Berufstätige in London: In Großbritannien gibt es eine verpflichtende Betriebsrente bereits seit 2012. © picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Alberto Pezzali
  • Von Oliver Lepold
  • 09.03.2021 um 12:25
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Das Betriebsrentenstärkungsgesetz hat zwar neue Anreize für die betriebliche Altersversorgung geschaffen, zu einer stark verbesserten Verbreitung der bAV hat es jedoch nicht geführt. Die Stimmen mehren sich daher, die Unternehmen wie in manchen Nachbarländern zu einem bAV-Angebot zu verpflichten.

Mehr als drei Jahre alt ist das Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) mittlerweile. Es wurde mit einer Reihe neuer Fördermaßnahmen in erster Linie eingeführt, um die Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung (bAV) in Deutschland zu stärken und wird turnusgemäß in zwei Jahren evaluiert. Zwar werden mittlerweile mehr bAV-Verträge abgeschlossen. Laut Angaben des Branchenverbands GDV stieg die Zahl der bAV-Verträge 2019 um 150.000 auf 16,3 Millionen – die Zahlen für 2020 liegen noch nicht vor. Von einer flächendeckenden bAV-Verbreitung ist das aber noch weit entfernt.

Laut einer Studie der Marktforscher von Forsa im Auftrag von F.A.Z.-Fachverlag und Generali Deutschland liegt die bAV-Durchdringung in größeren Betrieben mit 250 bis 500 Mitarbeitern bei rund 50 Prozent. Im Top-Management nehmen laut der Studie 58,6 Prozent an bAV-Programmen teil, im mittleren Management 49,2 Prozent. Unabhängig von der Unternehmensgröße ist der Vorsorgebedarf der Beschäftigten gleich groß, doch offenbar fehlt es den Chefs kleinerer Betriebe immer noch an Motivation oder Wissen, um eine bAV anzubieten. Dort bleibt der Nachholbedarf am höchsten.

Opting-out-Klausel für Arbeitnehmer

Im Raum steht daher, dass die Bundesregierung die Evaluierung des BRSG 2023 dazu nutzen sollte, ein Obligatorium einzuführen. Also eine Verpflichtung für Arbeitgeber, ein bAV-Modell anzubieten, das der Arbeitnehmer aktiv über eine sogenannte Opting-out-Klausel abwählen kann. Dies wird auch von Experten zunehmend in die Debatte eingebracht. Denn im Ausland funktionieren solche Modelle gut, der überwiegende Teil der Arbeitnehmer nimmt die Klausel nicht in Anspruch.

Beispiel Großbritannien: Hier existiert ein schrittweise eingeführtes sogenanntes auto-enrolment. Seit 2016 gilt diese verpflichtende bAV auch für kleinere Betriebe mit bis zu 50 Angestellten. Wer über 22 Jahre alt ist, in Großbritannien arbeitet und im Jahr mehr als 10.000 britische Pfund verdient, erhält automatisch ein Angebot zur bAV zum Arbeitsvertrag dazu. Widerspricht er nicht, gilt dieses Angebot als abgeschlossen. Im Jahr 2017 nahmen lediglich 12 Prozent die Opting-out-Klausel in Anspruch, die Verbreitung der bAV stieg landesweit erheblich.

Nachbarländer weisen höhere bAV-Verbreitung auf

Auch in unseren Nachbarländern Niederlande und Dänemark gibt es ein bAV-Obligatorium mit Opting-out. Hier wird es über die Tarifparteien geregelt. Die Niederlande weisen dadurch inzwischen eine bAV-Teilnahmequote von 90 Prozent der Erwerbstätigen auf. In der Schweiz ist die betriebliche Altersversorgung sogar Pflicht, dort gibt es keine Möglichkeit, sie abzuwählen.

Die Diskussionen um ein Obligatorium in der bAV sollten die Vermittler jedenfals nachdenklich stimmen. Denn wie groß wird der Beratungsbedarf der Unternehmen noch sein, wenn es zu einer allgemein verpflichtenden bAV-Lösung kommt? Das wird sicher von den Rahmenbedingungen abhängen. Und von den beteiligten Partnern. Versicherer, Vermittler und vor allem die Unternehmen sollten die Chance jetzt unbedingt nutzen, die freiwillige betriebliche Altersversorgung nicht nur am Leben zu erhalten, sondern auch zu stärken. Indem sie für eine wie auch immer finanzierte bAV werben und die Mitarbeiter mit einer leistungsstarken bedarfsorienterten Lösung ausstatten.

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Oliver Lepold

Oliver Lepold ist Dipl.-Wirtschaftsingenieur und freier Journalist für Themen rund um Finanzberatung und Vermögensverwaltung. Er schreibt regelmäßig für Pfefferminzia und andere Versicherungs- und Kapitalanlage-Medien.

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