Christian Nuschele ist Vertriebsleiter Deutschland bei Standard Life. © Standard Life
  • Von Oliver Lepold
  • 21.08.2021 um 12:49
artikel drucken artikel drucken
lesedauer Lesedauer: ca. 02:60 Min

Christian Nuschele, Vertriebsleiter Standard Life, spricht im Interview über die Wiederanlage ablaufender Lebensversicherungen, wie sich Makler das darin liegende Potenzial im Rahmen der Ruhestandsplanung zunutze machen können und welche Lösungen für eine Wiederanlage in Frage kommen.

Pfefferminzia: Wie groß ist das Potenzial ablaufender Versicherungsverträge im Markt?

Christian Nuschele: Eine GDV-Statistik besagt, dass jedes Jahr 82 bis 84 Milliarden Euro Versicherungsleistungen von Lebensversicherungen ausgezahlt werden. Die reinen Ablaufzahlen von Kapitalleistungen betrugen 2019 rund 44 Milliarden, im vergangenen Jahr waren es 41 Milliarden Euro. Davon werden nach Umfragen hochgerechnet etwa 13,5 Prozent wieder angelegt, also nur etwa ein Siebtel des Kapitals. Natürlich werden auch viele Verträge genutzt, um Darlehen zurückzuführen oder das Geld an Kinder oder Enkel weiterzugeben. Dennoch ist das ungenutzte Potenzial für Vermittler riesig, worauf wir seit langem hinweisen. Wir schätzen es auf über 30 Milliarden Euro.

Wie können Vermittler sicherstellen, dass sie rechtzeitig ihre Kunden kontaktieren und dabei auch Fremdverträge im Auge haben?

Da sind wir rasch beim Thema Finanz- und Ruhestandsplanung. Wer dazu systematisch berät, hat diese Gelegenheiten automatisch im Blick und auch Zugang zu modernen Lösungen. Man kann heute nicht mehr einfach für ablaufende 100.000 Euro eine Sofortrente kaufen, die bis zum Lebensende eine Summe X sicher gewährt. Das aktuelle Zinsumfeld macht es fast unmöglich, hier noch Renditen zu erwirtschaften. Man muss sich fragen, wann braucht der Kunde das ganze Geld wirklich? Viele Altverträge laufen vor dem Ruhestand ab, zum Beispiel mit 60 oder 62 Jahren. Dabei könnten noch wesentlich länger Rendite erwirtschaftet werden und Überschussanteile und Bonis mitgenommen werden, falls die Verwertung des Vertrags nach hinten zu verlegt werden kann. Mit einer guten Finanzplanungssoftware kann man das visualisieren.

Wie risikoavers sind denn die angehenden Rentner tatsächlich?

Weniger als man denkt. Es heißt ja immer, 65-jährige haben keinen Risikoappetit mehr. Wir machen andere Erfahrungen. Natürlich will keiner sein Geld verjubeln oder verlieren. Aber die Lebenserwartung ist in diesem Alter noch relativ hoch. Die Erkenntnis, dass man ein gewisses kontrolliertes Risiko eingehen muss, um diesen Zeitraum bestmöglich zu nutzen, setzt sich langsam durch.

Welchen Vorlauf für die Wiederanlage empfehlen Sie?

Das sollten Makler schon Jahre vorher im Lauf einer guten Ruhestandplanung ansprechen. Dazu gehört auch, sich einen Überblick zu verschaffen, wo welche Gelder herkommen, wann sie verfügbar sind und wann sie wofür benötigt werden. In diesem Moment beginnt der Planungsprozess, der auch die Wiederanlage entsprechend vorbereiten sollte. Einen festen Termin gibt es nicht, aber Makler sollten sich so früh wie möglich Klarheit verschaffen, was beim Kunden zu welchem Zeitpunkt passiert.

Wie informieren Sie Berater über die Fälligkeiten?

Wenn wir unsere Kunden ankündigen, dass ein Versicherungsvertrag fällig wird, informieren wir auch gleichzeitig den Berater. Ein solcher Hinwies sollte aktiv genutzt werden, um anzufragen, ob der Kunde eventuell noch mehr demnächst ablaufende Verträge bei anderen Versicherern besitzt. Meist ist das bei ihm oder dem Ehepartner der Fall. Man sollte hier auch an die oft übersehen betriebliche Altersvorsorge denken. Und eine dann nicht mehr zu leistende Sparrate kann in vielen Fällen auch anderweitig genutzt werden – zum Beispiel für eine Versicherungslösung.

Welche Lösungen für eine Wiederanlage empfehlen sich besonders?

Da ist die Bandbreite riesig und die Produkte sind mittlerweile so gut geworden, dass es jede Menge Möglichkeiten gibt, mit einer vernünftigen Lösung die Finanzplanung abzudecken. Damit meine ich natürlich nicht die Sofortrente oder das Zwischenparken auf Bankkonten mit Strafzinsen, was leider noch allzu häufig geschieht. Kunden investieren besser nochmals in einen Rentenversicherungsvertrag oder in ein Depot oder denken an Immobilien. Immer attraktiver werden innovative Lebensversicherungslösungen wie ‚Weitblick’. Denn damit kann ein Auszahlplan vereinbart werden und bis zum hundertsten Lebensjahr ein Versicherungsmantel genutzt werden, der die Erträge vor der Steuer schützt. Hier können auch bequem Nachfolgeregelungen und Vermögensübertragungen getroffen werde.

Welche Marketing- oder Vertriebsaktionen planen Sie für das Wiederanlage-Thema?

Wir überarbeiten gerade unsere komplette Kommunikation rund um die Wiederanlage. Das betrifft die rein technische Seite der Formulierung und Bereitstellung von Informationen wie Beratungsunterlagen für das Kundengespräch. Wir stellen aber auch gerade Pakete zu den Ablaufleistungen für Kundeninformationen zusammen. Wir haben zudem ein Trainingsprogramm für bereits ausgebildete Ruhestandsplaner aufgelegt, die ihre Arbeit noch erfolgreicher gestalten wollen. Da geht es natürlich auch um Wiederanlage. Wir stellen zudem Tools zur Verfügung, die das Verhalten von MyFolio-Portfolien simulieren und bei der Risikoeinschätzung unterstützen. Bis zum Herbst werden wir hier ein umfassendes Paket für Makler geschnürt haben.

Sie hatten angekündigt, das Neugeschäft bis 2022 zu verdoppeln. Mit welchen Maßnahmen soll das konkret gelingen?

Wir setzen nach wie vor im Vertrieb auf drei wesentliche Schwerpunktthemen: einmal der Aufbau der Altersvorsorge über ratierliches Sparen, dann das Thema Anlage von Geldern, die noch auf Tagesgeldkonten bei Banken schlummern, und schließlich die Ruhestandsplanung mit dem Thema Erben, Schenken und Vermögensgestaltung. Wir werden im Herbst auf der Produktseite bei nachhaltigen Anlagen nachlegen und auch unsere Fondspalette insgesamt ein Stück weit überarbeiten. Derzeit liegen wir beim Neugeschäft 36 Prozent über Plan. Das Jahresziel steht und wir sind absolut zuversichtlich, dass uns das auch gelingt.

autorAutor
Oliver

Oliver Lepold

Oliver Lepold ist Dipl.-Wirtschaftsingenieur und freier Journalist für Themen rund um Finanzberatung und Vermögensverwaltung. Er schreibt regelmäßig für Pfefferminzia und andere Versicherungs- und Kapitalanlage-Medien.

kommentare

Hinterlasse eine Antwort

kommentare

Hinterlasse eine Antwort

Pfefferminzia Logo rgb
Suche
Close this search box.
Zuletzt hinzugefügt
„Honorarberatung ist hochflexibel“
„Lass mal reden“ mit Honorarkonzept

„Honorarberatung ist hochflexibel“

„In fünf Jahren sterben Online-Abschlussstrecken aus“
„Lass mal reden“ mit Ralf Pispers, Personal Business Machine (PBM)

„In fünf Jahren sterben Online-Abschlussstrecken aus“

Skip to content