Anfang des Jahres wurde die Fokusgruppe Altersvorsorge errichtet – nun bringt sie erste Vorschläge. © Pixabay / Karlheinz Pape
  • Von Oliver Lepold
  • 14.09.2023 um 08:51
artikel drucken artikel drucken
lesedauer Lesedauer: ca. 02:30 Min

Die von der Bundesregierung eingerichtete Fokusgruppe Altersvorsorge hat Vorschläge für eine einfachere, flexiblere, transparentere und renditestärkere Aufstellung der privaten Altersvorsorge vorgelegt. Christian Nuschele, Vertriebsleiter von Standard Life, beurteilt die Vorschläge aus Praxissicht.

Pfefferminzia: Das Echo auf die Vorschläge der Fokusgruppe in der Branche war geteilt – von Meilenstein bis enttäuschend. Wie beurteilen Sie das Gesamtkonzept?

Christian Nuschele: Wir sprechen auch eher von einem Meilenstein. Das Gesamtkonzept ist sehr begrüßenswert, natürlich fehlen ein paar Details und an der ein oder anderen Stelle sollte nachgeschärft werden. Aber es geht für mich einen großen Schritt in die richtige Richtung.

Wie wird sich das Produktangebot an geförderten Altersvorsorgeprodukten nach einem Wegfall des 100-prozentigen Beitragserhalts in der Ansparphase entwickeln?

Es ist sicher einer der wichtigsten Vorstöße der Fokusgruppe, dass im Bereich der geförderten Produkte jetzt auch abgesenkte Garantien angeboten werden können. Der 100-prozentige Beitragserhalt war einer der größten Kritikpunkte der alten Riester-Förderung. Das Produktangebot wird sich sehr schnell erweitern. Wir rechnen damit, dass sich zwei alternative Garantieniveaus entwickeln, eine Variante komplett ohne Garantien. Wir hoffen dabei sehr, dass das garantielose Geschäft nicht ausschließlich den Fondsgesellschaften überlassen wird, sondern auch Versicherer Lösungen anbieten können. Denn auch hier gibt es sehr passende Lösungen. Wir sind gespannt, ob diesmal auch nicht in Deutschland ansässige Anbieter die Möglichkeit erhalten, Produktlösungen anzubieten. Bei der Riester-Rente war das für uns zum Beispiel gar nicht möglich.

Der Versichererverband GDV kritisiert, dass die Vorschläge die Bedeutung lebenslanger Renten und Mindestgarantien für die Menschen unterschätzen. Sehen Sie das auch so?

Gerade diese beiden Einwände unterstütze ich nicht. Wir wissen aus unseren Erfahrungen, dass die Mindestgarantie nicht notwendig ist, um eine sinnvolle Altersvorsorge aufzubauen. Sie ist aus der Zeit gefallen, das zeigt das Altersvorsorgegeschäft in der Neugeschäftsstruktur über alle Schichten ganz deutlich. Nur der garantiefreie Bereich wächst noch kontinuierlich.

Der Verrentungszwang hingegen ist das große Problem der ersten Schicht. Konzepte wie die Basisrente, die eine Zwangsrente und auch eine eingeschränkte Vererbbarkeit vorsehen, finden keine breite Akzeptanz. Menschen mögen keine Bevormundung oder Einschränkung des eigenen Vermögens. Daher ist es konsequent in die richtige Richtung gedacht, dies nicht mehr vorzuschreiben.

Wie stehen Sie zu einer stärkeren Flexibilisierung in der Auszahlungsphase?

Ich bin ein großer Freund der Ruhestandsplanung und der Idee eines festen Zahlungsstroms für die zwingend monatlich anfallenden Kosten. Dafür kommen die gesetzliche Rente bei Angestellten und Arbeitern oder die Pension bei Beamten infrage, auch Teile der aktuellen Form der betrieblichen Altersversorgung oder die Riester-Rente gehören dazu. Aber es muss eben auch Möglichkeiten geben, über Auszahlpläne und Teilauszahlpläne zu sprechen, um lebenslang renditeorientiert investiert bleiben zu können. Wir brauchen mehr Flexibilität in der geförderten Altersvorsorge.

Was halten Sie von den Plänen, die Altersvorsorge über sogenannte Altersvorsorgedepots den Kapitalmärkten zu überlassen? Sollten Kunden auch in illiquide Sachwertanlagen investieren dürfen?

Ich halte viel davon, die depotbasierten Modelle auch in den Kreis der geförderten Produktlösungen aufzunehmen, das ist konsequent und richtig. Wer keine biometrische Absicherung möchte oder braucht, kann sinnvollerweise auch Alternativen mit reinen Depotlösungen erwägen. Bei den illiquiden Sachwertanlagen tue ich mich aber schwer. Das ist vor allem eine Anlageklasse für Menschen, die es sich leisten können, Geld zurückzulegen, an das sie nicht sofort wieder herankommen müssen. Aber muss das steuerlich gefördert werden? Ich würde das eher kritisch sehen.

In welchen Bereichen wäre ein Staatsfonds die bessere Lösung?

Es gibt noch an vielen Stellen der Altersvorsorge Baustellen. Die erste Schicht etwa gehört reformiert, vieles ist noch gar nicht angedacht. Beim Umlagesystem oder bei der Angleichung von Beamtenpensionen und Arbeitnehmerrenten kann definitiv über ein kapitalgedecktes Verfahren und einen Staatsfonds nachgedacht werden. Aber auf der anderen Seite ist der ganze Rest der Altersvorsorge extrem beratungsintensiv und muss mit Expertenwissen gekoppelt werden. Daher ist die Altersvorsorge grundsätzlich richtig aufgehoben im Bereich der privaten Finanzwirtschaft. Wir haben mit den Vorschlägen der Fokusgruppe eine gute Grundlage für weitere Schritte. Ich bin sehr gespannt, wie der Entscheidungsprozess weiterlaufen wird.

autorAutor
Oliver

Oliver Lepold

Oliver Lepold ist Dipl.-Wirtschaftsingenieur und freier Journalist für Themen rund um Finanzberatung und Vermögensverwaltung. Er schreibt regelmäßig für Pfefferminzia und andere Versicherungs- und Kapitalanlage-Medien.

kommentare

Hinterlasse eine Antwort

Hinterlasse eine Antwort