Michèle Pino ist Maklerreferentin Krankenversicherung bei der Inter. © Inter
  • Von René Weihrauch
  • 15.07.2025 um 17:20
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Der Verzicht auf das Primärarztprinzip ist ein wesentlicher Vorteil der PKV. Wie Makler dies angesichts des sich verschärfenden Hausärztemangels als starkes Argument in der Vermittlung nutzen können, erklärt Michèle Pino, Maklerreferentin Krankenversicherung bei der Inter Versicherungsgruppe.

Pfefferminzia: Frau Pino, warum verzichten PKV-Anbieter wie die Inter in vielen Tarifen bewusst auf die Anwendung des Primärarztprinzips?  

Michèle Pino: Das hat mehrere Gründe. Kunden, die sich für eine private Krankenversicherung entscheiden, erwarten vollumfängliche Leistungen inklusive freier Arztwahl. Das ist für viele ein ganz entscheidender Punkt. Aus nachvollziehbaren Gründen: Mit der PKV können Patienten nicht nur ohne Überweisung sofort zu einem Fachmediziner. Sie haben auch die Möglichkeit, einen Privatarzt ohne kassenärztliche Zulassung aufzusuchen oder bei stationärer Behandlung in eine Privat- beziehungsweise Spezialklinik zu gehen. Hinzu kommt: Kunden, die einen Vertrag mit Primärarztregelung abschließen, sehen manchmal lediglich die niedrigeren Beiträge und sind sich über die Folgen nicht hundertprozentig im Klaren. Das führt dann gelegentlich zu Nachfragen und Diskussionen, die bei einem Tarif ohne Primärarztprinzip nicht entstehen.  

Aber mit einer hausärztlichen Steuerung lassen sich doch Kosten senken, oder? 

Pino: Kommt drauf an. Natürlich – Spezialisten sind teuer. Wenn der Hausarzt erkennt, dass er die Behandlung selbst übernehmen kann und den Patienten nicht zum Facharzt überweisen muss, entstehen geringere Kosten. Es kann aber auch sein, dass durch den Umweg über den Primärarzt Zeit verloren geht und die spätere Behandlung komplizierter wird, als wenn der Patient sofort einen Spezialisten aufgesucht hätte. Vor dem Hintergrund solcher versteckten Kosten bewirkt die freie Arztwahl nach meiner Einschätzung langfristig eher eine Ausgabensenkung. 

Sind Tarife mit Primärarztprinzip da überhaupt noch zu empfehlen? 

Pino: Für bestimmte Kunden schon. Manche haben seit Jahrzehnten ein und denselben Hausarzt, dem sie vertrauen. Für die fällt die Primärarztregelung gar nicht ins Gewicht, weil sie mit Beschwerden in der Regel sowieso erst einmal zu ihrem Hausarzt gehen. Da kann die Entscheidung für einen solchen günstigen Tarif durchaus sinnvoll sein. Maklerinnen und Makler sollten sich immer die individuellen Umstände genau anschauen und Primärarzttarife auf jeden Fall im Hinterkopf haben. 

GKV-Versicherte werden womöglich bald keine Wahl mehr haben – die Bundesregierung will das Primärarztprinzip für gesetzlich Versicherte verbindlich vorschreiben. Was bedeutet das aus Ihrer Sicht angesichts des aktuellen Hausärztemangels? 

Pino: Studien haben ergeben, dass 25 Prozent der Hausärzte in Deutschland ihre Praxis in den kommenden fünf Jahren schließen wollen. Viele Praxen nehmen schon jetzt keine neuen Patienten mehr auf. Mit der geplanten Regelung muss man befürchten, dass die verbleibenden Praxen noch stärker belastet werden, dass längere Wartezeiten und Versorgungslücken entstehen. Digitale Hilfsmittel wie Apps oder telefonische Beratung können das Problem lindern, solange es tatsächlich nur um die Ausstellung einer Überweisung geht. Müssen alle gesetzlich Versicherten aber zuerst immer zum klassischen Hausarztbesuch erscheinen, dann gibt es Probleme. Und was ist mit denen, die keinen Hausarzt haben? Hier müsste man vielleicht über eine Annahmepflicht nachdenken. Ich bin überzeugt, dass eine Umstellung wie die geplante nur gelingen kann, wenn gleichzeitig der Hausarztbereich deutlich gestärkt wird. 

Die freie Arztwahl wird also ein noch gewichtigeres Argument in der PKV-Beratung. Wie können Makler ihren Kunden diesen Versorgungsvorteil am besten vermitteln?  

Pino: Ich denke, dass Vermittler am besten fahren, wenn sie auf die Vorzüge einer privaten Krankenversicherung hinweisen, ohne dabei die GKV „schlechtzureden“. Viele Kunden reagieren darauf sehr sensibel und könnten den Eindruck bekommen, der Makler habe eine solche Argumentation nötig, um die eigene Position aufzuwerten. Aus unserer Sicht ist es besser, durch einen sachlichen Leistungsvergleich zwischen GKV und PKV die positiven Aspekte der privaten Absicherung herauszustellen: Schnellere Terminvergabe, Zugang zu Spezialisten – und im Hinblick auf die Primärarztdiskussion verstärkt das Merkmal der freien Arztwahl in der PKV. 

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René Weihrauch

René Weihrauch arbeitet seit 35 Jahren als Journalist. Einer seiner Schwerpunkte sind Finanz- und Verbraucherthemen. Neben Pfefferminzia schreibt er für mehrere bundesweit erscheinende Zeitschriften und international tätige Medienagenturen.

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