Dirk Schiereck (links) und MIchael Reeg: Die beiden Finanzexperten setzen sich dafür ein, dass die Finanzbildung in Deutschland besser wird. © TU Darmstadt/Fotoloft Erfurt
  • Von Karen Schmidt
  • 25.07.2025 um 10:55
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Verzerrte Preiserwartungen, ein unklarer Marktüberblick und das mangelnde Verständnis für Anbieterinteressen führen dazu, dass junge Menschen auch nützliche Versicherungen zu spät oder gar nicht abschließen. Wie das behoben werden könnte, schildern Dirk Schiereck, Professor an der TU Darmstadt, und Michael Reeg, Geschäftsführer Hoesch & Partner, in ihrem Gastbeitrag.

Beim Berufseinstieg ist vieles neu – die erste Gehaltsabrechnung, ein eigener Mietvertrag, neue Freiheiten. Doch mit der Eigenständigkeit kommen auch Risiken. Was viele junge Menschen dabei unterschätzen: Schon mit geringen Beiträgen lassen sich existenzielle Schäden absichern. Doch das Wissen um Kosten und Nutzen gängiger Versicherungsprodukte fehlt häufig – mit potenziell dramatischen Folgen.

Zwischen Wissen und Wirklichkeit

Eine Studie der TU Darmstadt unter Masterstudierenden der Finanzwirtschaft zeigt: Auch bei vergleichsweise finanzaffinen jungen Erwachsenen bestehen erhebliche Wissenslücken im Umgang mit Versicherungsprodukten. Zwar ist die Relevanz von Policen wie Privathaftpflicht- oder Berufsunfähigkeitsversicherung im Grundsatz vielen bekannt, doch nur eine Minderheit fühlt sich in der Lage, diese Produkte auch inhaltlich zu erklären.

Die Differenz zwischen tatsächlichem Verständnis und subjektivem Sicherheitsgefühl ist dabei signifikant – und sie hat Folgen. So überschätzen viele Studierende die jährlichen Kosten einer Privathaftpflichtversicherung um ein Vielfaches: Der Median lag in der Befragung bei 245 Euro, während marktübliche Tarife oft unter 50 Euro pro Jahr beginnen. Auch bei Hausrat- und BU-Policen bestehen unrealistische Preiserwartungen, die zu einer verzerrten Nachfrage führen.

Vermittlungsdilemma: Wer berät wen – und warum?

Ein weiteres zentrales Ergebnis: Kein einziger Befragter konnte mit Sicherheit den Unterschied zwischen einem Versicherungsvertreter und einem unabhängigen Versicherungsmakler erklären. Diese Unklarheit über Rollen, Vergütungsmodelle und Interessenlagen der Beratenden erschwert es Berufseinsteigern, fundierte Entscheidungen zu treffen. Wenn selbst Studierende eines finanznahen Masterstudiengangs in dieser Hinsicht keine Differenzierung vornehmen, stellt sich die Frage nach geeigneten Informationskanälen – und nach Verantwortlichkeiten.

Finanzbildung: Schule, Selbststudium oder strukturierter Dialog?

Die Studie bestätigt, was auch andere Untersuchungen nahelegen: Die Umsetzung von vorhandenem Wissen in konkretes Handeln gelingt nur selten. Weder staatliche Bildungsinstitutionen noch der private Markt für Finanzbildung bieten bislang ausreichend verlässliche, niedrigschwellige und qualitativ kontrollierte Angebote. Zwar existiert ein lebendiger Markt von Finfluencern, Tutorials und Vergleichsportalen – doch häufig fehlt es an Neutralität, Tiefe und Glaubwürdigkeit.

Verschiedene Ansätze setzen deshalb früher an: Neben dem vielfach diskutierten Schulfach Wirtschaft engagieren sich auch Hochschulen zunehmend für das Thema „Financial Literacy“. So wurden an der TU Darmstadt in Kooperation mit Expertinnen und Experten aus der Praxis eigene Vorlesungselemente zur Versicherungsentscheidung beim Berufseinstieg entwickelt. Diese enthalten sowohl wissenschaftliche Erkenntnisse als auch praxisorientierte Fallstudien.

Auch externe Partner leisten hierbei ihren Beitrag. So engagieren sich etwa die Partner von Hoesch & Partner für die produktneutrale Vermittlung von Finanzwissen – etwa im Rahmen begleitender Seminare und Vorlesungseinheiten an Hochschulen. Ziel ist es, Studierenden einen praxisnahen Einblick zu geben, ohne dabei auf Verkaufsinteressen oder konkrete Produktempfehlungen abzuzielen.

Fazit: Versicherungskompetenz braucht mehr als Google

Die Erkenntnis ist ernüchternd und zugleich konstruktiv: Junge Erwachsene sind grundsätzlich bereit, sich abzusichern – aber ihnen fehlt häufig die Sicherheit, den richtigen Weg dorthin zu finden. Verzerrte Preiserwartungen, ein unklarer Marktüberblick und das mangelnde Verständnis für Anbieterinteressen führen dazu, dass auch nützliche Versicherungen zu spät oder gar nicht abgeschlossen werden.

Die Studienlage legt nahe, dass Finanzbildung dringend neu gedacht werden muss – als verbindliche, fundierte und dauerhaft angelegte Aufgabe von Bildungseinrichtungen, begleitet von strukturiertem Wissenstransfer aus der Praxis. Denn Versicherungen sind kein Thema nur für Krisenzeiten – sondern ein Grundbaustein wirtschaftlicher Selbstständigkeit. Und das beginnt nicht erst mit dem ersten Schadensfall, sondern am besten mit dem ersten Gehalt.

Über die Autoren

Professor Dr. Dirk Schiereck ist seit August 2008 Leiter des Fachgebiets Unternehmensfinanzierung an der Technischen Universität Darmstadt.

Michael Reeg ist Geschäftsführer des Versicherungsmaklers Hoesch & Partner.

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Karen

Karen Schmidt

Karen Schmidt ist seit Gründung von Pfefferminzia im Jahr 2013 Chefredakteurin des Mediums.

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