©
  • Von Redaktion
  • 20.11.2013 um 11:16
artikel drucken artikel drucken
lesedauer Lesedauer: ca. 04:30 Min

Die Weiterbildungsinitiative „gut beraten“ ist ein Projekt der Versicherungsverbände um die Qualität der Finanzberatung in Deutschland zu verbessern. Klingt gut, aber es gibt auch Nachteile, meint Wolfgang Kuckertz, Vorstand der GOING PUBLIC! Akademie für Finanzberatung, in seinem Kommentar.

Von Wolfgang Kuckertz

Die „Initiative Weiterbildung“ nimmt die ständige Qualität der Versicherungsvermittler in den Fokus. Fast jeder findet es erstaunlich, wenn eine einmalige Qualifikation zu einem lebenslangen Recht führen soll, einen Beruf auszuüben. Aus diesem Grunde gibt es Weiterbildungsverpflichtungen schon in vielen Branchen, beispielsweise bei Ärzten und Fachanwälten.

Nun reiht sich die Versicherungsbranche in die Riege der Branchen ein, für die ständige Weiterbildung ein MUSS darstellt. Bleibt die Frage: Entsteht hier aus Marketinggründen und um den Gesetzgeber zu beruhigen ein Bürokratiemonster oder gelingt es wirklich, an der Qualität in der Kundenberatung einen erheblichen Schritt weiter nach vorne zu kommen?

Verlorenes Vertrauen zurückgewinnen

Qualität durch Qualifikation soll zukünftig im Fokus stehen und das verlorene Vertrauen der Kunden zurückgewinnen helfen. Dabei soll jeder Vermittler innerhalb von fünf Jahren ein bestimmtes „Volumen“ an Weiterbildung absolvieren. Dieses Volumen wurde mit durchschnittlich 40 Unterrichtseinheiten pro Jahr definiert (= 40 Punkte). Eine Begründung für dieses Volumen findet sich nicht. Es scheint aber durchaus nicht übertrieben, wenn man bedenkt, dass die Qualifikation „Versicherungsfachmann/-frau (IHK)“ formal 230 Unterrichtseinheiten umfasst. Somit wäre die Grundausbildung rechnerisch alle sechs Jahre zu erneuern.

Bei Vermittlern, die nur Teilbereiche in ihrem Produktportfolio haben halbiert sich die erwartete Punktezahl. Bei akzessorischen Vermittlern liegt die verlangte Punktezahl sogar nur bei 25 Prozent im Vergleich zum Vollsortimenter. Spannend wird es dann in der täglichen Umsetzung dieser Festlegungen. Zum Beispiel: Wer entscheidet über  den Umfang des Vermittlers und was geschieht, wenn ein Vorsorgevermittler auf einmal einen Hausratantrag bei seiner Versicherung einreichen möchte?

Den Inhalt können Vermittler frei wählen

Frei ist der Vermittler beziehungsweise die Organisation darin zu entscheiden, wie und in welchem Bereich er sich qualifizieren möchte. Also sowohl in Bezug auf die Schulungsart als auch in Bezug auf den konkreten Inhalt, wird hier ein breites Spektrum ermöglicht. Hier liegt eine Chance aber auch eine Gefahr. Es ist bei einigen Vermittlern und Vertrieben wahrscheinlich, dass Qualifikationen ausgewählt werden, bei denen die notwendigen Punkte besonders „billig zu schießen“ sind. Es könnte ein Wettbewerb entstehen, bei welchen Maßnahmen auf besonders bequeme Art und Weise viele Punkte vergeben werden können.

Die Folge wäre in diesem Fall sogar eine Verschlechterung der Qualifikation. Denn bislang laufende gute und hochwertige Programme könnten auf der Suche nach ausreichender Punktezahl durch zwar quantitativ umfangreichere aber qualitativ minderwertige Programme ersetzt werden.

Gute Angebote ohne Punkte werden verdrängt

Qualifizierungen ohne Punktevergabe würden verdrängt werden, auch wenn diese sehr gut sind. Die Chance hingegen ist, dass über die kommenden Jahre ein breites Angebot entstehen kann, das jeden Weiterbildungsbedarf der Vermittler erfüllen kann – vorausgesetzt: die Initiative kooperiert erfolgreich mit den Bildungsabteilungen und Bildungsträgern der Branche. Aktuell scheint das durchaus der Fall zu sein.

Es liegt dann in der Hand der Versicherungen, Vertriebe und Makler, im Sinne der Branche und des eigenen Unternehmens durch den zunächst als lästig empfundenen Zwang eine sehr positive Wirkung zu erzielen.

Erstmal sich selbst analysieren

Wie aber führt eine Bildungsinvestition zu besserer Qualität und mehr Erfolg? Um das zu erreichen ist es notwendig, dass Vermittler Veranstaltungen nutzen, die auch wirklich zu dem eigenen Bedarf passen. Es ist dringend anzuraten, die Analyse des eigenen Kundenprofils, Produktportfolios und der eigenen bereits bestehenden Qualifikation durchzuführen, bevor die Anmeldezettel ausgefüllt werden.

Dabei erstreckt sich die Analyse sowohl auf das „was“ als auch auf das „wie“. Wie wird welcher Bedarf am besten für die jeweilige Zielgruppe gedeckt. Erst wenn diese Bedarfsanalyse sinnvoll vollzogen wird, wird aus „Punkten“ auch wirklich eine höhere Qualifikation und Beratungskompetenz, die auch für den Kunden zu spüren ist.

Produkte und Beratung könnten teurer werden

Geschieht dies nicht, so wird zwar viel Geld für die Jagd nach Punkten ausgegeben, es erhöhen sich aber nur die Kosten auf Seiten der Vertriebe und Versicherungen. Werden diese Kosten dann auf den Kunden ganz oder teilweise abgewälzt, entsteht aus gut gemeintem Qualitätsanspruch eine negative Wirkung für den Kunden. Die Produkte und Beratungen werden nämlich tendenziell teurer. Das wäre dann ein pervertierter Verbraucherschutz.

Wo wir gerade über Verbraucherschutz reden: Interessant ist hier, wie der Verbraucherschutz auf diese Initiative reagieren wird. Wird er sich einem ähnlichen Qualitätsstandard unterziehen oder verliert er hier weiter an „Qualitäts-Boden“? Sofern der Verbraucherschutz auf eine ständige Qualifikation auf gleichem Niveau verzichtet, würde das einen Missbrauch des Vertrauensvorschusses darstellen, den Verbraucherschützer bei Verbrauchern genießen.

Kann der Kunde unterscheiden?

Eine Frage die sich damit verbindet: Wird der Kunde überhaupt unterscheiden können, wer sich regelmäßig weiterbildet und demzufolge zertifiziert ist und wer nicht? Einen Nachweis wird es ja schon nach einem Jahr für teilnehmende Vermittler geben können. Sofern die Vermittler mit diesem Nachweis arbeiten, werden Kunden perspektivisch Vermittler mit laufender Qualifikation von denen ohne laufende Qualifikation durchaus unterscheiden können.

Eigentlich lautet die Selbstverpflichtung der Versicherungsunternehmen, dass wirklich jeder Vermittler sich zwingend weiterbilden soll. Damit müsste auch wirklich jeder Vertriebskanal einbezogen werden. Schwierig ist aber, dass insgesamt einige Vertriebswege überhaupt nicht im Fokus der Initiative lagen. Da hier der gesetzliche Zwang fehlt und die Pflicht zur Weiterbildung nur eine Selbstverpflichtung der Versicherungsunternehmen ist, bleiben Wirkung und Einfluss auf andere Vertriebskanäle noch unklar.

150.000 Vermittler werden teilnehmen, so Schätzungen

So rechnet die Branche selbst damit, dass innerhalb von drei bis vier Jahren 150.000 Vermittler an dem Programm teilnehmen. Wo sind die übrigen 100.000 registrierten Vermittler? Wo sind die angestellten Vermittler? Wo sind die ganzen Bankkaufleute, die zum überwiegenden Teil auch Versicherungsprodukte vermitteln?

Wenn die Versicherungen ihr Ansinnen ernst meinen, müssten in den nächsten fünf Jahren deutlich mehr als 250.000 Vermittler an dem Programm teilnehmen oder ihre laufende Qualifikation anderweitig nachweisen. Neben den rund 250.000 Vermittlern ist mit zirka mindestens 170.000 Beratern bei den Banken zu rechnen (so viele Wertpapierberater sind inzwischen bei der Bafin gemeldet und Wertpapierberater vermitteln fast alle auch Lebensversicherungen).

Lassen die Versicherungen auch Taten folgen?

Insgesamt bleibt es aber spannend, ob die Versicherungsunternehmen ihren Worten nun Taten folgen lassen. Denn es hängt an diesen, ob sie mit Personen weiterhin zusammenarbeiten werden, die einer ständigen Weiterbildungsverpflichtung nicht nachkommen.

Für den Erfolg der Initiative ist von großer Bedeutung, inwieweit ein „Weiterbildungskonto“ zu einem Qualitätsausweis gegenüber Kunden wird und somit zum Wettbewerbsvorteil. Werden Kunden dieses System kennen und darauf reagieren? Sofern dieses Ziel erreicht wird entsteht ein Sog für Vertriebsorganisationen, die ansonsten versuchen würden, sich der Qualifikation zu entziehen. Ob dieser Sog entsteht hängt unter anderem von der PR-Arbeit ab, die die Versicherungsbranche leisten wird.

Dabei ist es im Moment sicher ratsam, sich mit der Öffentlichkeitsarbeit bei Endkunden zurückzuhalten bis finale Fakten präsentiert werden können und für eine eventuell kritische Presse auch Antworten auf Detailfragen lieferbar sind. Aber große Projekte benötigen auch zwingend einige Vorlaufzeit.

Was ist für die Praxis zu beachten:

Makler und Vertriebe sollten derzeit die Entwicklung beobachten und sich laufend informieren – aber nicht nervös werden. Erst bei einer ausreichenden Anzahl an Bildungsangeboten sollten entsprechende Aktivitäten initiiert werden. Dann beginnt vor der Qualifikation die Analyse des Bildungsbedarfs. Hier besteht noch Nachholbedarf.

Einer der bedeutendsten Punkte zum Schluss: Wichtig ist es, möglichst jeden einzelnen Berater emotional mitzunehmen, denn nur wenn die Vermittler gegenüber ihren Kunden das System überzeugt positiv kommunizieren, kann ein neues Vertrauensfundament zwischen den Endkunden und den Vermittlern entstehen und das ist eines der Hauptziele der Initiative.

Wird die Initiative also von den Initiatoren –den Versicherungsunternehmen – ernst genommen und die operative Umsetzung unterstützt, dann könnten wir uns in der Branche an einem neuen Meilenstein befinden. Bleibt es bei Lippenbekenntnissen, so werden eher Schaden, Kosten und Bürokratie erzeugt und Vertrauen weiter verspielt.

kommentare

Hinterlasse eine Antwort

kommentare

Hinterlasse eine Antwort

Pfefferminzia Logo rgb
Suche
Close this search box.
Zuletzt hinzugefügt
Wie die Zukunft der bAV aussieht
Handelsblatt Jahrestagung bAV 2024

Wie die Zukunft der bAV aussieht

Vermittler müssen und wollen sich weiterbilden
AfW-Vermittlerbarometer: Nachhaltigkeit

Vermittler müssen und wollen sich weiterbilden

Zuletzt hinzugefügt
„Honorarberatung ist hochflexibel“
„Lass mal reden“ mit Honorarkonzept

„Honorarberatung ist hochflexibel“

„In fünf Jahren sterben Online-Abschlussstrecken aus“
„Lass mal reden“ mit Ralf Pispers, Personal Business Machine (PBM)

„In fünf Jahren sterben Online-Abschlussstrecken aus“

Skip to content