Fabian von Löbbecke, Vorstandsvorsitzender der HDI Pensionsmanagement AG und im Vorstand der HDI Lebensversicherung AG verantwortlich für den Bereich Neugeschäft und Produktmanagement Leben. © HDI
  • Von Lorenz Klein
  • 28.04.2023 um 13:47
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Er sei „sehr zuversichtlich für die Zukunft der bAV“, sagt HDI-Leben-Vorstand Fabian von Löbbecke im Vorfeld des HDI bAV-Expertenforums 2023. Wie es um die betriebliche Altersversorgung (bAV) in Deutschland steht, was er vom Ruf nach einer Standard-bAV und abgesenkten Garantien hält, verrät er uns im Interview. Und, ach ja, was macht eigentlich das Sozialpartnermodell?

Pfefferminzia: Die betriebliche Altersversorgung (bAV) sei eine „komplexe Kombination von Arbeits- und Steuerrecht, Sozialversicherungsrecht, Zivilrecht, Betriebswirtschaft, Versicherungsmathematik und der Produktwelt“, fasste der Rentenberater und bAV-Spezialist Markus Kirner kürzlich zusammen. Was stimmt Sie zuversichtlich, dass die bAV trotz dieser – zugegebenermaßen nicht neuen Erkenntnis – weiterhin eine Zukunft hat?

Fabian von Löbbecke: Die Vielschichtigkeit der bAV ist tatsächlich nicht von der Hand zu weisen. Dennoch bin ich davon überzeugt, dass die bAV auch in Zukunft weiterhin eine bedeutende Rolle für die Vorsorge der Menschen in Deutschland spielt – dass ihre Bedeutung sogar noch zunehmen wird. Der Grund ist die besondere Effizienz. Die bAV bietet gleich mehrere Renditequellen, aus der Arbeitnehmer schöpfen können, um effizient vorzusorgen. Und manchmal macht es zudem die intelligente Mischung mit anderen Förderoptionen.

Woran machen Sie diese besondere Effizienz der bAV fest?

Die Effizienz resultiert aus den arbeitsrechtlichen Vorgaben, wie zum Beispiel den verbindlichen Arbeitgeberzuschüssen, der steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Privilegierung, aus modernen Produktgestaltungen und aus personalwirtschaftlichen Aspekten. Denn bAV stiftet nicht allein einen Nutzen für die Belegschaft, sondern, gerade in Zeiten eines zunehmenden Fachkräftemangels, auch für den Arbeitgeber.

Wie Sie sehen, sind hier sehr verschiedene Themengebiete, die schon für sich allein genommen recht herausfordernd sind, miteinander verwoben. Und genau das macht die bAV komplex. Und aus diesem Grund sind wir der Überzeugung, dass eine umfassende Beratung des Arbeitgebers durch qualifizierte Experten der Einrichtung einer bAV vorausgehen sollte. Nur so kann die bAV optimal auf die Anforderungen des Unternehmens ausgerichtet und der Bedarf der Belegschaft getroffen werden.

Wie verträgt sich dies mit politischen Überlegungen für eine Standard-bAV?

Die von Teilen der Politik geforderte Implementierung einer Standard-bAV sehen wir aus den zuvor erläuterten Gründen kritisch. „One fits all“ passt nicht in die vielfältige deutsche Wirtschaftslandschaft. Eine bAV sollte maßgeschneidert sein, um das Unternehmen und die Belegschaft zu begeistern. Wir setzen daher konsequent auf individuelle Beratung.

Im Übrigen – und auch das macht mich sehr zuversichtlich für die Zukunft der bAV – setzen auch fast alle politischen Vertreter und Sozialpartner weiterhin stark auf die Verbreitung der bAV für alle Arbeitnehmer in Deutschland. Diese Positionierung wird im „Fachdialog bAV“ des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) deutlich. Ich möchte jedoch allen Gremien und der Politik ans Herz legen, die bAV durch weitere Reformen nicht noch komplizierter zu gestalten. Vielmehr wäre ein Abbau der Komplexität für die Praxis wünschenswert.

Das letzte HDI bAV Expertenforum im Juni 2022 stand bereits unter dem Eindruck der hohen Inflation – das dürfte fast ein Jahr später nicht anders sein. Viele Menschen halten sich entsprechend bei der Altersvorsorge zurück und warten erstmal ab, was sich auch in den Bilanzzahlen der Lebensversicherer für 2022 niederschlägt. Inwieweit kann hier der Fachkräftemangel, der immer stärker um sich greift, als vertrieblicher Türöffner in den bAV-Beratungen in den Firmen dienen?

Eine gute bAV in einem Unternehmen ist tatsächlich ein sehr probates Mittel, um sich als Arbeitgeber im Kampf und Fachkräfte positiv von Mitbewerbern abzugrenzen und Wertschätzung zu zeigen. Verschiedene Umfragen belegen, dass 66 Prozent der Betriebe in Deutschland vom Arbeitskräftemangel betroffen sind. Gleichzeitig verdeutlichen aktuelle Studien, dass eine Arbeitgeber-finanzierte bAV für Arbeitnehmer bei einem Job-Wechsel sehr wichtig ist. Und jeder zweite Arbeitnehmer wünscht sich konkrete Unterstützungen von seinem Arbeitgeber beim Aufbau einer Betriebsrente, besagt die aktuelle Studie „Generation Mitte“ aus 2023 des Instituts für Demoskopie Allensbach. Für Arbeitgeber gilt: Arbeitnehmer halten ist günstiger, als neue Arbeitskräfte zu rekrutieren, denn hier fallen je nach Qualifikation 43.000 bis 175.000 Euro Rekrutierungskosten pro Mitarbeiter an.

Im Übrigen kann ich jedem nur ans Herz legen, auch in Zeiten stark steigender Preise und damit schrumpfender verfügbarer Einkommen mit der Vorsorge zu beginnen. Denn der Faktor Zeit spielt bei der Vorsorge eine entscheidende Rolle. Lieber heute mit kleinen Beiträgen starten, als darauf hoffen, dass man später mehr Geld übrig hat und dann vielleicht mit hohen Beitragsleistungen einsteigen kann. Der Zinseszinseffekt ist erheblich und hilft bei der Vorsorge ungemein, wenn mit dem Sparen frühzeitig begonnen wird. Wer aufschiebt, verschenkt zudem die staatlichen Förderungen. Und hierzu bietet sich eben die bAV besonders an, weil sie, wie gerade geschildert, besonders vorteilhaft ist.

Zurück zum Vertrieb: Welcher Hemmschuh ist aktuell der größte für das bAV-Neugeschäft und was können Vermittler dem entgegensetzen?

Wir stellen ehrlicher Weise nicht fest, dass es in unserer bAV-Neugeschäftsproduktion große Zurückhaltung gibt. Richtig ist aber auch, dass die Komplexität der bAV ein Maß erreicht hat, das Berater und Kunden zunehmend vor Herausforderungen stellt.

Seite 2: „Man kann die Garantie nach unserer Auffassung nicht beliebig absenken“

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Lorenz Klein

Lorenz Klein gehörte dem Pfefferminzia-Team seit 2016 an, seit 2019 war er stellvertretender Chefredakteur bei Pfefferminzia. Im Oktober 2023 hat Klein das Unternehmen verlassen, um sich neuen Aufgaben in der Versicherungsbranche zu widmen.

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