Martin Gräfer, Vorstand der Bayerischen © Die Bayerische
  • Von Lorenz Klein
  • 19.03.2021 um 15:42
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Der Frontalangriff von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) auf die Versicherungsbranche sorgt weiter für Wirbel. Im Interview mit Pfefferminzia bezeichnet Martin Gräfer, Vorstand des Versicherers Die Bayerische, die Äußerungen als „inakzeptabel“ – zumal echte Profiteure eines möglichen Provisionsdeckels nicht auszumachen seien, so Gräfer.

Pfefferminzia: Der Auftritt von Bundesfinanzministerium Olaf Scholz (SPD) bei „Anne Will“ hat viele Versicherungsvermittler in Aufruhr versetzt, weil Scholz dort unter anderem erklärte, dass ein „Provisionsdeckel für Versicherungen“ erforderlich sei, damit „da nicht so viel gezahlt wird“. Auch Sie haben sich in den sozialen Medien – etwa auf der Facebook-Seite von Pfefferminzia – ihren Unmut über die Äußerungen des SPD-Kanzlerkandidaten gezeigt. Was würden Sie Herrn Scholz gerne entgegnen?

Martin Gräfer: Ich bin ehrlich gesagt empört über die Äußerungen von Herrn Scholz. Der AfW – Bundesverband Finanzdienstleistung hat ihn dafür zu Recht scharf kritisiert. Die ersten gesetzlichen Vorlagen aus dem Bundesfinanzministeriums (BMF) zu einem umfassenden Provisionsdeckel haben fachlich eklatante Fehleinschätzungen offenbart und waren nach gutachterlichen Urteilen etablierter Verfassungsrechtler eindeutig nicht verfassungskonform. So haben die beiden renommierten Rechtsexperten Hans-Jürgen Papier und Hans-Peter Schwintowski in ihren Rechtsgutachten 2019 festgestellt, dass ein Provisionsdeckel in der Lebensversicherung für die Abschlussvergütung verfassungswidrig ist und einen enormen Eingriff in die Gewerbefreiheit bedeutet.

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Pfefferminzia: Was wiegt für Sie persönlich schwerer – dass Olaf Scholz Versicherungsvermittlern vorwirft durch „überhöhte Provisionen“, wie es das BMF ausdrückt, „möglichen Fehlanreizen“ in der Finanzberatung zu unterliegen oder dass Scholz Politiker, die sich gegen den Deckel ausgesprochen haben, in die Nähe der Käuflichkeit – Stichwort Masken-Affäre – rückt?   

Martin Gräfer: Beides finde ich inakzeptabel. Der Bundesfinanzminister setzt Korruption von Politikern bei der Beschaffung von Masken mit dem Engagement von Versicherungsgesellschaften gegen den geplanten Provisionsdeckel gleich. Das ist nach unserer Auffassung als absurd zu bezeichnen. Wenn sich einzelne Politiker von Maskenherstellern bezahlen lassen beziehungsweise, wenn sie direkt oder indirekt an einem solchen Unternehmen beteiligt sind, ist das nach allen bisher geltenden Maßstäben verwerflich. Dies mit der Aufklärung und Beratung in den Bereichen Altersvorsorge, Berufs-, Erwerbsunfähigkeit, Verlust der Arbeitskraft oder im Pflegefall zu vergleichen, ist nicht in Ordnung. Gerade die private Vorsorge verhindert Altersarmut und sichert die Selbstbestimmung bei persönlichen Schicksalsschlägen.

Pfefferminzia: Die SPD habe offensichtlich „ein grundsätzliches Problem mit bestimmten Berufsgruppen aus Versicherungen, Banken oder Handwerk und versuche nun, über das Fehlverhalten Einzelner ihre ideologische Agenda auf den letzten Metern in der Legislaturperiode durchzudrücken“, teilte der CDU-Finanzpolitiker Carsten Brodesser nach dem Scholz-Auftritt gegenüber Pfefferminzia mit. Wird die Versicherungsbranche die Deckel-Thematik also auch noch die nächsten Monate oder gar Jahre erdulden müssen?

Martin Gräfer: Das Bundesministerium der Finanzen hält weiter an dem Provisionsdeckel in der Lebensversicherung fest und nimmt es leider mit der Transparenz, die man gegenüber der Branche fordert, anscheinend selbst nicht so genau. Prozentwerte, die die Versicherer als Durchschnitt für ihre Provisionszahlungen an die Finanzaufsicht Bafin melden mussten, wurden durch hohe Werte der Restschuldversicherung verfälscht. Beim Thema Restschuldversicherungen hat es der Gesetzgeber schon seit Jahren versäumt, Grenzen zu setzen.

Echte Profiteure eines möglichen Provisionsdeckels sind nicht auszumachen. Die Kunden, die davon vorgeblich geschützt werden sollen, müssen sich auf eine sinkende Beratungsqualität einstellen. Ein Deckel hätte im Übrigen kaum Auswirkungen auf die Rendite für Kunden. Nicht zuletzt werden durch den Provisionsdeckel das Vermittlersterben und die Entwicklung hin zu einer Roboter-Beratung beschleunigt. Das ist keine erstrebenswerte Entwicklung. Denn die persönliche Beratung ist und bleibt unverzichtbar.

Ziel des Gesetzgebers beim Provisionsdeckel ist es ja, mögliche Fehlanreize in den Anreizsystemen der Produktgeber zu verhindern. Es gibt hier jedoch keine Erkenntnisse oder Indizien über einen branchenweiten Missstand. Die Bafin verfügt mit der Missstands-Aufsicht bereits heute über Eingriffsmöglichkeiten. Diese können gegebenenfalls durch die Aufsicht der IHKen über die ungebundenen Vermittler und nach Paragraf 34d Absatz 1 GewO und über die vermittlereigenen Anreizsysteme flankiert werden.

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Lorenz

Lorenz Klein

Lorenz Klein gehörte dem Pfefferminzia-Team seit 2016 an, seit 2019 war er stellvertretender Chefredakteur bei Pfefferminzia. Im Oktober 2023 hat Klein das Unternehmen verlassen, um sich neuen Aufgaben in der Versicherungsbranche zu widmen.

kommentare
Wilfried Strassnig
Vor 3 Jahren

Mittlerweile ist sonnenklar das Beamte die einzigen sind die in Wahrheit keineswegs günstiger, sondern sogar unbezahlbar sind. In erfolgreichen Staaten wie in A, CH und den Niederlanden, wegen Unfinanzierbarkeit längst abgeschafft. Mir ist nicht bekannt, dass im Gegensatz zur Meinung von Beamtenvertretern in D, dort das Staatsgefüge kollabierte. Ergebnis, unter anderem ungefähr doppele Ruhestandsversorgung für die Mehrheit der Bürger und keine 3 Billionen Euro, die in D bei den Rückstellungen für deren Pensionen fehlen. Unglaublich, was sich nicht Strunz, sondern unsere Regierung erlaubt.
Mit meiner Jahrhundertgeschäftsidee für 9% bis 13% Rendite, ist Altersversorgung für fast alle Bürger finanzierbar und folgend das Sozialsystem des Staates auf solidere Beine gestellt.

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Wilfried Strassnig
Vor 3 Jahren

Mittlerweile ist sonnenklar das Beamte die einzigen sind die in Wahrheit keineswegs günstiger, sondern sogar unbezahlbar sind. In erfolgreichen Staaten wie in A, CH und den Niederlanden, wegen Unfinanzierbarkeit längst abgeschafft. Mir ist nicht bekannt, dass im Gegensatz zur Meinung von Beamtenvertretern in D, dort das Staatsgefüge kollabierte. Ergebnis, unter anderem ungefähr doppele Ruhestandsversorgung für die Mehrheit der Bürger und keine 3 Billionen Euro, die in D bei den Rückstellungen für deren Pensionen fehlen. Unglaublich, was sich nicht Strunz, sondern unsere Regierung erlaubt.
Mit meiner Jahrhundertgeschäftsidee für 9% bis 13% Rendite, ist Altersversorgung für fast alle Bürger finanzierbar und folgend das Sozialsystem des Staates auf solidere Beine gestellt.

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