Max Happacher, Vorsitzender der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) © DAV
  • Von Lorenz Klein
  • 24.07.2023 um 14:36
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Die deutschen Versicherungsmathematiker haben die Empfehlungen der Fokusgruppe Altersvorsorge teils scharf kritisiert. Zwar sei das „Bekenntnis zu mehr Reformwillen“ zu begrüßen, doch vor allem die Gleichstellung einer lebenslangen Rente „mit zeitlich befristeten Auszahlungsplänen“ ist für die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) ein rotes Tuch.

Der Vorsitzende der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV), Max Happacher, hadert mit den Beschlüssen der Fokusgruppe private Altersvorsorge – und übt teils scharfe Kritik an den Vorschlägen des Expertengremiums, die das Bundesfinanzministerium vergangene Woche in Berlin vorgestellt hat (wir berichteten).

In einer am Montag verbreiteten Stellungnahme spart die DAV zwar nicht mit Freundlichkeiten gegenüber der Fokusgruppe – so ist davon die Rede, dass die Ergebnisse „in einigen Punkten den richtigen Ansatz“ verfolgten – doch wie schon zuvor beim Versicherungsverband GDV herrscht bei den Aktuaren vor allem Katzenjammer.     

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So hält es Happacher zwar für begrüßenswert, dass die Fokusgruppe die Chancen des Kapitalmarktes für eine renditestärkere Altersvorsorge nutzen wolle. Allerdings sei man hier „über das Ziel hinausgeschossen“, wie Happacher kritisiert. Er meint damit, dass die Fokusgruppe einen vollständigen Garantieverzicht für einzelne Produkte vorgeschlagen hatte. „Auf Basis aktuarieller Erkenntnisse ist eine komplette Abkehr von der Garantie nicht notwendig und hier auch nicht zielführend“, entgegnet der oberste Vertreter der deutschen Aktuare. So dienten Teilgarantien immerhin als „Sicherheitsnetz“. Daher sollte es „eine gesunde Abwägung zwischen Renditechancen und damit einhergehenden Risiken geben“, so Happacher. Das gelte vor allem für Bevölkerungsgruppen, bei denen es um die Vorbeugung von Altersarmut sowie Lebensstandardsicherung gehe – und nicht in erster Linie um Renditeoptimierung.

DAV vergleicht Pläne zur Rente mit „staatlich geförderte  Altersarmut“

Ein Hauptkritikpunkt der DAV zielt zudem auf die Gleichstellung einer lebenslangen Rente mit zeitlich befristeten Auszahlungsplänen ab. „Das würde bedeuten, den zentralen Kerngedanken von Altersvorsorge aufzugeben“, kritisiert der DAV-Chef. Die Vorschläge liefen darauf hinaus, dass viele Rentner – mit teilweise hohem Pflegebedarf – plötzlich kein Geld mehr hätten, weil sie ein Auszahlungsmodell gewählt hätten, das nicht lebenslang garantiert sei. „Wenn das Modell der Rente in der privaten Altersvorsorge für die breite Bevölkerung untergraben wird, halten wir das für fahrlässig“, betont Happacher – und fügt hinzu: „Das käme staatlich geförderter Altersarmut gleich.“

Auch die Forderung der Fokusgruppe nach mehr Wechselmöglichkeiten in der Altersvorsorge wollen die Aktuare so nicht teilen. Eine maximale Flexibilität beim Anbieterwechsel in der Ansparphase könne nicht mit sehr langfristiger Anlagestrategie in Einklang gebracht werden, geben die Versicherungsmathematiker zu bedenken. Dazu Happacher: „Gerade beim angestrebten ökologischen Umbau der Gesellschaft sind aber genau solche Langfristinvestitionen gefragt. Kapitalanleger müssen hierfür Planungssicherheit haben. Das beschränkt größtmögliche Wechsel-Flexibilität.“

Zwar betont auch Happacher, dass Reformen „längst überfällig“ seien, gleichwohl sehe der DAV-Vorsitzende „im weiteren Prozess noch deutlichen Handlungsbedarf“. Die DAV stehe als „neutrale Instanz bereit, unser versicherungsmathematisches Know-how in den anstehenden Prozess einzubringen“, signalisiert Happacher Gesprächsbereitschaft mit der Politik. Die DAV könne „auf diesem Weg einen fairen Interessenausgleich aller Beteiligten erwirken, um die private Altersvorsorge nachhaltig auf solide Beine zu stellen“.

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Lorenz Klein

Lorenz Klein gehörte dem Pfefferminzia-Team seit 2016 an, seit 2019 war er stellvertretender Chefredakteur bei Pfefferminzia. Im Oktober 2023 hat Klein das Unternehmen verlassen, um sich neuen Aufgaben in der Versicherungsbranche zu widmen.

kommentare
wk@wk-assekuranz.de
Vor 10 Monaten

Naja, wenn ich mir so ansehe, welche mickrigen Rentenfaktoren bei Verrentung von Policen, gefühlt ganz extrem bei denen, die keine Kapitalabfindung vorsehen, der Kunde also gefangen ist, von Aktuaren und Treuhändern festgelegt werden, dann stellt sich mir die Frage, ob temporäre Rentenlösungen zur Altersarmut führen oder nicht viel eher massiv und gezielt nach unten kalkulierte Rentenfaktoren. Klar, gewisse Sicherheitspuffer sind bei Garantien unvermeidlich. Rechnet man aber genau nach, dann ergeben sich beim einen oder anderen Versicherer Zahlen, die auf 0% Rendite des Deckungsstocks gepaart mit einer Lebenserwartung nahe an oder sogar jenseits der 100 basieren. “Sicher” ist da nur, daß viele nicht mal das Vertragsguthaben zum Rentenbeginn über die Renten zurückbekommen werden. Selbst wenn der Versicherungsvertrag in der aktiven Phase gut gelaufen ist, läßt der Rentenfaktor die Vorstellung einer cleveren Altersversorgung platzen. Es entsteht unweigerlich der Eindruck, daß diese Zahlen stark die Interessen des jeweiligen Versicherers berücksichtigen. Für die Versicherer sicherlich ein sehr gutes Geschäft. Ist das echt die Aufgabe von “Aktuaren und unabhängigen Treuhändern”?

o.henkel@finanzgruen.de
Vor 10 Monaten

“Rentner – mit teilweise hohem Pflegebedarf” werden statisch nicht so alt – ich dachte, Aktuare würden sich mit solchen Phänomenen beruflich beschäftigen. Hier wird leider zu deutlich, dass es um die Eigeninteressen der Aktuare geht, denn die würden überflüssig, wenn es nur Auszahlpläne gäbe. Aber ich bin erstaunt, dass man sich noch nicht mal die Mühe macht, ein fachlich passendes Argument zu finden.
Und so nebenbei: Wo ist die Person, die bei erhöhtem Pflegebedarf mit der Altersrente wirklich auskommt? Das ist sicher die Ausnahme.

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wk@wk-assekuranz.de
Vor 10 Monaten

Naja, wenn ich mir so ansehe, welche mickrigen Rentenfaktoren bei Verrentung von Policen, gefühlt ganz extrem bei denen, die keine Kapitalabfindung vorsehen, der Kunde also gefangen ist, von Aktuaren und Treuhändern festgelegt werden, dann stellt sich mir die Frage, ob temporäre Rentenlösungen zur Altersarmut führen oder nicht viel eher massiv und gezielt nach unten kalkulierte Rentenfaktoren. Klar, gewisse Sicherheitspuffer sind bei Garantien unvermeidlich. Rechnet man aber genau nach, dann ergeben sich beim einen oder anderen Versicherer Zahlen, die auf 0% Rendite des Deckungsstocks gepaart mit einer Lebenserwartung nahe an oder sogar jenseits der 100 basieren. “Sicher” ist da nur, daß viele nicht mal das Vertragsguthaben zum Rentenbeginn über die Renten zurückbekommen werden. Selbst wenn der Versicherungsvertrag in der aktiven Phase gut gelaufen ist, läßt der Rentenfaktor die Vorstellung einer cleveren Altersversorgung platzen. Es entsteht unweigerlich der Eindruck, daß diese Zahlen stark die Interessen des jeweiligen Versicherers berücksichtigen. Für die Versicherer sicherlich ein sehr gutes Geschäft. Ist das echt die Aufgabe von “Aktuaren und unabhängigen Treuhändern”?

o.henkel@finanzgruen.de
Vor 10 Monaten

“Rentner – mit teilweise hohem Pflegebedarf” werden statisch nicht so alt – ich dachte, Aktuare würden sich mit solchen Phänomenen beruflich beschäftigen. Hier wird leider zu deutlich, dass es um die Eigeninteressen der Aktuare geht, denn die würden überflüssig, wenn es nur Auszahlpläne gäbe. Aber ich bin erstaunt, dass man sich noch nicht mal die Mühe macht, ein fachlich passendes Argument zu finden.
Und so nebenbei: Wo ist die Person, die bei erhöhtem Pflegebedarf mit der Altersrente wirklich auskommt? Das ist sicher die Ausnahme.

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