Ping-An-Standort in Schanghai, China. © picture alliance/Chen Jialiang/Imaginechina/dpa
  • Von Redaktion
  • 22.07.2019 um 08:32
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Ping An ist einer der größten und innovativsten Versicherer der Welt. Im Interview erklärt Innovationsvorstand Jonathan Larsen, warum bisherige Stärken wir 1,4 Millionen Versicherungsagenten, eine starke Marke und eine große Kapitalkraft an Bedeutung abnehmen werden, wie sich der Konzern darauf vorbereitet und neue Ideen entwickelt, mit denen sich viel Geld verdienen lässt.

Nennen Sie uns doch mal ein Beispiel nennen, wie Sie vorgehen.

Larsen: Klar. Vor ungefähr zwei Jahren haben wir einen Anteil von 54 Prozent an AutoHome erworben, einem Unternehmen, das an der Nasdaq notiert ist. 30 Prozent aller Autoverkäufe in China finden auf AutoHome statt. Im Anschluss an unseren Kauf haben wir als Erstes nach Möglichkeiten gesucht, Finanzdienstleistungen in das Angebot der Website zu integrieren. Im Kfz-Bereich sind das offensichtlich Finanzierungs- und Versicherungslösungen. Also überlegten wir uns, wie wir das in großem Maßstab machen konnten. Zweitens wollten wir darunter eine Datenschicht einziehen, um diese Daten einerseits zu Forschungszwecken an die Autohersteller verkaufen zu können, und andererseits den Kunden Mehrwert zu bieten. Im Gesundheitsmarkt haben wir einen ganz anderen Ansatz verfolgt.

Nämlich?

Larsen: Die staatliche Krankenversicherung in China deckt 50 Prozent der Kosten ab, alles andere müssen Patienten selbst bezahlen. Der private Gesundheitsmarkt wächst mit einer Rate von 35 Prozent, und damit wären die meisten Unternehmen wohl schon glücklich und zufrieden. Peter Ma sah aber größeres Potenzial in dem Markt, denn Chinas Gesundheitssystem muss sich grundlegend verändern. Es gibt dort nämlich weder eine medizinische Erstversorgung noch Allgemeinmediziner. Sie gehen in ein Krankenhaus, warten den halben Tag und werden dann von Abteilung zu Abteilung geschickt – oft zur falschen. Wenn Sie Kopfschmerzen haben, landen Sie am Ende beim Neurologen. Das ist ganz offensichtlich kein nachhaltiges System angesichts des steigenden Wohlstands, einer alternden Bevölkerung und dem allmählichen Auftreten von chronischen Krankheiten. China muss Technologie einsetzen – und das ist der Regierung auch voll bewusst. Deshalb haben wir die Telemedizin-Plattform Good Doctor entwickelt. Inzwischen hat sie 250 Millionen registrierte Nutzer. Außerdem bietet Ping An der staatlichen Krankenversicherung umfangreiche Unterstützung.

Wie funktioniert diese Kooperation in der Praxis?

Larsen: Die Kommunen kontrollieren die staatlichen Krankenhäuser und sind für die Verteilung der Zahlungen aus dem staatlichen Krankenversicherungswesen verantwortlich. Durch die Einführung von Analytics-Prozessen zur besseren Kontrolle von Versicherungsbetrug und einer unkontrollierten Medikamentenverschreibung können wir im ersten Jahr im Allgemeinen eine Kosteneinsparung von 10 Prozent realisieren. Von da aus können wir daran arbeiten, auf aktuarieller Basis Teile des Risikos mitzuversichern. Darüber hinaus können wir nach Wegen Ausschau halten, um einen Beitrag zur Reduzierung der Gesundheitskosten zu leisten. Sehr wichtig sind hier zum Beispiel Programme, die die Wahrscheinlichkeit einer Diabetes-Erkrankung senken. Was in den USA allein für Diabetes ausgegeben wird, entspricht Chinas derzeitigen kompletten medizinischen Pro-Kopf-Ausgaben. Wenn man an die Kosteneskalation denkt, wird also klar, dass China diese Lösungen braucht.

Kommen wir mal zur Neudefinition der Nutzererfahrung. Wie sieht das bei Ihnen aus?

Larsen: Wir haben viel getan, um die Nutzererfahrung komplett papierlos zu gestalten. Selbst unsere 1,4 Millionen Agenten fassen praktisch nie ein Blatt Papier an. Ihre Einstellung erfolgt digital, ihre Schulung ist zu 80 Prozent digital, die Kundensegmentierung, die Lead-Generierung, das CRM – alles ist digital. Und die Kundenerfahrung selbst ist es natürlich auch. Wir haben eine App entwickelt, die alle relevanten Dienstleistungen Ping Ans bündelt. Bisher haben wir 100 Millionen registrierte Nutzer. Das hat die Art und Weise verändert, wie Dienstleistungen erbracht werden. Die Schadenregulierung erfolgt noch am selben Tag, und nicht erst nach einer Woche oder noch später, wie es früher der Fall war. Stellen Sie zum Beispiel sich vor, Sie hätten einen Autounfall.

Und nun?

Larsen: Sie machen jetzt mit Ihrem Mobiltelefon Fotos von dem Schaden. Wir haben eine Künstliche Intelligenz, in der jedes Autoteil eines jeden Fahrzeugmodells gespeichert ist. 70 Prozent der Schäden sind geringfügig, und das bedeutet, dass wir den Schaden in Echtzeit überprüfen und bewerten können. Wir machen dem Kunden, sofern wir uns auf unsere Daten verlassen können, Echtzeitangebote. Wir sagen: „Die Reparatur wird 800 Dollar kosten“ Und dann kann der Kunde wählen: Entweder er entscheidet sich für die Schadenregulierung und die Reparatur durch eine unserer Vertragswerkstätten, oder er kümmert sich selber um die Reparatur und wir überweisen ihm den Betrag auf sein E-Wallet. 30 Prozent der Kunden nehmen das Geld, sodass wir erhebliche Prozesseinsparungen realisieren können, und das macht die ganze Sache für alle Beteiligten effizienter. Diese Schadenmanagement-Plattform bieten wir als einen Third-Party-Service übrigens auch anderen Versicherungsunternehmen an.

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