Björn Thorben M. Jöhnke ist Fachanwalt für Versicherungsrecht und Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. © Kanzlei Jöhnke & Reichow
  • Von Björn Thorben M. Jöhnke
  • 11.07.2019 um 10:15
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Stellen Versicherte einen Leistungsantrag, etwa bei Berufsunfähigkeit, so holen die Versicherer häufig eine pauschale Schweigepflichtentbindung beim Kunden ein, um den Antrag genauer zu prüfen – doch diese dürften „teilweise nicht datenschutzkonform sein“, sagt Rechtsanwalt Björn Thorben Jöhnke. In seinem Gastbeitrag verweist er auf ein kniffliges und zugleich umstrittenes Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart.

Die erforderliche Einwilligung kann gemäß 213 Absatz 2 VVG vor Abgabe der Vertragserklärung erteilt werden. Die betroffene Person ist vor einer Erhebung personenbezogener Daten zu unterrichten, sie kann der Erhebung widersprechen. Auf dieses Widerspruchsrecht ist die betroffene Person gemäß Absatz 4 dabei hinzuweisen. Die betroffene Person kann nach Absatz 3 jederzeit verlangen, dass eine Erhebung von Daten nur erfolgt, wenn jeweils in die einzelne Erhebung eingewilligt worden ist.

Nach Paragraf 213 Absatz 4 VVG ist die betroffene Person auf diese Rechte hinzuweisen.

Verstoß des Versicherers gegen Paragraf 213 VVG

Für das OLG Stuttgart sind die vom Versicherer eingeholten ärztlichen Auskünfte zwar nach Paragraf 213 Absatz 1 VVG grundsätzlich von der „Schweigepflichtentbindungserklärung“ gedeckt, die Datenerhebung war dennoch ungerechtfertigt.

Aus dem Fragebogen war erkennbar, auf welche Ärzte und Klinik sich seine Einwilligungserklärung bezieht. Der genaue Umfang der Datenerhebung war jedoch nicht erkennbar. Dem Betroffenen muss die Notwendigkeit der Datenerhebung erläutert werden. Es muss erkennbar sein, welche Informationen der Versicherer einholen will. Erst so kann der Versicherungsnehmer überhaupt der Datenerhebung zustimmen oder ihr widersprechen. Nur einzelne Auskunftsstellen zu benennen ist nicht konkret genug. Demnach liegt keine wirksame Einwilligung im Sinne von Paragraf 213 Absatz 1 VVGvor.

Daneben hat der Versicherer gegen die Paragrafen 213 Absatz 2 bis Absatz 4 VVG verstoßen: So fehlt ein ausreichender Hinweis auf eine Widerspruchsmöglichkeit. Sodann sollte dem Versicherungsnehmer hinreichend Zeit gegeben werden, um seine Entscheidung darüber zu treffen, ob und inwieweit er von seinem Widerspruchsrecht Gebrauch macht.

OLG Stuttgart: Kein grundsätzliches Verwertungsverbot

Trotz Verstoßes des Versicherers gegen Paragraf 213 VVG konnte dieser laut OLG Stuttgart erfolgreich den Rücktritt erklären und die Krankschreibung zur Grundlage seiner Rücktrittserklärung machen.

Dem steht kein grundsätzliches Verwertungsverbot entgegen. Vielmehr ist durch eine umfassende Interessenabwägung der maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu entscheiden, ob dem Versicherer die Ausübung seiner Rechtsposition nach Treu und Glauben verwehrt sein soll. Das arglistige Verhalten des Versicherungsnehmers spreche dabei nicht ausschlaggebend gegen das Schutzbedürfnis des Versicherungsnehmers.

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Björn Thorben M.

Björn Thorben M. Jöhnke

Björn Thorben M. Jöhnke ist Gründer und Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte.

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