Finanzkommissarin Mairead McGuinness liebäugelt mit einem Provisionsverbot in der Finanzberatung. © picture alliance / EPA | JULIEN WARNAND
  • Von Oliver Lepold
  • 21.07.2023 um 12:52
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Fallende Abschlussprovisionen, Druck aus Brüssel und alternative Vergütungsmodelle lassen viele Vermittler über neue Einnahmequellen nachdenken. Worauf ist zu achten? Pfefferminzia hat sich in der Branche umgehört.

Klar ist: Der Markt der Altersvorsorgeprodukte ist in Bewegung und wird immer dynamischer, nicht nur in der bAV. „Ist es seit jeher in großen Kollektiven, speziell bei den arbeitgeberfinanzierten Varianten, normal, auf rabattierte Kollektivtarife zuzugreifen, kommt jetzt immer mehr Bewegung in den privaten Vorsorgesektor. Varianten mit verminderter oder ganz ohne Abschlussprovision und gleichzeitig erhöhter laufender Vergütung erfreuen sich wachsender Beliebtheit“, betont Netfonds-Versicherungsvorstand Kieper. Der Vorteil: Da somit die Kosten von Beginn an reduziert werden, erhöht sich in der Altersvorsorge die Rentenleistung für den Kunden.

Netfonds nennt als Vorreiter für attraktive Vergütungsformen unter anderem My Life, die Alte Leipziger, Canada Life, Condor, Helvetia und Standard Life. „Die laufende Betreuung des Kunden bekommt somit erstmals in Fondsrenten eine wirklich adäquate Aufwandsvergütung, bis zu ein Prozent auf den Nettoinventarwert in der Spitze“, unterstreicht Kieper.

Provisionsverbot noch nicht vom Tisch

Zeitgleich mit dem Aufkommen vielfältiger neuer Tarifversionen sind die klassischen Abschlussprovisionen auf Versicherungsprodukte nicht zuletzt durch die Einführung des Lebensversicherungsreformgesetzes (LVRG) seit Jahren im Sinken begriffen. Aufgrund der von der Bafin und Verbraucherschützern bemängelten hohen Kosten war zeitweise auch die Deckelung der Abschlussprovisionen bei der Lebensversicherung im Gespräch. Kritiker des Provisionsmodells sehen stets einen Interessenkonflikt, wenn der Berater vom Produktgeber für seine Produktempfehlung an den Kunden bezahlt wird. Auch aus diesem Grund stand in den letzten Monaten ein Paradigmenwechsel für einen Teil des Marktes zur Debatte.

Die Schockwellen waren enorm. Als die irische EU-Finanzkommissarin Mairead McGuinness im Dezember vergangenen Jahres im Rahmen ihrer Kleinanlegerstrategie ein Provisionsverbot für die Investitionen von Privatkunden in Kapitalanlageprodukte ankündigte, warnten viele Stimmen in der Branche vor erheblichen negativen Auswirkungen einer Beratungswüste, in der Beratung gegen Honorar für viele Bürger mit geringeren Einkommen nicht erschwinglich wäre. Die massive Kritik, nicht nur aus Deutschland, hat die EU-Kommission nun zu einer Art Moratorium gezwungen, auch wenn das Thema offensichtlich auf Brüsseler Regulierungsebene noch nicht endgültig ad acta gelegt wird (siehe Interview mit Votum-Vorstand Martin Klein am Ende dieses Artikels).

Honorarberatung nach wie vor nur ein zartes Pflänzchen

Beratung findet in Deutschland seit jeher hauptsächlich gegen Provision statt. Die ebenfalls gesetzlich regulierte (reine) Honorarberatung ist bis dato ein zartes Pflänzchen geblieben. Zum Jahresbeginn waren lediglich 306 Honorar-Finanzanlageberater (Paragraf 34h der GewO) und 333 Versicherungsberater (Paragraf 34d Absatz 2 der GewO) im Register des DIHK eingetragen. Viele Stimmen weisen jedoch nachdrücklich darauf hin, dass eine friedliche Koexistenz der Systeme auf dem Markt herrscht, der Kunde habe stets die Wahl.

„Wir sehen das Thema Provision und Honorar nicht dogmatisch. Vielmehr bieten wir das an, was in einzelnen Beratungsfeldern eine entsprechende Nachfrage erfährt – und in der Altersvorsorge ist dies hierzulande eine Beratung, die über Provisionen vergütet wird, wohlgemerkt bei komplett offengelegten Abschluss- und Vertriebskosten für den Kunden. Im Vermögensmanagement setzen wir bereits seit rund zehn Jahren auf ein honorarähnliches Modell“, lautet etwa ein fortschrittliches Branchenstatement, aus der Jahrespressekonferenz von MLP.

Zwar ist die reine Honorarberatung ebenfalls ein Weg, wird bisher aber im Markt nur marginal genutzt. So wollen laut aktuellem AfW-Vermittlerbarometer künftig lediglich 2 Prozent der Vermittler von Versicherungen ausschließlich über Honorare vergütet werden. Aber immerhin 22 Prozent wollen sie in Zukunft ausbauen und 18 Prozent ihr bisheriges Niveau an Honorarberatung beim Kunden beibehalten.

Bei einer bestimmten Kundenklientel ist die Nachfrage zweifellos vorhanden: „Unsere Kunden haben meist schon einmal schlechte Erfahrungen mit der Provisionsberatung gemacht und wollen bewusst unabhängig beraten werden. Es sind häufig Gutverdiener ab 50.000 oder 60.000 Euro brutto aufwärts, die ihre Altersvorsorge starten wollen, aber auch Menschen, die ein Erbe anlegen möchten“, sagt Ingo Schröder, Maiwerk Finanzpartner, der ausschließlich gegen Honorar berät und sowohl über die Erlaubnis nach Paragraf 34d Absatz 2 als auch Paragraf 34h verfügt.

Schröder identifiziert zwei Hauptgründe für die Nachfrage nach seiner Dienstleistung: „Der Kunde möchte eine beratungsoffene Dienstleistung haben, und er möchte an kostengünstigere Produkte herankommen.“ Für Makler, die sich für einen kompletten Abschied aus der Provisionsberatung interessieren, hat der Honorarberater einen Tipp: „Am besten ist es, sich einen Mentor, zu suchen, der dieses Modell bereits erfolgreich implementiert hat. Also lernen von erfolgreichen Unternehmern in der Honorarberatung.“ Zudem gibt es zahlreiche Weiterbildungsmöglichkeiten etwa von Maklerpools oder Versicherern.

Fazit

Transparenz ist das A und O jedweder Vergütungsvereinbarung. Wer begründen kann, dass seine Leistung als Berater die Vergütung wert ist, wird Zustimmung beim Kunden ernten. Es ist dem Markt zu wünschen, dass auch ohne staatliche Eingriffe die Entwicklung eines Tarifangebots in der Altersvorsorge mit verständlichen Vergütungsmodellen weiter fortschreitet.

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Oliver Lepold

Oliver Lepold ist Dipl.-Wirtschaftsingenieur und freier Journalist für Themen rund um Finanzberatung und Vermögensverwaltung. Er schreibt regelmäßig für Pfefferminzia und andere Versicherungs- und Kapitalanlage-Medien.

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