Henning Hackbarth ist Leiter Komposit Gewerbekunden bei der Gothaer. © Gothaer
  • Von Lorenz Klein
  • 24.10.2023 um 06:32
artikel drucken artikel drucken
lesedauer Lesedauer: ca. 02:30 Min

Neben technischen Pannen gehört menschliches Fehlverhalten zu den häufigsten Unfall- und somit Schadenursachen. Das kann man nie ganz ausschließen, aber versichern. Pfefferminzia sprach darüber mit Henning Hackbarth, Leiter Komposit Gewerbekunden bei der Gothaer.

Pfefferminzia: Wie geht die Gothaer vor, wenn sich im Rahmen der Gewerbeversicherung ein Schadenfall ereignet, der sich auf menschliches Fehlverhalten zurückführen lässt?

Henning Hackbarth: Im Schadenfall zu einer gewerblichen Versicherung lautet zunächst die Frage: Ist der Schaden nur leichtfertig beziehungsweise fahrlässig verursacht worden oder schon grob fahrlässig oder sogar vorsätzlich? Dazu prüfen wir den Schadenhergang und die Schadenursache basierend auf der Schadenmeldung. Dabei stellen wir auch den Verschuldensgrad fest. Hier gilt insbesondere in der gewerblichen Sachversicherung grundsätzlich: Ein grob fahrlässiges Verhalten kann eine Einschränkung des Versicherungsschutzes zur Folge haben.

Grob fahrlässig handeln Verantwortliche, wenn sie den gesunden Menschenverstand außer Acht lassen und jegliche Weitsicht vergessen. Kurzum: Es muss somit ein ausgeprägtes Fehlverhalten vorliegen, um grobe Fahrlässigkeit zu belegen. Vielleicht an dieser Stelle noch ein wichtiger Hinweis: In der Haftpflichtversicherung ist der Versicherungsschutz für Schadenersatzansprüche auch bei grober Fahrlässigkeit der zum Schaden führenden Handlung nicht eingeschränkt, ausgeschlossen für die schadenverursachende Person ist hier nur eine vorsätzliche schädigende Handlung.

Wann liegt Vorsatz aus versicherungstechnischer Sicht vor?

Hackbarth: Vorsatz ist von Fahrlässigkeit eindeutig abzugrenzen. Vorsätzliches Handeln liegt vor, wenn Versicherungsnehmer mit Absicht einen Schaden verursachen oder es zustimmend und willentlich in Kauf nehmen, dass ein Schaden entsteht. Vorsätzlich herbei geführte Schäden werden grundsätzlich nicht von Versicherungen ersetzt. Sie spielen in der Praxis bei Unternehmen aber keine Rolle, schon gar nicht bei kleinen und mittelständischen Unternehmen.

Dazu muss man wissen, dass der Tatbestand des Vorsatzes – oder auch der groben Fahrlässigkeit – in der Versicherung von Gewerbekunden nur dann erfüllt ist, wenn ein Repräsentant, also zum Beispiel der Firmeninhaber oder ein Geschäftsführer, entsprechend gehandelt hat.

Haben Sie hier ein Beispiel?

Hackbarth: Sehr gerne schildere ich Ihnen ein Beispiel aus unserer Schadenpraxis. In einem Betrieb ist die betriebliche Abwasserbehandlungsanlage prall gefüllt. Der Einfachheit halber öffnet ein Mitarbeiter ein Ventil und lässt 5.000 Liter unbehandeltes Abwasser in einen Bach laufen. Den Umweltschaden nimmt er billigend in Kauf, das heißt, es liegt ein Fall von bedingtem Vorsatz durch einen Mitarbeiter vor. Der Versicherungsschutz für den Versicherungsnehmer, also den versicherten Gewerbebetrieb wird aber trotzdem nicht beeinträchtigt, weil der Schaden ja nicht von einem Repräsentanten verursacht wurde, sondern von einem Mitarbeiter.

Kann sich die Schadenregulierung verzögern, wenn Sie den Schadenhergang zunächst einmal auf mögliches Fehlverhalten abklopfen?

Hackbarth: Das können wir in den allermeisten Fällen verneinen. Denn bereits aus der Schilderung des Schadenhergangs und der handelnden Personen lässt sich unmittelbar erkennen, ob es Anhaltspunkte für vorsätzliche oder grob fahrlässige Schadenverursachung ergibt. Das ist meistens nicht der Fall. Bei Schadenursachen wie beispielsweise Sturm oder andere Naturereignisse stellt sich die Frage ohnehin nicht. Zeitaufwändig ist eher die Feststellung der Schadenhöhe oder – in der Haftpflichtversicherung – die Klärung der Frage, ob unser Versicherungsnehmer für den Anspruch überhaupt haftbar gemacht werden kann.

Unterm Strich lässt sich sagen: Versicherungen ersetzen grundsätzlich auch Schäden, die ursächlich durch menschliches Fehlverhalten entstehen. Ein grob fahrlässiges oder vorsätzliches Verhalten eines Repräsentanten kann jedoch den Versicherungsschutz beeinträchtigen.

Was bedeutet „beeinträchtigen“ konkret? Kommt es dann lediglich zu Teilauszahlungen?

Hackbarth: Je nach Verschuldensgrad bei der Herbeiführung des Versicherungsschutzes ist der Versicherer nach den Versicherungsbedingungen berechtigt, Leistungskürzungen vorzunehmen. Die Kürzung wird prozentual nach der Schwere des Verschuldens vorgenommen – von überhaupt keiner Leistungskürzung bei einfacher Fahrlässigkeit, einer anteiligen Leistungskürzung bei grober Fahrlässigkeit und vollständige Leistungsfreiheit des Versicherers bei vorsätzlichen schädigenden Handlungen. Somit wird der Schaden bei grob fahrlässiger Herbeiführung nur anteilig vom Versicherer erstattet.

Für einige Konstellationen gibt es kundenorientierte Regelungen. So kann die Leistungskürzung bei grober Fahrlässigkeit nach den Versicherungsbedingungen für gewisse Konstellationen begrenzt sein, zum Beispiel keine Leistungskürzung bei Schadenhöhen bis 50.000 Euro oder es ist ein maximaler Anteil der Leistungskürzung bis zu einer gewissen Schadenhöhe in der gewerblichen Gebäudeversicherung festgelegt.

autorAutor
Lorenz

Lorenz Klein

Lorenz Klein gehörte dem Pfefferminzia-Team seit 2016 an, seit 2019 war er stellvertretender Chefredakteur bei Pfefferminzia. Im Oktober 2023 hat Klein das Unternehmen verlassen, um sich neuen Aufgaben in der Versicherungsbranche zu widmen.

kommentare

Hinterlasse eine Antwort

kommentare

Hinterlasse eine Antwort

Pfefferminzia Logo rgb
Suche
Close this search box.
Zuletzt hinzugefügt
Wie die Zukunft der bAV aussieht
Handelsblatt Jahrestagung bAV 2024

Wie die Zukunft der bAV aussieht

Vermittler müssen und wollen sich weiterbilden
AfW-Vermittlerbarometer: Nachhaltigkeit

Vermittler müssen und wollen sich weiterbilden

Zuletzt hinzugefügt
„Honorarberatung ist hochflexibel“
„Lass mal reden“ mit Honorarkonzept

„Honorarberatung ist hochflexibel“

„In fünf Jahren sterben Online-Abschlussstrecken aus“
„Lass mal reden“ mit Ralf Pispers, Personal Business Machine (PBM)

„In fünf Jahren sterben Online-Abschlussstrecken aus“

Skip to content