Senioren lassen sich an der Ostseeküste von Boltenhagen ein Pedelec mit tiefer gelegtem Einstieg, gepolstertem Sattel und vor allem unterstützendem Elektromotor erklären. "Mit Pedelecs sind viele Menschen unterwegs, die sich mit einem klassischen Fahrrad, das sie mit eigener Kraft bewegen müssen, nicht mehr oder nicht mehr so gut fortbewegen können", berichtet Makler Hubert Gierhartz. © dpa/picture alliance
  • Von Hubert Gierhartz
  • 11.06.2018 um 12:12
artikel drucken artikel drucken
lesedauer Lesedauer: ca. 01:55 Min

Die Europäische Kommission denkt über eine Versicherungspflicht für Pedelecs nach. Uff. Brauchen wir wirklich noch mehr Regulierung? Versicherungsmakler Hubert Gierhartz hat sich mal mit dem Vorschlag der EU-Kommissare auseinandergesetzt – wie sein Fazit lautet, erfahren Sie hier.

Zugegeben: Wenn neue Regulierungsvorschriften aus Brüssel „drohen“, zuckt so mancher erstmal zusammen. Vor allem Versicherungsmakler mussten da in der jüngeren Vergangenheit so einiges erdulden – Stichwort IDD, um nur eines zu nennen.

Wie sattelfest sitzt die Generation 60plus?

Die Europäische Kommission denkt nun also über eine Versicherungspflicht für Pedelecs nach. Aber bevor alle aufschreien: Es lohnt sich wirklich, die Sache einmal genau zu betrachten. Mit Pedelecs sind viele Menschen unterwegs, die sich mit einem klassischen Fahrrad, das sie mit eigener Kraft bewegen müssen, nicht mehr oder nicht mehr so gut fortbewegen können – also die Generation 60plus. Ich möchte an dieser Stelle deutlich machen, dass ich gegen diese Altersgruppe keine Vorurteile habe, denn ich gehöre selber dazu.

Wenn man mit dieser Altersgruppe auf Pedelecs unterwegs ist, drängt sich schnell der Gedanke auf, dass eher das Pedelec den Fahrer zu beherrschen scheint – und nicht umgekehrt, wie es sein sollte. Es werden Geschwindigkeiten erreicht, die diese Senioren mit einem muskelbetriebenen Fahrrad nie erreichen würden. Tatsache ist auch, dass das Reaktionsvermögen nachlässt, so dass die Fahrer(innen) in schwierigen Situationen völlig überfordert sind. Dazu passen die Schlagzeilen, dass die Unfälle mit Pedelecs rasant ansteigen.

Das Fahren mit einem Pedelec bis 25 Kilometer in der Stunde kann im Rahmen der privaten Haftpflichtversicherung mitversichert werden. Das Problem: Die private Haftpflichtversicherung ist keine Pflichtversicherung. Heißt: Besitzt ein Pedelec-Fahrer keine private Haftpflichtversicherung, oder ist das Pedelec vom Versicherungsschutz ausgeschlossen, muss er für einen verursachten Schaden selber aufkommen. Die entscheidende Frage ist, ob er das kann?

Stellen wir uns vor, ein Pedelecfahrer verursacht einen Schaden mit einem Schulkind. Das Schulkind ist dauerhaft körperlich geschädigt, und geht mangels fehlender Haftpflichtversicherung leer aus. Das wäre eine Katastrophe.

Die Mär von der verantwortlichen Generation 60plus

Jetzt sollte man meinen, dass die Generation 60plus sehr verantwortungsbewusst ist. Weit gefehlt. Wie oft habe ich schon solche Sätze gehört: „Die Kinder sind aus dem Haus, eine Haftpflichtversicherung brauche ich nicht, denn ich füge keinem anderen einen Schaden zu.“ Obendrein stellt sich diese (rhetorische) Frage: Wie viele Senioren sitzen auf Altverträgen mit einer geringen Versicherungssumme und in der Pedelecs ausgeschlossen sind?

Oft wird bei unserem Maklerbetrieb lediglich nachgefragt, ob die Anschaffungskosten eines Pedelecs – diese liegen in der Regel zwischen 2.000 und 3.000 – im Rahmen der Hausratversicherung abgesichert sind. Ein Prämienzuschlag wird sofort akzeptiert. Die Frage der Haftung bei einem verursachten Schaden spielt hingegen eine völlig untergeordnete Rolle.  Hier hat der gute Makler vorgesorgt, und einen Haftpflichtvertrag vermittelt, der dieses Risiko mit eingeschlossen hat.

Die Unfallzahlen werden steigen

Aber zurück zur Eingangsfrage: Eine Versicherungspflicht würde im Sinne der Geschädigten sinnvoll sein. Der Verbraucher, der im Rahmen seiner Haftpflichtversicherung das „Risiko Pedelec“ mitversichert hat, müsste zwangsläufig mehr bezahlen. Aber: Ohne Versicherungspflicht ist eine Kontrolle, wie beispielsweise bei Mofas, nicht möglich.

Die Reglementierungen nehmen ungeahnte Ausmaße an, aber die Diskussion über eine Pflichtversicherung von Pedelecs ist nicht von der Hand zu weisen. Die Unfallzahlen werden steigen, und das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.

autorAutor
Hubert

Hubert Gierhartz

Hubert Gierhartz begann seine Laufbahn als Versicherungsmakler im Jahr 1985. Er hatte sich vor allem auf die Beratung der Zielgruppe 60plus spezialisiert. Heute übt er seinen Beruf nicht mehr aus, bleibt aber ein kritischer Begleiter der Branche.

kommentare

Hinterlasse eine Antwort

kommentare

Hinterlasse eine Antwort