Eine Frau sitzt vor einem PC mit verschiedenen Aktien-Charts. © picture alliance / dpa-tmn | Christin Klose
  • Von Oliver Lepold
  • 14.07.2023 um 08:53
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Frauen wird oft ein anderes, langfristig erfolgreicheres Investieren nachgesagt. Stimmt das wirklich? Pfefferminzia fragt bei einer Investmentexpertin nach.

Einerseits umsichtiger, aber auch zaghafter. Andererseits klüger, aber auch zu risikoavers. Dennoch letzten Endes erfolgreicher. So ungefähr lauten typische Ansichten, wie Frauen im Gegensatz zu Männern beim Vermögensaufbau und der Geldanlage planen und agieren. Gibt es wirklich eine typisch weibliche Vorgehensweise, die sich signifikant von der männlichen unterscheidet? Das Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) hat mittels einer Studie festgestellt, dass Frauen tatsächlich anders investieren als Männer. Eine Haupterkenntnis: Frauen investieren weniger in Aktien als Männer.

„Frauen legen grundsätzlich großen Wert auf eine einfache Handhabung und hohe Transparenz. Es zahlt sich am Ende aus, dass sie langfristiger und gezielter investieren als Männer und die Anlage zudem weniger häufig wechseln“, interpretiert Ewa Hangül (Bild links), Associate Director Business Development Wholesale Germany des Investmenthauses abrdn, die Studienerkenntnisse. Laut einer Studie von JP Morgan Asset Management bevorzugen Frauen zudem nachhaltige Geldanlagen eher als Männer. „Frauen wollen verstehen, welche Anlage wirklich sinnvoll ist. Sie können sich folglich besser mit ökologischen und ethischen Geldanlagen identifizieren“, sagt Hangül.

Geringeres Interesse am Kapitalmarkt

Laut der Investmentexpertin verhalten sich Frauen oftmals defensiver in Bezug auf das Kapitalmarktrisiko. „Der Grund ist oft, dass sie insgesamt ein geringeres Interesse am Kapitalmarkt und an Finanzprodukten haben als Männer. Männer sind hier selbstbewusster, obwohl sie keinesfalls über mehr Wissen verfügen“, betont Hangül. Neben der Transparenz erwarten Frauen auch eine große Flexibilität bei Finanzprodukten. Entnahmen, Zuzahlungen und Beitragsferien sollten unkompliziert möglich sein. „Denn weibliche Lebensphasen fallen oftmals mit der Familiengründung und anschließender Teilzeitbeschäftigung anders aus“, erläutert Hangül.

Laut der abrdn-Expertin gibt es kaum Studien dazu, ob sich diese geschlechtsspezifischen Unterschiede angleichen, wenn ein höheres Alter erreicht wird. „Je älter und gesettelter Frauen sind und wenn sie bereits über ein Vermögen verfügen, dann ist auch ihr Bewusstsein schärfer, was die Altersvorsorge angeht“, sagt Hangül aus ihrer persönlichen Erfahrung heraus. Insbesondere wenn es um die Ruhestandsplanung geht. Dann sind sich die Kundinnen auch vermehrt bewusst, dass sie eine höhere Lebenserwartung als Männer haben. Laut Hangül herrscht dann auch eine höhere Investmentaffinität und ein klareres Risikobewusstsein vor.

Flexibilität und Transparenz herausstellen

Was heißt das für Beratende mit einer weiblichen Kundschaft? „Sie sollten auf die unterschiedlichen Lebensphasen von Frauen eingehen, die flexiblen Möglichkeiten aufzeigen, Ängste nehmen und gut aufklären. Im Idealfall wecken sie auch das Interesse, sich näher mit dem Thema auseinanderzusetzen“, rät Ewa Hangül. Schließlich gebe es heutzutage viele Möglichkeiten, sich im Internet über Videos oder Social Media in die Thematik einzuarbeiten. „Wenn die Beratenden es schaffen, mehr Interesse bei den Kundinnen zu wecken, wird auch deren Selbstbewusstsein gestärkt. Und das ist beim Investieren ganz wichtig“, sagt Hangül, die selbst seit 15 Jahren in der Finanzbranche arbeitet. Ihr Credo: „Wer einmal Einblick gewonnen hat, erkennt ein unfassbar spannendes Thema, das auch Spaß machen kann. Das sollte Frauen wirklich vermittelt werden.“

 Denn nicht mangelndes Finanzwissen, sondern das fehlende Interesse sei das Problem. Laut einer Studie des Bankenverbandes interessiert sich mehr als jede dritte Frau (37 Prozent) kaum bis gar nicht für Finanzen. „Und 60 Prozent der Frauen geben ihre finanzielle Verantwortung komplett an ihren Partner ab, das ist eine erschreckende Zahl!“, so Hangül. Daher verwundert es auch kaum, dass Frauen im Alter immer noch deutlich schlechter gestellt sind als Männer. Das Fazit der abrdn-Expertin lautet: „Das Interesse der Kundinnen muss geweckt werden, wir brauchen mehr Leidenschaft und Begeisterung für das Thema. Nicht nur für Frauen, auch und vor allem für junge Menschen.“

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Oliver Lepold

Oliver Lepold ist Dipl.-Wirtschaftsingenieur und freier Journalist für Themen rund um Finanzberatung und Vermögensverwaltung. Er schreibt regelmäßig für Pfefferminzia und andere Versicherungs- und Kapitalanlage-Medien.

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