Cordula Vis-Paulus ist Expertin für die private und betriebliche Altersversorgung (bAV) und unabhängiger bAV-Consultant. © privat
  • Von Redaktion
  • 17.01.2022 um 13:05
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Wie geht es mit der bAV im neuen Jahr weiter? Die Macken des „BRSG-Pflichtzuschuss“ werden bald geheilt sein, die Nachhaltigkeit nimmt kräftig Fahrt auf – und die digitale (Selbst-)Beratung lernt immer besser laufen. Davon ist bAV-Expertin Cordula Vis-Paulus in ihrem Gastbeitrag überzeugt.

Dass niedrigere Garantien eine Chance für mehr Performance sind, ist weithin bekannt. Trotzdem hält die betriebliche Altersversorgung (bAV) noch an (reduzierten) Garantien fest. Weshalb eigentlich? Um die Unwissenden nicht zu schockieren? Das Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) hat 2018 mit dem Prinzip „Pay & forget“ die Weichen in Richtung garantiefreie bAV bereits gelegt – wenn auch noch kein Zug darauf fährt (Was, wie man hört weniger an den beteiligten Parteien als an der Finanzaufsicht Bafin liegen soll).

Nicht als charmant, sondern als notwendig, werden die Entscheider in kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) den Wegfall der Arbeitgeberhaftung einstufen. Ist also die Absenkung des Höchstrechnungszinses nicht nur zwangsläufig dem Zinstief gewidmet, sondern auch als Salamitaktik von weiterhin kleiner werdenden Garantien anzusehen?

„Wie niedrig ist die kleinste Garantie, die Sie mir anbieten können?“

Von jungen Menschen werde ich mittlerweile in der Belegschaftspräsentation begrüßt mit den Worten: „Wie niedrig ist die kleinste Garantie, die Sie mir anbieten können?“ und der Spruch „Ich kann mein Geld viel besser anlegen“ gehört zwar zu den Top 3 der nervigsten Ausreden – aber lassen Sie uns die Augen nicht verschließen: Die (zu) viele Zeit im Homeoffice und Quarantäne haben nicht nur Money-Influencer auf allen Kanälen wie Pilze aus dem Boden schießen lassen, sondern auch viele Follower gefunden. Gerade unter den Jüngeren sind Finanzexperten, frisch gebacken von der Tik-Tok-Universität zu finden. Sie schmunzeln jetzt – für diese Jungen ist die „Tik-Tok-Universität“ das reale Leben.

Was ich sagen möchte ist, die „Zuneigung“ zu Aktien, Krypto & Co. ist heute eine andere als vor zehn Jahren. Wo der Corona-Crash Vermögensverwalter in Habachtstellung gebracht hat, haben Privatanleger sich daran erinnert zu kaufen, wenn die Börse crasht. Von diesem Wissen haben sie üppig Gebrauch gemacht – und gelernt, dass Börse gar nicht weh tut. Kurzum: Der Trend geht eindeutig zu weniger Garantie.

Nachhaltigkeit – nicht Trend, sondern Ziel

Nachhaltigkeit, oft auf Klimaschutz dezimiert, ist kein Trend, sondern Ziel. Die 17 von der UN definierten Nachhaltigkeitsziele sind kein Trend – denn der würde irgendwann einem anderen Trend weichen –, sondern Ziele. Unser aller Ziele. Betriebliche Altersvorsorge bedient sogar gleich in mehreren Richtungen – und auf verschiedenen Ebenen – nachhaltige Ziele und wird schon aus diesem Grund für Unternehmen interessant. Die Nachfrage wird das Angebot bestimmen.

Arbeitgeberattraktivität mit Langzeit- und Depotwirkung

Der Arbeitgeberbeitrag als Zeichen von Wertschätzung und Verantwortung, der Verhinderung von Armut, als Teil auf dem Weg zur Gleichstellung der Geschlechter, als Unterstützer sauberer Unternehmen mit – im Idealfall – Social Impact! Das klingt „very clean“ in den Ohren der jungen Wilden. Der vermehrte Mittelzufluss wird nachhaltig arbeitende Unternehmen rentierlich beflügeln – und damit auch die Entwicklung des Ruhestandsvermögens. Nebenbei wird der anderen Seite Geld entzogen. Dort werden Unternehmen geschwächt: Weniger nachhaltig zu sein, bedeutet: weniger Investoren, schlechteres Rating, teurere Kredite und weniger Arbeitgeberattraktivität auch an dieser Stelle.

Zu betonen ist: Neben der nachhaltig grünen Produktauswahl steht die Arbeitgeberbeteiligung an der Ruhestandsfinanzierung im Mittelpunkt ausgezeichneter Konzepte mit hohem Nutzungsgrad.

Ebenso wenig wie ein neuer Mitarbeiter wegen einer betrieblichen Altersvorsorge an Bord kommen wird, wird ein verantwortungsvoller neuer Mitarbeiter bei einem Arbeitgeber ohne herausragender Altersvorsorge anheuern. Die Niederländer geben den Kurs vor: es gibt keine Pflicht, aber die bAV gehört zum guten Ton. Deshalb ist dort die Verbreitung der bAV quasi flächendeckend – und führt zusammen mit den anderen Renten zu 98 Prozent des vorherigen Nettos!

„Top-Unternehmen haben immer auch eine Top-bAV“ (Zitat aus Reality Check bAV-Zuschuss 2021, Cordula Vis-Paulus)

Ach je, da ist ja noch der „niedliche Pflichtzuschuss“

Tja, es regelt sich halt nicht von allein, aber wir werden es bald hinter uns haben. Weil über kurz oder lang alle zukunftsfähigen Unternehmen alle verfügbaren Segel setzen müssen, um noch Mitarbeiter zu finden. Je größer die Flaute am Arbeitsmarkt, desto mehr Wind bekommt die bAV – und damit auch der Arbeitgeberzuschuss – auf die Segel.

Freund oder Feind – die digitale Beratungsstrecke

Ich musste mich selbst davon überzeugen – es kann wirklich funktionieren! Digitale bAV – darunter versteht der eine Videoberatung, der nächste Beratungssoftware (gegebenenfalls mit E-Signatur) und manch einer eine digitale Selbstabschlusstrecke. Die wird keinen Erfolg haben, wenn sie verschmäht in der fettigen Kabüse hinter dicken Gurkenfässern vergraben ist (früher: Aushang am schwarzen Brett, später: abgelegt im Intranet). Wird sie jedoch richtig gespielt, kann sie einem guten Berater noch besseren Zugang verschaffen, launigen Chefs eine Möglichkeit sein, überhaupt das Thema anzunehmen, aus ausgelutschen Firmenbelegschaften doch noch ein paar Verträge herausholen und Beratern mit wenig bAV-Erfahrung, aber willigen bAV-Kunden, eine gewinnbringende Geschichte sein. Allerdings liegt auch in der digitalen Beratungsstrecke die Kunst im Detail, denn zwischen Gurkenfass und Bühne liegen eben Welten.

Die weiteren Aussichten: rosig!

Provisionsdeckel, Honorarvermittlung oder Honorarberatung in der bAV? bAV gegen das GenderPensionGap? Wir werden es sehen. Vorerst sind die Aussichten auf das bAV-Jahr 2022 rosig.

Über die Autorin

Cordula Vis-Paulus ist gelernte Bankkauffrau, passionierte Geigerin, Expertin für private und betriebliche Altersversorgung, registrierte Finanzanlagenvermittlerin. Die Presse sieht in ihr die „bAV-Flüsterin“. Die Deutsche Wirtschaft (DDW) verlieh ihr 2019 den Wirtschaftspreis des Mittelstandes als „Innovator des Jahres 2019“ und ermittelte Cordula Vis-Paulus als Gewinnerin des „Social-Media-Awards“.

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