- Von Barbara Bocks
- 11.07.2025 um 11:54
Die mögliche Lösung für Deutschlands Altersvorsorgeprobleme führt aus Sicht des Vorsorge-Experten Josef Pilger an einem bestimmten Instrument nicht vorbei: nämlich dem Opt-out-Modell für die Altersvorsorge. „Ohne Opt-out wird Deutschland das Altersvorsorgeproblem nicht lösen können“, erklärt Pilger.
„Wenn wir diese Frage jetzt nicht lösen, taucht sie in 25 Jahren wieder auf“, erklärte der Experte für internationale Rentensysteme bei einem Pressegespräch zum Vergleich des deutschen Rentensystems mit denen anderer Länder.
Was bedeutet Opt-out in der Altersvorsorge?
In der Versicherungssprache beschreibt Opt-out ein Verfahren, bei dem Personen automatisch in ein Vorsorgesystem eingebunden werden – zum Beispiel in eine betriebliche Altersvorsorge (bAV) – und sich ausdrücklich abmelden müssen, wenn sie nicht teilnehmen wollen.

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Im Klartext: Wer nichts tut, spart automatisch fürs Alter. Und das wirkt.
Diese Methode nutzt ein bekanntes psychologisches Prinzip: Menschen handeln selten aus eigener Initiative, reagieren aber stark auf Voreinstellungen. Das Opt-out-Modell setzt genau hier an.
Aktuell besteht beim deutschen Rentensystem viel Reformbedarf. Denn die Realität hierzulande ist ernst: Drei von fünf Rentnerinnen und Rentnern erhalten unter 1.200 Euro im Monat. Altersarmut ist längst keine Randerscheinung mehr, sondern ein wachsendes soziales Problem.
„Altersarmut ist wie ein Stoßdämpfer am Auto“
Bei einem Altersvorsorgekonzept geht es laut Pilger daher im Kern auch darum, wie sozial Deutschland wirklich sein will.
Denn „Altersarmut sei wie ein Stoßdämpfer am Auto“, für die meisten nicht sichtbar, aber dennoch vorhanden. Aus seiner Sicht ist der Sozialvertrag mittlerweile abhandengekommen, da die Lebenserwartung der Deutschen stark gestiegen ist.
Deutsches Rentensystem ist weltweit nur Mittelmaß
Mit seiner aktuellen Altersvorsorgepolitik landet Deutschland weltweit nur im unteren Mittelfeld. Laut dem Mercer Global Pension Index 2024, einer Studie, die internationale Rentensysteme vergleicht, belegt Deutschland Rang 20, mit deutlichen Defiziten bei der Generationengerechtigkeit.
- Spitzenreiter im Index sind die Niederlande (84,8 Punkte), gefolgt von Island (83,4 Punkte) und Dänemark (81,6 Punkte).
- Deutschland erreicht nur 67,3 Punkte, deutlich hinter Ländern wie Schweiz (71,5 Punkte), UK mit 71,6 Punkten und Frankreich mit 68 Punkten.
Internationale Vorbilder zeigen, wie es besser geht
Was machen Länder, die im Mercer Index vor Deutschland liegen, eigentlich anders?
- Niederlande:
Das laut Mercer-Studie weltweit führende Rentensystem basiert auf einer flächendeckenden betrieblichen Altersvorsorge (bAV), verpflichtender Beteiligung, kollektiver Kapitaldeckung in professionell verwalteten Fonds und transparenter Kontrolle durch eine unabhängige Aufsicht. - Großbritannien:
Seit Einführung des Opt-out-Modells („Auto-Enrolment“) stieg die Beteiligung an der betrieblichen Altersvorsorge drastisch – von 55 Prozent im Jahr 2012 auf 86 Prozent im Jahr 2018 bei Männern und von 59 auf 88 Prozent bei Frauen. - Australien:
Dort liegt der verpflichtende Beitrag zur Altersvorsorge von Arbeitgebern mittlerweile bei 12 Prozent des Bruttogehalts. Das Ergebnis: Über 4 Billionen australische Dollar Kapitaldeckung, ein stabiler Rentenmarkt und kaum staatliche Zuschüsse. - USA: Wie die USA es geschafft haben, der größte Rentenmarkt der Welt zu werden? Das liegt aus Pilgers Sicht vor allem am Silicon Valley mit seinen Billionen US-Dollar an Risikokapital, das Anleger dort investiert haben.
„In Deutschland findet die falsche Diskussion statt“
Zurück nach Deutschland: Hier diskutieren Asset Manager und Versicherer seit Jahren über die ideale Form der Altersvorsorge – klassische Rente oder Aktienrente. Dabei geht es laut Pilger zunächst einmal um die viel grundlegendere Frage: „Wie bringt man Menschen überhaupt erstmal dazu, fürs Alter zu sparen, bevor man sich über Kapitalauszahlungen Gedanken macht?“

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