragen wurden Ihnen als Referenten gestellt?

Michael Heidinger: Die Fragen waren sehr gemischt, denn der Wissenstand war sehr unterschiedlich. Wir hatten vorausschauend auf niedrigem Level begonnen, etwa mit „Was ist eine Aktie?“. Mit Vanguard für die Large Caps und abrdn für Small Caps konnten wir eine große Bandbreite abdecken und umfassend Basiswissen vermitteln. Die Teilnehmer haben das Webinar genutzt, um ihre Aktienkenntnisse aufzufrischen und zu ergänzen. Wir erhielten aber auch weiterführende Fragen, etwa wie Hybridanleihen funktionieren.

Stichwort Disziplin – aus welchen Gründen neigen Kunden dazu, Ihre Investmentplanung nicht durchzuhalten? Und wie können Berater dem vorbeugen?

Schüßler: Man sollte die Kundinnen und Kunden einmal im Jahr treffen und feststellen, was sich Grundlegendes in deren Leben verändert hat. Nur bei neuen Rahmenbedingungen sollten dann die finanziellen Ziele angepasst werden. Wenn man über eine klare und global breit gestreute Investmentphilosophie verfügt, muss man bei den Faktoren Diversifikation und Kosten relativ wenig anpassen, sondern eher an den Zielen. Womöglich hat sich auch etwas an der Risikoneigung geändert? Berater können dann ganz gezielt über eine Integration von Verhaltenscoaching in ihren Beratungsprozess dafür sorgen, dass die Ziele fest im Blick bleiben und die Disziplin erhalten bleibt. Genau dann können Beraterinnen und Berater ihren Mehrwert sehr gut unterstreichen. Vanguard hat 2001 erstmals die Studienserie „Advisor‘s Alpha“ herausgebracht. Anhand verschiedener Wertkomponenten können wir den Wert eines Beraters auf 3 Prozent Nettorendite bemessen! Der größte Teil davon ist Verhaltenscoaching, das allein beziffern wir auf 1,5 Prozent Mehrwert.

Wie können Maklerinnen und Makler durch Coaching, das auf die Verhaltensweisen der Anleger abzielt, den Wert ihrer Kundenbeziehungen deutlich steigern?

Schüßler: Bereits in den ersten Beratungsgesprächen bei Neukunden sollte man über Schwankungsanfälligkeiten und Vorteile einer langfristigen Vermögensanlage sprechen. Wir beobachten, dass verunsicherte Menschen zu Handlungsdrang neigen. Hier bieten sich für Bestandskunden etwa ein Rebalancing oder eventuell eine Nachinvestition an. Vermeintlich unsichere Phasen bieten auch eine Gelegenheit, um auszuwerten und im Nachgang Mehrwert aufzuzeigen. Mit vergangenen Beispielen zu solchen Phasen kann man über Verhaltenscoaching die Kundenbindung stärken und dafür sorgen, dass Kundinnen und Kunden möglichst am Ball bleiben.

Heidinger: Einige Berater sind mit konkreten Beispielen auf mich zugekommen. Sie hatten Kunden, die die Märkte vor dem Corona-Crash sehr hoch bewertet fanden. Die Berater sollten sich dann bei einem Crash melden, erst dann sollte eine noch nicht investierte Rücklage eingesetzt werden, dann zu deutlich niedrigeren Bewertungen. Das waren verhaltensorientierte Kundengespräche! Die Kunden dieser Berater haben die Chancen der Marktschwankungen optimal genutzt. Ich war über das Zusammenspiel, das Vertrauen, sowie die Makler als Marktbeobachter stark beeindruckt.

Ein weiterer Inhalt des Webinars war die Präsentation cleverer Beratungsansätze, die Makler in die Lage versetzen sollen, überzeugend auf Kunden zuzugehen. Was sind Beispiele dafür?

Heidinger: Es besteht sicher eine Scheu, manche Themen anzusprechen, wir sehen auch eine gewisse Verängstigung im Beratungsprozess. Zum Beispiel scheuen Beraterinnen und Berater vor einer Anlage zurück, die aufgrund des Beratungshorizonts zwar passen würde, aber ihnen erscheint gefühlt die Aktienquote als zu hoch. Solche Angst lässt sich reduzieren, wenn man die Aktie als Motor für ein Investment mit bestem Wissen und Kompetenz begreift und mit dem Kunden eine bewusste Entscheidung fällt.

Schüßler: Man muss sicher und eingespielt auftreten, gerade im Beratungsprozess. Das sollte einstudiert sein und immer wieder hinterfragt und verbessert werden. Ein Fokus auf Zielkunden ist zudem zu empfehlen. Mit extrem viel Wissen über eine gewisse Zielgruppe –zum Beispiel Zahnärztinnen und Zahnärzte – können Berater ganz gezielt Mehrwert anbieten. Dieser muss im Beratungsprozess klar herausgestellt werden.

Lesen Sie hier auch Teil 1 des Interviews mit Michael Heidinger und Moritz Schüßler zu den typischen Fehlern bei der investmentbasierten Altersvorsorge.

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Oliver Lepold

Oliver Lepold ist Dipl.-Wirtschaftsingenieur und freier Journalist für Themen rund um Finanzberatung und Vermögensverwaltung. Er schreibt regelmäßig für Pfefferminzia und andere Versicherungs- und Kapitalanlage-Medien.

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