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  • Von Redaktion
  • 10.03.2014 um 11:10
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KVProfi Thorulf Müller nimmt sich in seinem Kommentar heute die missliche Lage der Hebammen vor. Durch steigende Haftpflichtversicherungsbeiträge ist der Berufsstand gefährdet. Welche Lösungsvorschläge er hat, lesen Sie hier.

Seit Tagen, Wochen und eigentlich auch schon seit Monaten taucht das Thema regelmäßig und nun auch häufiger in den Medien auf. Die Versicherungsbeiträge der Haftpflichtversicherung der Hebammen steigen und gefährden durch ihre Höhe den Berufsstand. Beziehungsweise aktuell: Ab Juli 2015 gibt es sogar voraussichtlich gar keinen Versicherer mehr, da die Nürnberger Versicherung endgültig aussteigt.

Man kann auf die Versicherer schimpfen oder die Vergütung der Hebammen infrage stellen, aber letztendlich ist es ein komplettes Versagen der Legislative und der Exekutive unseres Landes. Denn in den vergangenen Jahren wurden Gesetze, Verordnungen und Vorschriften zum Nachteil des Berufsstandes der Hebammen verändert.

Vergütung

Grundsätzlich ist es richtig, dass man über die Höhe der Vergütung einer freiberuflichen Hebamme diskutieren kann. Es ist auch richtig, dass die Vergütung eine Betriebseinnahme ist, von der die laufenden Kosten zu tragen sind. Es muss aber auch unterm Strich so viel übrig bleiben, dass man von der freiberuflichen Tätigkeit auch leben kann. Und das inklusive eigener Vorsorgebeiträge für Kranken-, Pflegeversicherung und Altersversorgung.

Ich glaube aber nicht, dass die Vergütung das grundsätzliche Problem ist, wobei nicht nur nach meiner Ansicht dieser wichtige Beruf bereits in der Vergangenheit unzureichend dotiert war. Insbesondere die laufende Anpassung der Vergütung an die allgemeine Entwicklung von Einkommen und Kosten ist seit Jahren überwiegend ausgefallen, ausgesetzt oder verschoben worden.

Eine freiberufliche Hebamme kommt auf einen Gewinn vor Steuern nach Angaben der Verbände in der Größenordnung von 15.000 bis 20.000 Euro pro Jahr.  Ich bin mir ziemlich sicher, dass die meisten Frauen, es gibt aktuell nur drei Entbindungspfleger, die diesen Beruf ausüben, es nicht aus monetären Erwägungen tun. Der Beruf der Hebamme ist eher Berufung, als Beruf.

Berücksichtigen Sie bei der Bewertung des Jahreseinkommens, dass neben den Steuern noch Kranken-, Pflegeversicherung, Arbeitskraftsicherung und Altersvorsorge von dem Gewinn zu zahlen sind. Die Haftpflicht ist bereits vor dem Gewinn bezahlt, eine weitere Erhöhung der Beiträge reduziert den Gewinn aber eben entsprechend.

Aufgaben

Die Geburtsvorbereitung, die Wochenbettbetreuung und die Geburtshilfe an sich, sind die drei wesentlichen Tätigkeitsfelder.

Zur Geburtsvorbereitung gehören alle Tätigkeiten, die auch ein Arzt ausführt, außer Ultraschallaufnahmen. Feststellung der Schwangerschaft, das Ausstellen des Mutterpasses, die Untersuchungen mit dem CTG oder dem Pinard-Rohr, Abstriche und Beratung. Es werden vielseitige Beratungen und Hilfestellungen bei Schwangerschaftsbeschwerden, wie zum Beispiel Rückenschmerzen, Schlaflosigkeit, Aufarbeitung traumatischer Geburtserlebnisse sowie allgemeine Ängste und Befürchtungen der Schwangeren im Zusammenhang mit der Geburt angeboten. Darüber hinaus Geburtsvorbereitungskurse in denen praktische Übungen zu Entspannungs- und Atemtechniken geübt werden.

Dabei ist ein wesentlicher Vorteil, dass Hebammen mehr Zeit für Gespräche haben und oft im häuslichen Umfeld mit den werdenden Müttern sprechen.

Zur Wochenbettbetreuung gehören die Begleitung, Pflege und Überwachung im gesamten Wochenbett von Mutter und Kind, die Beratung und Hilfe zur angemessenen Pflege und Ernährung des Neugeborenen, Hilfe beim Stillen und Stillberatung, Behandlung von Stillproblemen. Aber auch die Überwachung der Rückbildungsvorgänge sowie der Wundheilung von geburtsbedingten Dammverletzungen. Rückbildungsgymnastik und die Beratung bei sozialen Problemen sowie der Vorbeugung und Erkennung von psychischen Erkrankungen im Zusammenhang mit dem Geburtsvorgang runden die Betreuung ab.

Der entscheidende Bereich ist aber die Geburtshilfe an sich. Eine Hebamme leitet die Geburt ab Wehenbeginn völlig selbständig ohne Arzt. Gemäß Paragraf 4 HebG besteht die Pflicht, eine Hebamme hinzuziehen. Das bedeutet, ein Arzt darf nur im Notfall eine Geburt ohne Hebamme durchführen. In einem Krankenhaus mit Entbindungsklinik jedoch muss ein Arzt bei der Geburt anwesend sein, um den Anforderungen der Leitlinien gerecht zu werden.

Diese drei Bereiche werden von Hebammen in der Regel angeboten. Gerade aus dem Bereich Geburtshilfe ziehen sich die freiberuflichen Hebammen zurück. Dieser Bereich ist es, in dem die Schadenhöhe und -häufigkeit massiv ansteigt.

Eine besondere Hebamme ist die Familienhebamme. Diese werden seit 2006 in Fortbildungslehrgängen auf ihre zusätzlichen Aufgaben vorbereitet und sind bei Gesundheitsämtern und den Trägern freier Wohlfahrtspflege angestellt oder arbeiten freiberuflich auf Honorarbasis für das Jugendamt. 2012 gab es in Deutschland rund 1.500 Familienhebammen. Das Aufgabengebiet der Familienhebammen ist die Betreuung von Familien mit medizinischen und/oder sozialen Risikofaktoren. Sie betreuen Familien in besonderen Lebenslagen um einer potentiellen Kindeswohlgefährdung vorzubeugen.

Formen des Berufs

Freiberufliche Tätigkeit:

  • klassische Hebamme
  • Beleghebamme
  • Praxisgemeinschaft mit Frauenärzten
  • Familienhebamme

Geburtshaus:

  • werden von Hebammen betrieben

Angestellte Hebamme:

  • in Krankenhäusern
  • in Praxen
  • in Geburtshäusern

Aktuell sollen 21.000 Hebammen in Deutschland tätig sein, davon 3.500 freiberuflich.

Versicherungsbeitrag

Das, was das Problem ist, sind die explodierenden Prämien für die Versicherung und die mangelnde Bereitschaft von Versicherern, das Risiko in Zukunft zu decken. Damit man sich ein Bild machen kann, nachfolgend die Beitragsentwicklung der Haftpflichtversicherung pro Jahr für die freiberufliche Hebamme mit Geburtshilfe.

  • 1981: 30,68 Euro
  • 1992: 178,95 Euro
  • 2003: 1.352,56 Euro
  • 2009: 2.370,48 Euro
  • 2010: 3.689 Euro oder 4.611,25 Euro (ohne bzw. mit Vorschaden)
  • 2012: 4.242,45 Euro bzw. 5.302,64 Euro (ohne bzw. mit Vorschaden)

Quelle: Hebammen für Deutschland e.V.

Beitragstabelle 2012

Bitte beachten Sie in dem Zusammenhang, dass das Problem tatsächlich nur die freiberufliche Hebamme betrifft, die Geburtshilfe anbietet und ausführt. Alle anderen Formen der Berufsausübung beziehungsweise des Angebotes (nur Geburtsvorbereitung und Wochenbettbetreuung) sind zu üblichen Beiträgen versicherbar.

Ab Juli 2014 wird es wohl kein Angebot mehr unter 5.000 Euro geben. Ab Juli 2015 gibt es keinen Versicherer mehr.

Warum explodieren aber die Beiträge? Weil die Schadenhäufigkeit und Schadenhöhe steigen.

Nun könnte man natürlich die Eltern in die Verantwortung nehmen, die scheinbar jedes Ergebnis, dass nicht das perfekte Kind darstellt, der Hebamme anzulasten versuchen. Das mag zwar grundsätzlich ein Aspekt sein, aber eben nicht der entscheidende Grund.

Ursachen

Die kann man einfach auf den Punkt bringen: Die Haftung der Ärzte, die in der Geburtshilfe tätig sind, wurde durch den Gesetzgeber eingeschränkt. Die Ärzte haben eine starke Lobby und konnten sich hier durchsetzen. Das, was bei den Ärzten eingeschränkt wurde, ist natürlich nicht weg, sondern entsteht nun bei den Hebammen als zusätzliche Haftung. Dann wurde die Haftung auf 30 Jahre erweitert und die Umkehr Beweislast mit erhöhten Dokumentationspflichten eingeführt.

Ob diese ganzen Regelungen in Bezug auf einen Vorgang Geburt lebensnah oder doch eher lebensfremd sind, überlasse ich dem geneigten Leser. Wenn man Hebammen dazu befragt, dann haben diese grundsätzlich nichts gegen die Dokumentation, nur muss sie der Realität der Arbeit angemessen sein.

Die größte Herausforderung ist aber der zunehmende Regress der Sozialversicherungsträger. Hier greift nach meinen Informationen der größte Treiber der Schadenhöhe und -häufigkeit. Und noch eine Zahl die verblüfft: Aktuell geht es um rund 100 Schadenfälle pro Jahr, die auf die Prämie drücken. Es sind tatsächlich nur einige wenige Fälle, wenn man die Zahl der Geburten (673.544 in 2012) in Relation setzt.

Dazu sagt die Nürnberger Versicherung:

Der Nürnberger Versicherer selbst begründet seinen Rückzug mit den hohen Kosten. Von 2003 bis 2012 sind nach Angaben des Versicherungsverbandes GDV die Ausgaben für schwere Geburtsschäden pro Kind um fast 80 Prozent auf 2,6 Millionen Euro gestiegen. „Es gibt zwar nicht mehr Schadensfälle, aber in den Einzelfällen muss mehr gezahlt werden”, erklärt Martin. „Aufgrund der modernen Medizin überleben immer mehr frühgeborene und behinderte Kinder, doch wegen ihrer Defizite müssen sie ein Leben lang gepflegt werden. Das kostet. Die finanzielle Last trägt am Ende das schwächste Glied in der Kette, die Hebamme.”

Quelle: N-TV

Lösung

  • Honorare erhöhen ist nur eine Möglichkeit, die ich aber in der Spiralwirkung auch für abträglich halte. Ich will jetzt aber bitte nicht so verstanden werden, dass die Vergütung heute angemessen ist. Das ist nicht der Fall, auch ohne die Problematik der Prämie für die Haftpflichtversicherung.
  • Neue Versicherer suchen? Kann auch keine Lösung sein, weil es nichts an der Schadenhöhe und -häufigkeit ändert. Die Schadenproblematik ist gegeben.
  • Neue Regeln zu Haftung, Dokumentation und Regress der Sozialversicherungsträger.

Das ist der Kern des Problems und hier ist einzig und alleine die Politik gefordert. Damit wird automatisch auch das gesellschaftliche Problem gelöst, dass es Eltern geben soll, die nach der Geburt jeden Anlass zur Klage nutzen.

Fazit

Die Berufsverbände übertreiben, weil die angestellte Hebamme oder die freiberufliche Hebamme, die keine Geburtshilfe betreibt, auch in Zukunft versicherbar sind. Die Berufsverbände haben jedoch Recht, wenn sie die aktuelle Vergütungssituation der freiberuflichen Hebammen im Grundsätzlichen kritisiert. Wer Familienpolitik betreibt, der sollte vielleicht hier beginnen, bevor er Herdprämien ausschüttet.

Der wesentliche Punkt ist aber, dass die Rahmenbedingungen für Geburtshäuser und freiberufliche Hebammen mit Geburtshilfe geändert werden müssen. Damit sind die Dauer der Haftung, die Beweislast und die Angemessenheit und Umfang einer Dokumentation gemeint. Hier muss der Gesetzgeber ansetzen.

Außerdem müssen die Regresse der Sozialversicherungsträger zu Lasten der Hebammen neu ausgerichtet werden. Selbstverständlich muss die Hebamme haften, die Frage ist ab wann, in welcher Höhe und bei welchem Verschulden!

Ich bin gespannt, wie und wann die Politiker hier endlich „liefern”! Vor allem aber, ob sie liefern werden. Denn die starken Lobbygruppen der Ärzte und Krankenhäuser und die “Wettbewerbsfanatiker” der Gesundheitspolitik sind hier eindeutig die Schuldigen.

„Mit der Haftpflicht hat das alles wenig zu tun, diese wird nur vorgeschoben”, sagt Susanne Grünhagen gegenüber N-TV. Sie beobachte seit vielen Jahren den Versuch der Politik, die Geburt komplett in die Kliniken zu verlagern.”Das ist politisches Taktieren. Wenn bei den Versicherungsprämien nichts mehr zu holen ist, werden andere Wege beschritten, um die Tätigkeit der Hebamme in der Geburtshilfe weiter einzuschränken.” Die Geburtshäuser hätten von Beginn an auf wackeligen Beinen gestanden, berichtet Grünhagen aus ihrer 21-jährigen Berufserfahrung. Aber früher habe man sich persönlichen Angriffen ausgesetzt gesehen. „Heute wird mit viel größeren Geschossen gearbeitet. Heute wird politisch dagegen vorgegangen.” Aus diesem Grund glaube sie auch, dass der Beruf der Hebamme stark in Gefahr ist, ausradiert zu werden.”

Quelle: N-TV

Im Ergebnis: Es gibt Kräfte im Gesundheitswesen, die für die Entbindung in Krankenhäusern sind. Die Manager dieser Häuser bevorzugen dann aus wirtschaftlichen Gründen den Kaiserschnitt. Schöne neue Welt des Wettbewerbs in einer Welt, in der es nicht um Wettbewerb geht (gehen darf).

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