Martin Stenger, Director Sales, Business Development Insurance & Retirement Solutions – Germany, Austria & Switzerland bei Franklin Templeton. © Franklin Templeton
  • Von Oliver Lepold
  • 20.02.2024 um 08:37
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Die Abfrage der Nachhaltigkeitskriterien von Kunden hakt oftmals in der Praxis. Martin Stenger, Vertriebsleiter für das Geschäft mit Versicherungen bei Franklin Templeton, schildert, wie die Vermittlung nachhaltiger Fonds im Vertrieb funktioniert und was dies für die private Altersvorsorge bedeutet.

Pfefferminzia: Mit welchem Ansatz vermitteln Sie nachhaltige Investments?

Martin Stenger: Wir gehen hier sehr ökonomisch heran. Wie der EU Green Deal ja schon besagt, geht es darum, Kunden vor möglichen Risiken aus ESG zu bewahren. Wir müssen daher diese Risiken in der Anlage richtig bewerten. Als „Enabler“ gehen wir noch weiter und definieren Zielwerte, die andere Unternehmen in die Lage versetzen, zum Beispiel Emissionen einzusparen. Jede eingesparte Tonne CO2 ist für uns ein Wettbewerbsvorteil, nicht nur für Preisbildung und Produktart, sondern auch für die gesamte Produktionsstrecke. Wir investieren daher in ein größeres Universum und unterstützen und weisen vielen Unternehmen den Weg zur Transformation für mehr ESG.

Kostet ein Beharren auf strengen ESG-Kriterien, zum Beispiel auf Artikel-8-Fonds, den Anleger am Ende Rendite?

Sie müssen immer die Zeiträume mit einbeziehen. Natürlich können sich nachhaltige Anlagen auch mal schlechter entwickeln über eine gewisse Zeit hinweg. Aber in der Vorsorge geht es um Langfristigkeit und bei dem Thema ESG geht es nicht zuletzt auch darum, in welcher Zukunft wir leben wollen. Eine normale Portfoliodiversifikation über die verschiedenen Assetklassen reicht nicht aus. Das Risiko wird zusätzlich über eine intensive ESG-Analyse  reduziert. Die Universität Hamburg hat kürzlich eine Studie herausgebracht, dass derart ausgewählte Titel robuster sind und sich in gewissen Marktkonstellationen schneller erholen. Das ist ein durch aktives Management erzeugter Portfolio-Mehrwert.

Wie beurteilen Sie die verpflichtende Abfrage der Nachhaltigkeitskriterien bei den Kunden? Offenbar funktioniert das nicht besonders gut.

Das ist vollkommen richtig. Die Berater klagen, dass die Abfrage zu komplex sei. Aber Umfragen zeigen auch, dass viele Kunden von sich aus kein Interesse zeigen. Kein Kunde sagt, heute brauche ich eine Vorsorge, daher kaufe ich eine Fondspolice und diese will ich auch noch nachhaltig. Kunden kennen aber ihr Vorsorgeziel: Sie möchten im Alter versorgt sein. Unsere Aufgabe ist es, ihnen transparent und verständlich zu erläutern, dass der Pfad zum Vorsorgeziel über nachhaltige Wege führen kann und so vielleicht sogar besser zu erreichen ist. Wir sollten das gleiche Selbstverständnis haben wie ein Energieberater, der anhand des Energieausweises Entscheidungen vorschlägt.

Wenn der Kunde die Präferenzabfrage ablehnt, können ihm dennoch nachhaltige Produkte angeboten werden. Eine Win-win-Situation?

Nicht für Vermittler. Das nennen wir Green- oder ESG-Bleaching, die Umkehrung von Greenwashing. Das ist zwar möglich, aber langfristig für Vermittler nachteilig. Sie müssen das sehr sauber dokumentieren, damit sie nicht juristisch angreifbar sind. Und sie tun ihrem Maklerbestand nichts Gutes, denn wenn dieser in zehn oder auch 50 Jahren veräußert werden soll, werden sie für die Teile, bei denen damals in der ESG-Präferenzabfrage nein angekreuzt wurde, Abschläge hinnehmen müssen. Viele denken daran heute noch nicht.

Was sollten Vermittler bei nachhaltigen Investments für die private Altersvorsorge beachten?

Nachhaltigkeit und Altersvorsorge sind beide langfristig angelegt. Sie sollten sich klar machen, dass wir etwa in 25 Jahren womöglich ganz anders über Klimawandel und Co. sprechen werden und die Regulierung eher noch zunehmen wird. Einerseits haben sie Risiken zu vermeiden, andererseits müssen sie relativ sicher mit Anpassungskorrekturen über die Laufzeit rechnen. Daher ist es vorteilhaft, jetzt auf ein nachhaltiges Kerninvestment für die Altersvorsorge zu setzen und möglichen künftigen ESG-Anpassungskorrekturen aus dem Weg zu gehen. Das war eigentlich auch die Ursprungsidee zu den ESG-Kundenpräferenzen, ist dann allerdings in der Komplexität versenkt worden. Wenn wir nun bald neue Kategorien erhalten, werden Vermittler viel besser in diese Denkweise kommen.

Welche Rolle spielt die Moral, mit der Nachhaltigkeit „das Richtige“ zu tun?

Wir sollten nicht den Moralapostel spielen, das Thema vom Podest herunterholen und entpolarisieren. Ich rate, machen Sie sich bewusst, warum Sie über ESG in das Investment hineingehen, denn dort werden die größten Zahlungsströme in Zukunftsinvestitionen stattfinden. Die USA haben im Inflation Reduction Act ein Riesenpaket aufgelegt und die EU hat im Haushalt ebenfalls eine enorme Summe vorgesehen, um diese Schritte zu gehen. Je normaler Sie damit umgehen, desto weniger polarisiert ESG auch in Ihrer Beratung. Und desto selbstverständlicher wird es auch für Ihre Kunden.

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Oliver Lepold

Oliver Lepold ist Dipl.-Wirtschaftsingenieur und freier Journalist für Themen rund um Finanzberatung und Vermögensverwaltung. Er schreibt regelmäßig für Pfefferminzia und andere Versicherungs- und Kapitalanlage-Medien.

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