Eine Mitarbeiterin steht in der Psychiatrischen Institutsambulanz an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Klinikum Braunschweig (Niedersachsen). © Julian Stratenschulte/dpa
  • Von Karen Schmidt
  • 12.03.2020 um 09:23
artikel drucken artikel drucken
lesedauer Lesedauer: ca. 01:35 Min

Gerade bei einer länger dauernden Psychotherapie bauen die Krankenkassen anscheinend Druck auf Patienten auf, bedrängen und bedrohen diese. Das zeigen rund 100 durch den Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten (BVVP) dokumentierte Fälle. Hier erfahren Sie mehr dazu.

Mischen sich die Krankenkassen in laufende Behandlungen zur Psychotherapie ein? Es sieht so aus. Laut Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten (BVVP) gebe es eine „zunehmende Krankenkasseneinmischung in psychotherapeutische Behandlungen“. 100 Fälle von Einschüchterung, Drohungen und Bedrängen habe man bereits dokumentiert.

Viele Kassen würden sich darüber hinwegsetzten, dass nur Ärzte und Psychotherapeuten die passende Therapie für ihre Patienten bestimmen könnten. „Dass unsere Patienten und Patientinnen durch Angestellte der Kassen, die zudem über keine entsprechende Ausbildung verfügen, zu nicht indizierten Therapiemaßnahmen gedrängt werden, sie von diesen verunsichert und eingeschüchtert werden – mit oft weitreichenden negativen Folgen für den Genesungsprozess, ist ein Skandal“, betont daher Verbandschef Benedikt Waldherr. „Dieser Missstand muss im Interesse der Gesundheit unserer Patienten dringend behoben werden.“

Besonders häufige Praxis sei es laut der dokumentierten Fälle, dass Patienten eingeschüchtert oder bedroht werden – dass etwa die Aufhebung einer Krankschreibung angekündigt oder tatsächlich vollzogen wird, sollten die Patienten den Anweisungen der Kassenmitarbeiter nicht folgen. Auch werde versucht, die Versicherten zu Reha-Maßnahmen zu drängen, auch wenn die behandelnden Therapeuten eine solche Maßnahme gar nicht empfehlen.

Auffällig sei auch die Häufung von Fällen einer Aufforderung der Krankenkassen an Patienten, andere Behandlungsangebote als die Richtlinienpsychotherapie zu nutzen. Betroffene könnten etwa an einer Gesundheitsberatung der Krankenkasse teilnehmen. Oder sich – trotz laufender psychotherapeutischer Behandlung – Fachärzten oder Psychiatern vorzustellen. In anderem Fällen würden die Betroffenen dazu gedrängt, einen Rentenantrag zu stellen.

Einige Zitate der behandelnden Ärzte

„Die Kassenmitarbeiterin rief den Patienten sogar mehrfach in der medizinischen Rehabilitation persönlich in seinem Zimmer an, bis die Oberärztin der Klinik dies stoppte. Der Patient war immer massiv verunsichert und verwirrt.“

Eine Patientin werde „regelhaft mit Anrufen der Sachbearbeiter konfrontiert mit der Frage, wie es ihr jetzt gehe. Der MDK wird als Druckmittel aufgebaut. Dies führte bereits in der Vergangenheit zu zunehmenden Ängsten der Patientin vor diesen Anrufen sowie massiven Zukunftsängsten“.

„Nachdem er (der Patient) eine massive Drohung zu Hause auf seinem AB von Seiten der Krankenkasse vorfand (unter der Gürtellinie, ohne Namen), traute er sich nicht mehr ans Telefon.“

„So viele Fälle, in denen Verunsicherung oder gar Angst erzeugt werden, das ist erschreckend und hat System“, zieht Waldherr ein Fazit. „Wir dürfen nicht zulassen, dass Krankenkassen systematisch derartige Grenzüberschreitungen vornehmen, offenbar insbesondere wenn Patienten lange arbeitsunfähig sind und Krankengeld beziehen.“

autorAutorin
Karen

Karen Schmidt

Karen Schmidt ist seit Gründung von Pfefferminzia im Jahr 2013 Chefredakteurin des Mediums.

kommentare

Hinterlasse eine Antwort

kommentare

Hinterlasse eine Antwort