Der Mehrwert der Digitalisierung im gesamten Beratungs- und Abwicklungsprozess gewinnt an existenzieller Bedeutung. © Mann Foto erstellt von freepik - de.freepik.com
  • Von Oliver Lepold
  • 14.07.2021 um 11:12
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Die Corona-Pandemie hat der Digitalisierung in der Versicherungswirtschaft einen Entwicklungsschub beschert. Inwieweit sind Beratung und Abwicklung in der Arbeitskraftabsicherung dadurch effizienter geworden? Hier erfahren Sie es.

Die Pflicht zu Kontaktbeschränkungen und das weitgehende Arbeiten im Homeoffice haben bei vielen Vermittlern ebenso wie bei den Versicherern den Berufsalltag deutlich verändert, aber nicht zu nachhaltigen Einbußen geführt. Die Beratung hat eher von der Ausnahmesituation profitiert, denn viele Kunden haben mehr Zeit, sich mit ihrer Absicherung zu beschäftigen. So eröffnen sich neue Chancen im Vertrieb.

Der Mehrwert der Digitalisierung im gesamten Beratungs- und Abwicklungsprozess gewinnt an existenzieller Bedeutung. Neben Videoberatung, Webinaren und dem kontaktlosen Abschluss mit digitaler Signatur führt auch die automatisierte Risikoprüfung zu mehr Effizienz und Zeitersparnis in der Branche. „Die Entwicklung weg vom Papierantrag hin zu dynamischen Online-Fragebögen ist im Vertrieb allerdings kein Selbstläufer und bedarf guter Kommunikation“, betont Norbert Piechowiak, Abteilungsdirektor Vertrieb Leben/bAV der Helvetia Leben.

Weniger Zeitaufwand, kaum noch Nachfragen nötig

Der wesentliche Vorteil: die Kundenberatung funktioniert – auch zur Freude der Kunden – deutlich schneller. Damit steigt der Ertrag pro Beratung für den Vermittler. In der Regel sind die Fragestellungen in der Online-Anwendung bei der Berufsunfähigkeitsversicherung und bei alternativen Produkten sehr ähnlich zu den Papierfragebögen. Je nach Antwort klappen dann dynamisch weitere spezifische Nachfragen auf, zum Beispiel zu gefährlichen Hobbys – ein großer Vorteil. „Ohne Handschriften entziffern zu müssen, erhalten wir nicht nur eine Top-Lesbarkeit und sparen uns viel Papier, sondern auch das spezifische Nachfragen aufgrund bestimmter Antworten. Fast alles kann sofort geklärt werden“, so Piechowiak. Bei Helvetia etwa wird jeder zehnte BU-Antrag rein digital erfasst und bearbeitet – eine Zahl, die der Versicherer künftig deutlich steigern möchte.

Unverzichtbar im digitalen Beratungsprozess ist die elektronische Unterschrift. Sie muss möglichst einfach in den Prozess integrierbar sein und die Sicherheit der Kundendaten garantieren. Hier expandierte die Verbreitung während der Pandemie allerdings in überschaubarem Maß. „Wir sind mit der digitalen Signatur in den Altersvorsorgetarifen gestartet und konnten bislang einen kleinen Schub verzeichnen“, sagt Piechowiak.

„Menschliche“ Risikoprüfung weiterhin unverzichtbar

Während des Kundengesprächs erfolgt in Sekundenschnelle eine automatisierte Risikoprüfung der digitalen Fragebögen . Zuschläge oder Ausschlüsse kann der Vermittler somit sofort ansprechen. Zumindest in vielen Fällen. Die Grenzen der digitalen Risikoprüfung liegen dort, wo die Komplexität größer wird – etwa bei multiplen Vorerkrankungen, die Arztberichte erfordern, deren Inhalt nicht ausreichend über die Fragebögen erfasst werden kann.

„Kombinationen verschiedener Risiken müssen nach wie vor von einem menschlichen Risikoprüfer begutachtet und eingeschätzt werden“, so Piechowiak weiter. Ein Beispiel: ein Kunde mit Rückenproblemen und Bluthochdruck, der gern Motocross fährt und eine einjährige Weltreise plant. Dennoch werden auch in diesen Fällen die restlichen Bedingungen vollständig eingegeben Der Risikoprüfer kann sich daher gut fokussieren. Auch hier wird also letztendlich Zeit gespart.

Automatisierte Risikoprüfung: schnellere, aber teilweise härtere Entscheidung

Eigene Online-Risikoprüfungstools bieten jedoch nicht alle Versicherer an. Vermittler nutzen auch gern unternehmensübergreifende vergleichende Tools wie vers.diagnose und RIVA zur Produktauswahl in der Biometrie. Dort sind jedoch nicht alle Versicherer gelistet.

„Das sind gute Anwendungen und Tools. Bei vers.diagnose gilt aber zum Beispiel für alle Versicherer ein einheitlicher Fragebogen. Die Einrichtung ist zudem relativ aufwändig; Helvetia hat sich daher für ein eigenes System im Vermittlerportal HelvetiaNet entschieden“, so der Abteilungsdirektor Vertrieb Leben/bAV.

Denn letztlich würden auch die versichererunabhängigen Tools nur die maximal durchschnittlich komplizierten Fälle problemlos beurteilen. Laut Helvetia lautet das Feedback aus dem Maklermarkt: Mitunter fallen die Entscheidungen aufgrund des Einheitsfragebogens kritischer aus, als wenn ein menschlicher Risikoprüfer einer Gesellschaft sie individuell trifft.

Wie sieht die Zukunft der Digitalisierung in der Arbeitskraftabsicherung aus? In der Risikoprüfung ist der Wandel bereits in vollem Gange, insbesondere was die Gesundheitsdaten betrifft. Denn gerade eine datenschutzrechtlich transparente und saubere Übertragung von Gesundheitsdaten vom Krankenversicherer an den BU-Versicherer ist für Kunden sehr hilfreich – sowohl bei Antragstellung, als auch im Leistungsfall. Ein digitales Gesundheitskonto mit den passenden Schnittstellen, das Gesundheitsdaten der Versicherten sektor- und fallübergreifend landesweit einheitlich speichert, wäre hier eine große Unterstützung. Analog zur Bankenwelt mit der EU-PSD2-Richtlinie könnte sich eine ungeahnte Dynamik entfachen.

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Oliver Lepold

Oliver Lepold ist Dipl.-Wirtschaftsingenieur und freier Journalist für Themen rund um Finanzberatung und Vermögensverwaltung. Er schreibt regelmäßig für Pfefferminzia und andere Versicherungs- und Kapitalanlage-Medien.

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