Ping-An-Standort in Schanghai, China. © picture alliance/Chen Jialiang/Imaginechina/dpa
  • Von Redaktion
  • 22.07.2019 um 08:32
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Ping An ist einer der größten und innovativsten Versicherer der Welt. Im Interview erklärt Innovationsvorstand Jonathan Larsen, warum bisherige Stärken wir 1,4 Millionen Versicherungsagenten, eine starke Marke und eine große Kapitalkraft an Bedeutung abnehmen werden, wie sich der Konzern darauf vorbereitet und neue Ideen entwickelt, mit denen sich viel Geld verdienen lässt.

Diese Interview-Serie wurde uns freundlicherweise von Roger Peverelli, Reggy de Feniks und Walter Capellmann zur Verfügung gestellt. Sie sind Initiatioren der Digital Insurance Agenda, eine Veranstaltung, die mehrmals im Jahr mit hochkarätigen Rednern über aktuelle Trends in der Versicherungswirtschaft informiert. Die nächsten DIA Konferenzen finden im November 2019 in München und im Dezember 2019 in Hongkong statt.

Erzählen Sie uns bitte ein wenig über die Geschichte und Geschäftsstrategie von Ping An.

Jonathan Larsen: Ping An wurde 1988 von Peter Ma als Versicherungsunternehmen gegründet. Schnelldurchlauf zu den Jahren 2007 bis 2008: Als der größte Teil der Welt auf die Finanzkrise fixiert war, beobachtete Ma, wie Alibaba und Tencent in China in rasantem Tempo etwas aufbauten, was sich im Wesentlichen zu einer neuen digitalen Ökonomie entwickelte. Nachdem er Ping An zu einem traditionellen Finanzdienstleistungskonzern aufgebaut hatte, wurde Ma klar, dass die digitale Ökonomie ganz neue Herausforderungen stellte, aber auch ganz neue Chancen bot. Und so beschloss er, das Unternehmen in einen technologiegetriebenen Konzern zu verwandeln.

Der erste Schritt war eine komplette Verlagerung aller Geschäfte und Prozesse in die Cloud. Dafür mussten alle alten Plattformen im gesamten Unternehmen ersetzt werden. Ping An startete auch eine technologiegetriebene Forschungs-Initiative. Zu den Beispielen gehören das automatisierte Underwriting, die biometrische Gesichtserkennung zur Kundenauthentifizierung, und wir haben unsere eigene Voiceprint-Technologie entwickelt. Damit können wir die Millionen Anrufe, die täglich bei uns eingehen, in Text verwandeln, um sie maschinell verarbeitbar zu machen.

Und wir haben viele neue Unternehmen geschaffen – Good Doctor etwa ist mit rund 250 Millionen registrierten Nutzern die größte Telemedizin-Plattform der Welt. Darüber hinaus gibt es ungefähr 15 weitere Unternehmen in unterschiedlichen Sektoren und Entwicklungsstadien, die auf unseren Finanzökosystemen sowie den breiteren Ökosystemen aufbauen.

Wie stößt man einen derart grundlegenden Wandel an?

Larsen: Dazu muss man verstehen, wie Peter Ma die Zukunft betrachtet. Auf der einen Seite glaubt er daran, dass die digitale Ökonomie die Relevanz der Fähigkeiten und Kompetenzen, die uns in der Vergangenheit Erfolg beschert haben – unsere 1,4 Millionen Versicherungsagenten, eine starke Marke und eine große Kapitalkraft – immer weiter reduzieren wird. Auf der anderen Seite werden unsere Fähigkeiten, große Mengen an Daten zu sammeln und diese so zu nutzen, dass wir wirklich werthaltige Angebote zur Erfüllung der Kundenbedürfnisse entwickeln können, zunehmend an Bedeutung gewinnen. Diese Erkenntnis ist der Motor, der unsere Zukunftsstrategien antreibt.

Der Erfolg von Alibaba und Tencent hat einen Eindruck davon vermittelt, in welche Richtung sich die Versicherungsindustrie entwickeln könnte.Welche neuen Paradigmen lassen sich daraus ableiten?

Larsen: Es muss uns zunächst klar sein, dass ein Großteil der Innovation heutzutage von außerhalb der Finanzindustrie kommt. Vor 30 Jahren war das noch ganz anders. Die Internetökonomie hat sich in den vergangenen 15 Jahren auf vielfältige und bedeutende Art und Weise transformativ erwiesen. Als Erstes haben wir die Neudefinition der Zielmärkte. Denken Sie an die Zeit zurück, als Travis Kalanick Uber gegründet hat. Wer waren seine Wettbewerber? Die gelben Taxis in San Francisco? Nein. Tatsächlich bot er Mobilität für jedermann und an jedem Ort – genau wie Airbnb. Der zweite Vektor ist die Umwandlung von Daten in Wert. Das ist das Modell, das Google und Facebook verfolgen. Gemeinsam repräsentieren sie 66 Prozent der globalen Datenmonetisierung, sind also wirklich Paradebeispiele. Der dritte Vektor ist die Neudefinition der Kundenerfahrung. Sie brauchen sich nur Netflix und Spotify anzusehen, um zu erkennen, wie man traditionelle Erfahrungen komplett verändert. Der vierte Vektor ist die radikale Automatisierung. Denken Sie an Amazons Warehouse-Infrastruktur oder Toyota, was Fertigung, Innovation und Automatisierung betrifft. Und der letzte Vektor ist die Fähigkeit, sich mithilfe von Technologie und Ökosystemen Zugang zu einem breiten Kompetenzspektrum zu verschaffen. Hier sind Salesforce und Android ausgezeichnete Beispiele. Alle diese neuen Vektoren stammen aus völlig anderen Industrien als der Finanzdienstleistung.

Wie spiegelt sich das in Ping Ans Strategie wider?

Larsen: Bei Ping An denken wir ausschließlich in Ökosystemen. Wir denken an den gesamten Finanz-Umsatzpool, den gesamten Immobilien-Umsatzpool, den Automobil- und den Gesundheits-Umsatzpool. Und wir denken an Sektoren, in denen wir heute noch gar nicht aktiv sind. Unterhaltung, zum Beispiel, und der aufstrebende Sektor der staatlichen Dienstleistungen.

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