AfW-Vorstand Norman Wirth kritisiert den aktuellen Entwurf der EU-Kleinanlegerstrategie. © AfW
  • Von Oliver Lepold
  • 10.11.2023 um 09:07
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AfW-Vorstand Norman Wirth kämpft an vorderster Front gegen ein Provisionsverbot für Makler, das über die EU-Kleinanlegerstrategie in den deutschen Markt kommen könnte. Pfefferminzia befragte den Rechtsexperten zum aktuellen Sachstand.

Pfefferminzia: Im Mai dieses Jahres wurde der Entwurf der EU-Kleinanlegerstrategie veröffentlicht. Ein pauschales Provisionsverbot ist zwar nicht enthalten, aber die Tücke liegt im Detail. Woraus genau könnte man ein Provisionsverbot ableiten? 

Norman Wirth: Die Retail Investment Strategy (RIS) der EU enthält Provisionsverbote für das reine Ausführungsgeschäft (Execution-Only) und im Falle eines Verstoßes gegen das bestmögliche Interesse des Kunden. Aus Sicht der Versicherungsmaklerinnen und -makler ist Artikel 30 Absatz 5b der RIS aber das größte Problem. Denn daraus könnte man ein Provisionsverbot für unabhängig agierende Vermittler von Versicherungsanlageprodukten ableiten. Diese wären dann im Wettbewerb gegenüber gebundenen Vertretern massiv benachteiligt und diskriminiert. Makler wären praktisch nicht mehr wettbewerbsfähig. Wir verlangen daher, dass dieser Passus gestrichen wird. Es gibt aber noch mehr zu kritisieren. 

Was stört Sie am Entwurf noch? 

Wirth: Wir haben bereits im Sommer eine umfangreiche Stellungnahme verfasst. Wir kritisieren eine fehlerhafte Ausgestaltung eines Best-Interest-Tests, die einseitige Fokussierung auf einen Kostenvergleich, ohne den hinreichenden Blick auf die Wünsche und Bedürfnisse der Kleinanleger, unscharfe Anforderungen an eine Portfolioberücksichtigung, unrealistische Zeitpläne und vieles mehr. Der Schwerpunkt unserer Arbeit in Brüssel und Berlin liegt aber auf dem benannten möglichen Provisionsverbot, da wir nun einmal der mitgliederstärkste, politisch aktive Maklerverband in Deutschland sind und damit gerade bei diesem Thema eine besondere Verantwortung haben. Wir haben insofern unterstützend ein rechtswissenschaftliches Gutachten bei Professor Hans-Peter Schwintowski von der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität Berlin erstellen lassen. Er stellt darin fest, dass die geplante Regelung nicht mit europäischem Recht vereinbar ist und folglich nichtig wäre.  

Der BVK hatte die Kritik des AfW und einen Vorstoß in Brüssel zunächst als möglicherweise kontraproduktiv eingestuft. Nun aber erklärte der BVK auf der DKM, dass er selbst auf Streichung des Artikel 30 Absatz 5b der RIS drängt, um ein Provisionsverbot zu verhindern. Wie beurteilen Sie das? 

Wirth: Das Gutachten, welches der von mir hochgeschätzte Professor Brömmelmeyer für den BVK erstellt hat, kommt zu anderen Schlüssen als Professor Schwintowski in dem Gutachten für den AfW und den nahezu identischen Ergebnissen eines vom österreichischen Maklerverband in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten. Wir begrüßen sehr, dass nun auch der BVK erkannt hat, dass in Brüssel Gefahr in Verzug hinsichtlich eines Provisionsverbots droht und hiergegen nun entsprechend Stellung bezieht. Denn allein die Tatsache, dass angesehene Fachleute bei der Wertung des Richtlinienentwurfs zu unterschiedlichen Einschätzungen kommen, bedeutet, dass Handlungsbedarf besteht. Uns droht andernfalls ein Zustand der Rechtsunsicherheit, der im Endeffekt zu extremen Nachteilen für die Maklerschaft und die Kunden führen könnte.  

Was ist zuletzt in Brüssel passiert? 

Wirth: Aktuell hat sich die Berichterstatterin des EU-Parlaments, die Französin Stéphanie Yon-Courtin, erstaunlich deutlich gegen die Pläne der Kommission gewandt. Die Frage ist nun, ob sie eine Mehrheit für ihre Haltung organisieren kann. Das ist noch offen. Wir bringen daher weiterhin sehr aktiv unsere Argumente vor. Und das nicht nur über schriftliche Stellungnahmen. Wir führen ständig Gespräche – mit Politikern in Deutschland und auf EU-Ebene, direkt oder auch über unseren europäischen Dachverband FECIF. Wir stimmen uns dabei natürlich mit guten Partnern in Deutschland und auf EU-Ebene ab. Wir haben sehr gute Argumente, aber wir können uns nicht zurücklehnen.  

Die Europawahlen stehen im Juni 2024 an. Ist damit zu rechnen, dass die Kleinanlegerstrategie zuvor verabschiedet wird? Mit einem neuen zuständigen Kommissar sieht die Lage womöglich anders aus? 

Wirth: Das ist seriös aktuell nicht vorherzusagen. Der bereits begonnene Gesetzgebungsprozess wird durch die Europawahl nicht unterbrochen, höchstens verzögert. Ein Wechsel in der Kommission dürfte zunächst nicht allzu relevant sein. Die Kommission hat ihren Vorschlag schon auf den Tisch gelegt. Aber für Trilog-Verhandlungen, also eine eventuelle Kompromissfindung zwischen EU-Kommission, EU-Parlament und Rat der EU, spielt es dann doch eine Rolle, wer für die Kommission in die Verhandlungen geht. Frau McGuinness wäre da nicht meine Wunschbesetzung. Ganz wichtig ist, dass die Branche zusammensteht. Es ist in der Wahrnehmung in Politik, Presse und Vermittlerschaft verheerend, wenn sich die Interessensvertreter der Branche in der Bewertung eines solch relevanten Gesetzesvorhabens nicht einig sind. Partikularinteressen zum Beispiel für die Ausschließlichkeit oder den Bankenvertrieb sollten dringend im gemeinsamen Interesse zurückgestellt werden. Es gilt gemeinsam den Anfängen zu wehren und jegliche europarechtswidrigen Eingriffe in den Markt zu verhindern. 

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Oliver Lepold

Oliver Lepold ist Dipl.-Wirtschaftsingenieur und freier Journalist für Themen rund um Finanzberatung und Vermögensverwaltung. Er schreibt regelmäßig für Pfefferminzia und andere Versicherungs- und Kapitalanlage-Medien.

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