In Zeiten hoher Inflation stehen Kunden ängstlich der Altersvorsorge gegenüber. © Freepik / Wirestock
  • Von Oliver Lepold
  • 28.09.2023 um 12:39
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Viele Kunden befürchten, dass die anhaltend hohe Inflation ihre private Altersvorsorge schmälert. Kurzfristige Umschichtungen in Festgelder sind jedoch keine gute Idee. Beraterinnen und Berater sind mit großem Informationsbedarf konfrontiert.

Laut einer Umfrage der Meinungsforscher von Yougov im April 2023 befürchten drei Viertel der befragten Bürger, dass die Inflation ihre Altersvorsorge gefährdet. Zuletzt lag die Teuerungsrate im Juli und August bei über 6 Prozent. Für das Gesamtjahr 2023 rechnet das Statistische Bundesamt mit einer Inflation von 5,1 Prozent. „Die Menschen sorgen sich, die hohen Inflationswerte stehen aktuell in keinem Verhältnis zu den prognostizierten Renditerückflüssen ihrer privaten Altersvorsorge“, bestätigt Christian Nuschele, Vertriebschef der Standard Life für Deutschland und Österreich.

Christian Nuschele, Vertriebschef für Deutschland und Österreich bei Standard Life

Zwar sei zumindest mittelfristig wieder mit erträglicheren Preissteigerungen zu rechnen. Doch mit den Verbraucherpreisen stiegen auch die Zinsen erheblich. Die Europäische Zentralbank (EZB) erhöht den Leitzins mehrfach, zuletzt Mitte September auf 4,5 Prozent – das höchste Zinsniveau seit Start der Währungsunion im Jahr 1999. Viele Banken überbieten sich mit Tages- und Festgeld zu attraktiven Konditionen. Nicht wenige Sparer überlegen daher, Gelder aus ihrer Altersvorsorge umzuschichten.  

Verunsicherung bei Kunden

„Die steigenden Zinsen verursachen uns Bauchschmerzen. Wir sehen, dass zum ersten Mal seit langem in erheblichem Maß wieder Festgelder abgeschlossen werden“, so Nuschele. Dies sei zwar verständlich, weil sich eine Rendite von 3,5 Prozent nach der langen zinslosen Zeit für dieVerbraucher gut anfühle und sie sich sicher wähnten. „Aber bei einer Inflation von 6 Prozent ist der Inflationsausgleich natürlich nicht gegeben, die Menschen verlieren Kapital.“ Solche Angebote seien sinnvoll für Menschen, die Geld kurzfristig parken und sehen wollten, wohin sich die Märkte entwickeln. Aber keinesfalls für eine langfristige Altersvorsorge, die keine bauchgesteuerten Entscheidungen, sondern stabile Fundamente erfordere. 

Die zunehmenden Lebenshaltungskosten führen zu einem weiteren Trend, mit dem sich Berater auseinandersetzen sollten – der zunehmende Kundenwunsch nach Beitragsfreistellungen oder Beitragsreduzierung. „Hier sollte die Flexibilität moderner Altersvorsorgelösungen voll ausgenutzt werden, um über schwierige Phasen zu kommen“, rät Nuschele – proaktive Gespräche mit den Kunden vorausgesetzt.  

Viel Aufklärungsbedarf

„Beratende erkennen derzeit viel Aufklärungs- und Beratungsbedarf bei ihren Kundinnen und Kunden“, sagt der Vertriebsexperte der Standard Life. Sie sollten ohnehin bestehende Altersvorsorge-Konzepte alle anderthalb bis zwei Jahre einem Check unterziehen, eine komplette Hinterfragung sei jedoch nicht zielführend. Es ist sinnvoller, wichtige Stellschrauben im Konzept zu überprüfen und zum Beispiel zu fragen: „Sind neue Produktkategorien zielführend? Wurden eventuell Fonds gewählt, die nun nicht mehr passen? Wie passt das Konzept mit den aktuellen Kapitalmarktprognosen der Experten zusammen?“.  

Standard Life erhält derzeit viele Rückmeldungen zu einem schwierigen Markt. Der Rat des Finanzhauses an Beratende: „Lassen Sie sich nicht entmutigen und klären Sie auf. Akzeptieren Sie, dass es sich für manche Kunden so anfühlt, als könnten sie sich aktuell nicht für langfristige Lösungen entscheiden.“ Wichtig dabei sei es, nicht ewig zu warten, bis sich Kunden selbst zurückmeldeten. „Bleiben Sie verbindlich in Kontakt und sprechen Sie sie spätestens nach einem halben Jahr wieder an“, betont Nuschele. 

 Versicherungsbranche reagiert verhalten

Während bei den Banken die Zinsen steigen, hängen viele Versicherer noch hinterher. „Die Überschussbeteiligungen bei den Kapitalanlagen in Versicherungsprodukten werden zwar tendenziell ein wenig steigen,  mit riesigen Sprüngen ist aber erst einmal nicht zu rechnen“, so Nuschele. Hier warte die Branche ab, ob die Zinswende wirklich nachhaltig von Dauer sei. 

Der garantierte Rechnungszins liegt weiterhin bei 0,25 Prozent. Er wird von langfristigen Faktoren beeinflusst, hier wird es laut Nuschele kurzfristig auch zu keiner Änderung kommen. Es brauche durch die Mechanismen der traditionellen Garantieprodukte Zeit, die Entspannungen auf der Zinsseite weiterzugeben. Standard Life geht hier einen anderen Weg und hat den Verrentungszins in diesem Jahr zuletzt auf 2,75 Prozent erhöht. Als Tochter eines irischen Versicherers ist Standard Life nicht an die deutschen Regeln der Deckungsrückstellungverordnung gebunden und kann hier ein flexibles System verfolgen. Sollten die Zinsen wieder fallen, werden auch die Produktkonditionen entsprechend angepasst. Für Kunden, die aktuell in Rente gehen, ändert sich aber nichts, da die Rente lebenslang in voller Höhe garantiert ist. 

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Oliver Lepold

Oliver Lepold ist Dipl.-Wirtschaftsingenieur und freier Journalist für Themen rund um Finanzberatung und Vermögensverwaltung. Er schreibt regelmäßig für Pfefferminzia und andere Versicherungs- und Kapitalanlage-Medien.

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