Was darf's denn sein? Ganz im Sinne einer reich gedeckten Tafel setzen Budget­tarife in der betrieb­lichen Krankenversicherung darauf, dass jeder Mitarbeiter am besten weiß, was ihm selbst guttut. © picture alliance / Hans Eder/Shotshop
  • Von Lorenz Klein
  • 25.08.2023 um 13:08
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An sogenannten Budgettarifen führt in der betrieblichen Krankenversicherung derzeit kaum ein Weg vorbei. Der Clou: Jeder Mitarbeitende darf seinen Gesundheitsschutz weitestgehend nach eigenen Wünschen gestalten – was da genau drinsteckt, erfahren Sie hier.

Die betriebliche Krankenversicherung (bKV) wächst und wächst: Ende 2022 boten 22.300 Unternehmen ihren Mitarbeitenden eine Krankenzusatzversicherung an – das ist ein sattes Plus von 22,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr, wie der PKV-Verband im Februar meldete. Die Zahl der bKV-Nutznießer stieg im gleichen Zeitraum um 12 Prozent auf 1,8 Millionen (siehe Grafik). Setzt man diese Zuwächse ins Verhältnis, lässt sich ablesen, dass zunehmend auch kleinere Betriebe mit weniger Beschäftigten die bKV nutzen.

Ein weiterer Trend ist, dass die sogenannten Budgettarife immer größeren Zulauf erfahren. Das Prinzip dahinter: Mit einem bestimmten Jahresbudget können Angestellte aus einem bunten Leistungskatalog, den der Arbeitgeber vorgibt, diejenigen Angebote auswählen, die ihren Wünschen entsprechen. Das können zum Beispiel Vorsorge-, Heilmittel- oder Zahnersatzleistungen sein.

„Budgettarife treffen gerade den Nerv von Angestellten und Arbeitgebern“, sagt Ralf Marschke von der Vertriebs- und Verwaltungsplattform Xempus. „Sie können als Game Changer bezeichnet werden, weil sie für Arbeitnehmer einfach zu verstehen und individualisierbar sind“, so Marschke. Auch für den Arbeitgeber seien Budgettarife sehr einfach in der Abwicklung, da der Chef oder die Chefin nicht auf jeden Angestellten einzeln eingehen müsse, sondern lediglich einen fixen Betrag pro Mitarbeiter bereitstellt. Der Versicherungsmakler und bKV-Experte Andreas Trautner teilt diese Sicht: „Der Arbeitgeber muss sich nicht auf einen oder mehrere Leistungsbereiche festlegen, was immer dazu führt, dass sich ein Teil der Mitarbeitenden nicht mitgenommen fühlt.“

Alle preisen die „höhere Erlebbarkeit“

Von diesem Win-win-Effekt der Budgettarife profitiert auch die Gothaer Krankenversicherung. Die Nachfrage habe „in den letzten Jahren deutlich zugenommen“, sagt Sarah Hoch, Leiterin betriebliche Krankenversicherung. Man habe das Neugeschäft im Budgettarifsegment im Vergleich zum Vorjahr „deutlich steigern“ können. Hoch führt diese Entwicklung auf die „höhere Erlebbarkeit“ der Budgettarife für die Versicherten zurück. „Erlebbarkeit“ ist so ein Buzzword, auf das auch Andreas Trautner gerne zurückgreift: „Ein guter Budgettarif entfaltet die maximale Breitenwirkung in der Erlebbarkeit bei den Mitarbeitenden, da sich jeder darin wiederfindet, egal ob krank oder gesund.“ Und es stimmt ja: Ob professionelle Zahnreinigung, die Kostenübernahme für Brille oder Kontaktlinsen, die Erstattung nicht verschreibungspflichtiger Medikamente – da dürfte für jeden etwas Sinnstiftendes dabei sein.

Das heißt aber nicht, dass jeder Budgettarif automatisch zum Selbstläufer avanciert. Denn der Wettbewerb ist hart – und um diesen bestehen zu können, müssen die Gesellschaften Zugeständnisse machen – etwa, indem sie Vorerkrankungen und laufende Behandlungen mitversichern. „Grundsätzlich sehen alle Budgettarife eine Annahme ohne Ausschlussdiagnosen vor. Das ist Branchenstandard und auch richtig so, will man den Grundgedanken einer bKV nicht konterkarieren“, sagt Andreas Trautner. Das findet auch Sarah Hoch von der Gothaer richtig so. Als der Versicherer im vergangenen Jahr die neuen „MediGroup FlexSelect“-Budgettarife einführte, betonten die Kölner eigens, dass sie auf Ausschlussdiagnosen verzichteten und zudem alle Berufe versicherten. Alle Berufe? Hierzu merkt Experte Trautner kritisch an, dass dies möglicherweise dazu führen könnte, dass auch Hochrisikobranchen aufgenommen werden, „die von vornherein deutlich über dem Durchschnitt liegende Leistungskurven haben“. Wie dies mittel- und langfristig in der Kalkulation seriös berücksichtigt werden könne, werde die Zukunft zeigen, so Trautner.

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Gefahren durch eine mögliche Antiselektion hält Gothaer-Frau Hoch indes für beherrschbar: „Wir verzichten auf Preiskämpfe und achten im Rahmen der Versicherbarkeit der Kollektive auf eine Risikostreuung, zum Beispiel bei der Mindestkollektivgröße und auch bei der Tarifgestaltung.“ Die langjährige Beitragsstabilität seit Einführung der Tarife habe die Annahmepolitik der Gothaer bestätigt, so Hoch weiter.

Unzählige Stellschrauben für Versicherer

Um im Wettbewerb zu bestehen, bieten sich den Versicherern unzählige Stellschrauben. Ein echter Kenner der verästelten Produktlandschaft ist Malte Kamph, Abteilungsleiter KV beim Hamburger Analysehaus Ascore Das Scoring. Sein Haus nahm im vergangenen Jahr erstmals eine marktweite Bewertung der bKV-Budget­tarife vor. Er bescheinigt dem Segment einen regelrechten Qualitätsschub: Denn fast alle Tarife, die in der zweiten Jahreshälfte 2022 auf den Markt strömten, hat Ascore mit fünf oder sechs Kompassen bewertet. Wobei sechs Kompasse die Höchstbewertung darstellt. Von den älteren Tarifen mussten sich hingegen noch 60 Prozent der Budgettarife mit einer Bewertung von vier Kompassen begnügen.

Seite 2: Auch gute Tarife unterscheiden sich

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Lorenz Klein

Lorenz Klein gehörte dem Pfefferminzia-Team seit 2016 an, seit 2019 war er stellvertretender Chefredakteur bei Pfefferminzia. Im Oktober 2023 hat Klein das Unternehmen verlassen, um sich neuen Aufgaben in der Versicherungsbranche zu widmen.

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