- Von Andreas Harms
- 24.07.2025 um 12:36
Wie intensiv muss sich ein Versicherer um einen stornogefährdeten Vertrag kümmern? Wann ist der Vertrag wirklich verloren und kann der Versicherer die vorab gezahlte Provision zurückfordern? Darüber entschied das Oberlandesgericht München (Aktenzeichen: 7 U 2993/23e).
Das Urteil fiel bereits am 27. November 2024. Doch das Oberlandesgericht (OLG) berichtete erst jetzt darüber, und die auf Versicherungen spezialisierte Anwaltskanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte griff es ebenfalls auf.
Zum Fall: Ein Vermittler arbeitete über einen Mehrfach-Agenturvertrag unter anderem für jenen Versicherer, der ihn später verklagen sollte. Diesen Vertrag kündigte er zum 30. April 2021.
Im Jahr 2020 vermittelte er einem Kunden eine fondsgebundene Rentenversicherung. Die sollte eigentlich zum 1. Januar 2021 beginnen und 39 Jahre laufen. Der monatliche Beitrag betrug 300 Euro. Doch der Kunde verschob mehrfach den Start und zahlte keinen einzigen Beitrag. Im Februar 2022 kündigte er schließlich den Vertrag, der somit noch nicht mal richtig begonnen hatte.
Über 6.000 Euro Provision
Zuvor hatte er mit einer Mitarbeiterin des Versicherers gesprochen. Sie hatte ihm klargemacht, dass man den Beginn nicht noch einmal weiter verlegen könne und er deshalb kündigen und einen neuen Vertrag abschließen solle. Für Fragen verwies die Mitarbeiterin den Kunden an den Vermittler, doch der war zu der Zeit schon gar nicht mehr für den Versicherer tätig.

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Der Versicherer hatte aber schon Provisionen in Höhe von 4.071,60 Euro für den Abschluss und 2.106,00 Euro als Vorschuss für die Jahrescourtagen gezahlt. Die wollte er nun zurück. Der Vermittler wollte das nicht zahlen und stattdessen die für die Provision hinterlegten Sicherheiten von 697,05 Euro zurückbekommen. Er selbst habe den Vertrag nicht mehr retten können, weshalb das Aufgabe des Versicherers gewesen sei. Man traf sich vor Gericht.
Das Landgericht München stellte sich im Juni 2023 auf die Seite des Vermittlers (31 O 12004/22). Der klagende Versicherer habe nicht ausreichend dargelegt, dass er nicht zu vertreten hat, dass der Vertrag nicht loslief. Das ist doppelt verneint, deshalb andersherum: Der Versicherer hätte nachweisen müssen, dass er keine Schuld an dem Debakel hat. Er habe den Vertrag „nicht ausreichend nachbearbeitet“, bemängelte das Gericht. Er hätte sich selbst bemühen müssen, den Vertrag zu retten.
Paragraf 92 schlägt Paragraf 87 im HGB
Das sah aber das OLG München in der Berufung anders. Es verwies auf Paragraf 92 Absatz 4 im Handelsgesetzbuch (HGB). Der regelt: „Der Versicherungsvertreter hat Anspruch auf Provision (§ 87a Abs. 1), sobald der Versicherungsnehmer die Prämie gezahlt hat, aus der sich die Provision nach dem Vertragsverhältnis berechnet.“
Demnach sei die Provision gar nicht fällig geworden, weil keine Prämien bezahlt wurden. Das Landgericht hatte sich hingegen auf Paragraf 87a Absatz 3 HGB gestützt.
Außerdem habe sich der Versicherer ausreichend und ernsthaft um den Vertrag bemüht, indem er den Beginn mehrfach verschoben hatte. Weitere Maßnahmen seien nicht sinnvoll gewesen.
Revision ließ das OLG übrigens nicht mehr zu, denn – und das ist wichtig – das Urteil habe keine grundsätzliche Bedeutung. Es sei eine Frage des Einzelfalls gewesen.
Das betont auch Rechtsanwalt Jens Reichow von Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in seinem Online-Beitrag, indem er urteilt: „Die Entscheidung des OLG München macht deutlich, dass stets konkret geprüft werden sollte, ob überhaupt ein Provisionsrückforderungsanspruch besteht und ob der Versicherer seiner Nachbearbeitungspflicht nachgekommen ist. Vorliegend wurde die Nachbearbeitungspflicht des Versicherers zwar als erfüllt betrachtet, es kommt jedoch stets auf die genauen Umstände des Einzelfalles an.“

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