Sven Schumann und Verena von Hugo, Bündnis Ökonomische Bildung Deutschland © Thorsten Jansen/Marcus Becker
  • Von Oliver Lepold
  • 12.01.2022 um 09:12
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Wie kann die ökonomische Bildung der Deutschen verbessert werden? Was kann Schule leisten, wie sollte die Politik agieren und warum sind uns die Schweden hier meilenweit voraus? Dazu befragte Pfefferminzia Verena von Hugo und Sven Schumann vom Bündnis Ökonomische Bildung Deutschland (BÖB).

Pfefferminzia: Studien belegen das niedrige Niveau der Finanzbildung in der Bevölkerung. Was lernen junge Menschen in Deutschland heutzutage über Finanzthemen in der Schule?

Verena von Hugo: Das hängt vom Zufall ab, nämlich von Bundesland, Schulform und der einzelnen Lehrerpersönlichkeit. Laut der im Mai 2021 erschienenen OeBiX-Studie erfüllen 11 von 16 Bundesländern noch nicht einmal 50 Prozent der Anforderungen für das Nebenfach Wirtschaft. Ökonomische Bildung ist in den Lehrplänen, vom Stundenumfang, aber auch von der Lehrkräfte-Ausbildung her, zu wenig verankert. Es gibt aber auch positive Beispiele: Baden-Württemberg etwa hat 2016 in allen Schulformen das Fach Wirtschaft/Berufs- und Studienorientierung eingeführt und die Lehrkräfte-Qualifizierung an Universitäten und pädagogischen Hochschulen entsprechend aufgestellt. Mit Erfolg, das lässt sich in der OeBiX-Studie deutlich erkennen. Was nicht funktioniert, ist die ökonomische Bildung lediglich in anderen Fächern miteinzubeziehen. Dort fehlt stets der Kontext, etwa bei der Zinseszinsrechnung in Mathematik.

Ein guter Lehrplan reicht also nicht aus, was müssen Lehrkräfte zudem leisten?

Schumann: Der Lehrplan als Kerncurriculum zeigt, was Schüler gelernt haben sollten. Schaut man genauer hin, erkennt man darin schon einige Ansatzpunkte für Wirtschafts- und Finanzbildung. Aber das geht nicht in die Tiefe. Der Fachbereich der Schule interpretiert jeweils den Lehrplan. Wenn die zuständige Lehrkraft nicht wirtschaftsdidaktisch aus- oder weitergebildet ist, wird sie das Thema im Unterricht nicht didaktisch fachgerecht aufbereiten können. Den Nachteil haben die Schülerinnen und Schüler.

von Hugo: Die Lehrerbiografie lautet meist Schule-Universität-Schule, da kann eine spezielle (Weiter-)Qualifizierung für das Schulfach Wirtschaft viel Fundament schaffen. Dazu kommen viele außerschulische Angebote für Schülerinnen und Schüler, die mehr Wirtschafts- und Finanzwissen erwerben möchten, wie zum Beispiel der Zukunftstag. Kompetente Lehrkräfte müssen den Unterricht didaktisch und methodisch vor- und nachbereiten und zudem steuern können, welche außerschulischen Angebote sie in den Unterricht einbinden. Dabei muss immer der Beutelsbacher Konsens gelten: das Überwältigungsverbot, das Gebot der Kontroversität und das Prinzip der Schülerorientierung müssen beibehalten werden, um Wirtschafts- und Finanzwissen objektiv zu unterrichten. Dann ist auch die Gefahr des Lobbyismus gebannt.

Gibt es dazu empirische Erkenntnisse?

Schumann: Es gibt eine Studie zum Thema Überwältigungsverbot von Professor Dr. Günther Seeber von der Universität Koblenz-Landau, der die Einführung des neuen Schulfaches Wirtschaft/Berufs- und Studienorientierung in Baden-Württemberg wissenschaftlich begleitet. Es geht dabei um zwei Kernfragen: Ändert sich die Kompetenz und ändert sich die Einstellung? Stand heute lautet das Ergebnis: Die Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler haben sich positiv entwickelt, ihre Einstellungen wurden aber nicht verändert. Das ist eine sehr wichtige Erkenntnis. Denn es wird kein Mindset durch den Unterricht geformt, es geht tatsächlich um die Verbesserung der Allgemeinbildung. Politische Einstellungen zum Thema Wirtschaft oder Ideologien spielen keine Rolle.

Es zeigt sich, dass Finanzbildung als Teil der Allgemeinbildung gelingen kann…

Von Hugo: Ja, aber das braucht Zeit. Heute verlassen in Deutschland noch immer zu viele junge Menschen die Schule, ohne zum Beispiel jemals von den drei Säulen der Vorsorge gehört zu haben. Ohne Grundlagenwissen haben sie einen deutlich verengten Handlungsrahmen, zum Beispiel wenn sie ihren ersten Job antreten und es um die betriebliche Vorsorge geht. Ein anderer wichtiger Aspekt ist das Verständnis der ökonomischen Zusammenhänge, also wie spielen die Akteure zusammen, welche Rolle haben Staat und Unternehmen und welche Rolle hat das Individuum als privater Haushalt? Wenn wir allein diesen Baustein flächendeckend verankern könnten, wären Schülerinnen und Schüler beim Abschluss besser für ein selbstbestimmtes Leben vorbereitet.

Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang die mögliche Einführung einer gesetzlichen Aktienrente innerhalb der ersten Schicht der Altersvorsorge?

Schumann: Das Wort Aktienrente kommt im Koalitionsvertrag der Ampelkoalition leider nicht explizit vor, allerdings spielt im Kapitel zur Altersvorsorge die Kapitaldeckung eine Rolle. Das ist ein großer Schritt. Die Kapitaldeckung kann einen Effekt auslösen, vor allem, wenn sie in der ersten Säule verpflichtend wird. Dann werden plötzlich alle Erwerbstätigen, die in die Rente einzahlen, indirekt zu Akteuren am Kapitalmarkt. Sie erhalten widergespiegelt, was mit ihrem Geld passiert, denn sie werden regelmäßig einen Kontoauszug erhalten. So ist das etwa in Schweden, dort können die Erwerbstätigen aus verschiedenen Fonds auswählen. Falls keine Wahl erfolgt, fließt das Kapital automatisch in die öffentlich-rechtlich gemanagte Lösung.

Welche Folgen hatte dieses System in Schweden?

Schumann: Wenn die gesamte Erwerbsbevölkerung am Kapitalmarkt teilnimmt, findet diese Erfahrung Eingang in das kollektive Gedächtnis. Bei den Schweden ist genau das passiert. Dort gibt es heute einen sehr gut entwickelten Kapitalmarkt und eine sehr hohe Partizipation auch jenseits der Aktienrente. Etwa drei Viertel der Schweden sind privat auf dem Kapitalmarkt aktiv. Dieser wird auch als Finanzierungsinstrument im Mittelstand wesentlich stärker genutzt als in Deutschland. Eine Aktienrente würde der Kapitalmarktkultur in Deutschland guttun. Vor allem, wenn wir an die hohen Finanzierungsvolumen für die transformatorischen Herausforderungen für Klimawandel und Digitalisierung denken.

Von Hugo: Österreich hat als vorletztes OECD-Land gerade eine Nationale Strategie für Finanzbildung verabschiedet. Das letzte Land der OECD, wo das noch aussteht, ist Deutschland. Es gibt also noch viel zu tun. Darauf machen wir als BÖB aufmerksam und begleiten die Entwicklungen mit Politik, Verwaltung und Verbänden beratend und unterstützen mit Vernetzung.

Mehr zum Bündnis Ökonomische Bildung Deutschland finden Sie hier: https://boeb.net/

 

Über die Gesprächspartner

Verena von Hugo ist Vorstand der Flossbach von Storch Stiftung. Sven Schumann ist Senior Vice President Stakeholder Management & Berlin HUB bei der Gruppe Deutsche Börse. Gemeinsam sind sie Vorstandsvorsitzende im Bündnis Ökonomische Bildung Deutschland e. V. (BÖB).

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Oliver

Oliver Lepold

Oliver Lepold ist Dipl.-Wirtschaftsingenieur und freier Journalist für Themen rund um Finanzberatung und Vermögensverwaltung. Er schreibt regelmäßig für Pfefferminzia und andere Versicherungs- und Kapitalanlage-Medien.

kommentare
Wilfried Strassnig Versicherungsmakler
Vor 2 Jahren

Deutsche Normalsparer können nur mit Aktien vernünftig vorsorgen. Aktuell nach allen Kosten und Inflation werden um 0% Rendite erzielt. Das ist ja die Ursache weshalb viele Riester nicht mehr anbieten können, weil sie nicht einmal die Erstattung der eingezahlten Beiträge garantieren können UND weshalb das Versorgungswerk der Steuerberater in Kiel in Insolvenz ist.
Mit unserer exklusiven Jahrhundertidee-aktuell nur nach Unterzeichnung der Geheimhaltungsvereinbarung von Versicherungsvorständen erwerbbar, sind ohne Fachkenntnisse, völlig stressfrei 9% bis 15% Rendite wahrscheinlich.
Damit können nicht nur 20% der Bürger adäquate Vorsorge finanzieren, sondern bestimmt 90%. Wenn Eltern ab Geburt vor leisten bis 100%!!! Handlungsfähig, oder Aussitzer/Verdränger zu Lasten der Bürger und hoher STORNOGEFAHR ab Beginn?

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Wilfried Strassnig Versicherungsmakler
Vor 2 Jahren

Deutsche Normalsparer können nur mit Aktien vernünftig vorsorgen. Aktuell nach allen Kosten und Inflation werden um 0% Rendite erzielt. Das ist ja die Ursache weshalb viele Riester nicht mehr anbieten können, weil sie nicht einmal die Erstattung der eingezahlten Beiträge garantieren können UND weshalb das Versorgungswerk der Steuerberater in Kiel in Insolvenz ist.
Mit unserer exklusiven Jahrhundertidee-aktuell nur nach Unterzeichnung der Geheimhaltungsvereinbarung von Versicherungsvorständen erwerbbar, sind ohne Fachkenntnisse, völlig stressfrei 9% bis 15% Rendite wahrscheinlich.
Damit können nicht nur 20% der Bürger adäquate Vorsorge finanzieren, sondern bestimmt 90%. Wenn Eltern ab Geburt vor leisten bis 100%!!! Handlungsfähig, oder Aussitzer/Verdränger zu Lasten der Bürger und hoher STORNOGEFAHR ab Beginn?

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