EU-Finanzkommissarin Mairead McGuinness (Archivbild): „Ich will klarstellen: Auch wenn wir jetzt kein Verbot aller Zuwendungen vorschlagen, bedeutet das keinen Freifahrtschein für die Finanzbranche.“ © picture alliance / EPA | JULIEN WARNAND
  • Von Lorenz Klein
  • 28.04.2023 um 11:15
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Ein Provisionsverbot in der Finanzberatung ist vorerst vom Tisch. Ein vollständiges Verbot könnte zu diesem Zeitpunkt „zu disruptiv“ sein, begründete EU-Finanzkommissarin Mairead McGuinness am Donnerstag in Stockholm ihren Sinneswandel. Man erwäge nun andere Maßnahmen wie Transparenzpflichten. Die Branche zeigt sich erleichtert.

EU-Finanzkommissarin Mairead McGuinness ist von ihren umstrittenen Plänen für ein EU-weites Provisionsverbot in der Finanzberatung abgerückt. In ihrer Rede im Rahmen des „Eurofi High-Level Seminar“ am Donnerstag in Stockholm, erklärte die Irin, dass man auf ein vollständiges Verbot vorerst verzichten werde (hier geht es zum Redemanuskript (englisch)).

Dabei ließ McGuinness durchblicken, dass der Sinneswandel der Kommission vor allem auch der starken Lobbyarbeit der Branche sowie etlicher EU-Regierungen geschuldet sei. „Wir haben denen zugehört, die uns sagen, dass ein vollständiges Provisionsverbot zu diesem Zeitpunkt zu disruptiv sein könnte“, sagte sie. Anstelle eines Verbots würden nun niederschwellige Maßnahmen erwogen wie etwa Transparenzpflichten.   

Zu den Organisationen, die offenbar erfolgreich in Brüssel Lobbyarbeit betrieben haben, gehört der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) – und der gab sich am Freitagmorgen in einer ersten Reaktion erleichtert über die Kehrtwende von Mairead McGuinness. Man begrüße die Ankündigung der EU-Finanzkommissarin, „von ihren Plänen zur Einführung eines Provisionsverbots Abstand zu nehmen“, hieß es.

Zuvor hatte der BVK davor gewarnt, dass ein EU-weites Provisionsverbot das Aus für rund 190.000 Versicherungsvermittler in Deutschland bedeuten könnte, da ihnen mit einem Provisionsverbot die wirtschaftliche Existenzgrundlage entzogen wäre. Zugleich betonte der Verband, dass man die Forderung der Kommissarin nach weiteren Offenlegungspflichten „als Chance für die Branche“ sehe. „Hier gilt es, noch im weiteren Dialog eine ausgewogene Lösung im Sinne eines sinnvollen Verbraucherschutzes zu erzielen“, wie BVK-Präsident Michael Heinz kommentierte.

Der Bundesverband Finanzdienstleistung AfW bezeichnete das vorläufige Votum gegen ein Provisionsverbot als „richtige Entscheidung“. Diese sei von „vielen guten Argumenten unterstützt, die durch den AfW, seinen europäischen Dachverband und viele gute Partner auf deutscher und europäischer Ebene vorgebracht wurden“, hieß es am Freitag in einem Statement.

McGuinness: „Kein Freifahrtschein für die Finanzbranche“

Doch mit welchen alternativen Maßnahmen ist im Rahmen der europäischen Kleinanlegerstrategie nun konkret zu rechnen? Hierzu verwies der AfW auf den 24. Mai, der neue Details seitens der Kommission zu Tage fördern dürfte. Und dass hier noch einiges auf die Branche zukommen wird, zeigt diese Aussage in der Rede von Mairead McGuinness:

Ich will klarstellen: Auch wenn wir jetzt kein Verbot aller Zuwendungen vorschlagen, bedeutet das keinen Freifahrtschein für die Finanzbranche.“

Daraus ist nach Ansicht der Verbände BVK und AfW zu schlussfolgern, dass wohl künftig mit mehr Transparenzpflichten zu rechnen sei.

Der AfW listet außerdem folgende Punkte auf:

  • Verschärfung der Bedingungen unter denen Vergütungsanreize zulässig sind
  • Sicherstellung eines besseren Preis-Leistungs-Verhältnisses
  • geeignete, preisgünstige und leicht verständliche Beratung für alle zugänglich
  • bessere Kostenaufschlüsselung
  • verstärkte Kontrollen der Aufsichtsbehörden
  • gezieltes Verbot von Vergütungsanreizen für reine Ausführungsgeschäfte

Außerdem verwies man beim AfW darauf, dass die Kommissarin einen runden Tisch vorgeschlagen habe, unter anderem mit Vertretern der Branche und des Verbraucherschutzes.

Doch zunächst überwiegt die Erleichterung: „Vieles davon könnten wir für die von uns vertretenen unabhängigen Finanzberaterinnen und -berater und ihren Kunden mittragen“, sagte Norman Wirth, Geschäftsführender Vorstand des AfW. Letztlich komme es immer auf die Umsetzung an, so Wirth. „Die Verbraucher hätten jedenfalls verdient, dass sie weiterhin unabhängige, qualifizierte Beratung als Grundlage für Finanz- und Versicherungsprodukte erhalten, die ihren Wünschen und Bedürfnissen entsprechen. Mehr Bürokratie und Verbote sind dabei sicherlich nicht hilfreich.“  

Auch Michael Heinz vom BVK kündigte an, den weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens eng zu begleiten. Im Moment überwiege jedoch die Erleichterung, so Heinz, „dass sich unsere intensiven Bemühungen in Zusammenarbeit mit unserem europäischen Dachverband der Vermittler BIPAR in den letzten Wochen gelohnt haben und unsere Argumente gehört wurden“.

Aus Sicht des BVK sei die Verwerfung eines Verbots zudem eine gute Nachricht für die Verbraucher, die nun keine Beratungslücke befürchten müssten. Ihnen stehe außerdem weiterhin die freie Wahl eines Vergütungssystems offen.

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Lorenz

Lorenz Klein

Lorenz Klein gehörte dem Pfefferminzia-Team seit 2016 an, seit 2019 war er stellvertretender Chefredakteur bei Pfefferminzia. Im Oktober 2023 hat Klein das Unternehmen verlassen, um sich neuen Aufgaben in der Versicherungsbranche zu widmen.

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