Holger Schäfer forscht als Senior Economist für Beschäftigung und Arbeitslosigkeit am Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln. © IW Köln
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  • 08.11.2022 um 11:10
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Mit dem Bürgergeld möchte die Regierung das Arbeitslosengeld II, auch als Hartz IV geläufig, ersetzen. Empfänger müssten unter anderem deutlich weniger Sanktionen fürchten und könnten viel mehr Vermögen anrechnen als bisher, sagt Holger Schäfer, Ökonom des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Köln. Doch was als Hilfe gedacht sei, wandle sich damit „zu einer bedingungsarmen Leistung, die im schlimmsten Fall Arbeitslosigkeit verfestigt“, warnt Schäfer in seinem Gastkommentar.

Das Bürgergeld soll das schlechte Image von Hartz IV verbessern, soweit zumindest der Plan der Ampel-Regierung. Offen bleibt, was am bisherigen System falsch war – tatsächlich war es sehr wirksam. Bis kurz vor der Corona-Pandemie sank die Arbeitslosenquote auf einen Tiefstand von 5,5 Prozent. Davon haben auch Hartz-IV-Empfänger profitiert. Lediglich die statistische Erfassung ukrainischer Geflüchteter seit Juni hat verhindert, dass die Anzahl der erwerbsfähigen Leistungsempfänger auf einem historischen Tiefstand liegt.

Aussetzung von Sanktionen vermindern die Chance auf Arbeit

Nach der Reform werden Arbeitslose, die im ersten halben Jahr eine schwere Pflichtverletzung begehen, nicht mehr sanktioniert. Die Forschung zeigt aber: Droht der Staat mit Geldkürzungen, erhöht das die Wahrscheinlichkeit, wieder Arbeit zu finden. Gerade am Anfang der Erwerbslosigkeit gibt es also keinen Grund, am Prinzip der Sanktionierung etwas zu ändern.

In der längeren Frist haben Sanktionen allerdings auch negative Nebenwirkungen – dem muss der Staat mit gezielter Förderung begegnen. Eine Abschwächung der Sanktionen kann daraus nicht abgeleitet werden, denn dadurch würde die unmittelbare Chance auf Eingliederung in Arbeit vermindert.

Signal: Mit der Arbeitssuche Zeit lassen

Zusammen mit der ebenfalls geplanten zweijährigen Karenzzeit für die Anrechnung von Vermögen und die Prüfung der Angemessenheit der Unterkunftskosten ergibt sich ein falsches Signal. Neu ins System eintretenden Leistungsempfängern wird der Eindruck vermittelt, dass sie sich mit der Arbeitssuche ruhig Zeit lassen können, dass sie sich in aller Ruhe im System einrichten können und dass zunächst nicht allzu viel von ihnen erwartet wird. Dieser Eindruck ist fatal, denn bei vielen Leistungsempfängern droht Langzeitarbeitslosigkeit. Mit jedem Tag, der ohne Arbeit verbracht wird, schwinden die Chancen darauf, einen Job zu finden. Damit erschwert der Gesetzgeber die Arbeitssuche und erhöht die Wahrscheinlichkeit von Langzeitarbeitslosigkeit.

Hier können Sie die komplette Stellungnahme Schäfers herunterladen zum Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Zwölften Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze – Einführung eines Bürgergeldes (Bürgergeld-Gesetz) Bundestags-Drucksage 20/3873 und weitere Anträge, IW-Report, Nr. 58, Berlin

Über den Autor

Holger Schäfer forscht als Senior Economist für Beschäftigung und Arbeitslosigkeit am Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln. Schäfer ist seit 2000 am IW tätig. Er studierte Wirtschaftswissenschaften an der Universität Bremen.

 

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