- Von Oliver Lepold
- 24.07.2025 um 11:42
Pfefferminzia: Yougov hat in Ihrem Auftrag mehr als 900 Menschen über 50 Jahren zu ihren Einstellungen befragt. Was hat Sie bei den Ergebnissen überrascht?
Christian Nuschele: 48 Prozent der Befragten schauen grundsätzlich total oder eher optimistisch auf ihren Ruhestand. Wenn es aber um die Finanzen geht, wandelt sich leider das Bild. 31 Prozent der Befragten geben ihrer finanziellen Absicherung im Alter Schulnote fünf oder sechs. Gleichzeitig haben 69 Prozent keinen Plan erstellt, wie es dann finanziell aussehen wird – und die Mehrheit der Befragten möchte sich selbst um die Ruhestandsplanung kümmern oder gar nichts tun. Es passt nicht zusammen, dass so viele Menschen in diesem Alter den Gedanken verwerfen, sich mit der Planung ihres Ruhestands intensiver auseinanderzusetzen und sich Informationen bei Experten zu holen.
Der Beratungsbedarf ist also weitaus größer als erwartet?
Nuschele: Definitiv größer und sehr umfassend! Es geht nicht nur um die finanzielle, sondern auch um die sozioökologische Situation, also um das soziale Umfeld und auch um persönliche Ziele und Wünsche. Dazu kommt das Thema Nachlass mit allem, was dazu gehört: Gesundheitszustand, Vorsorgevollmachten und so weiter. Das sind alles Dinge, die sich eben nicht von selbst regeln. Dazu gibt es großen Beratungs- und Gesprächsbedarf. Dass sich daher nicht viel mehr Beraterinnen und Berater auf die Ruhestandsplanung spezialisieren, wundert mich wirklich.
Ist es grundsätzlich möglich, selbst eine Planung für den Ruhestand aufzusetzen?
Nuschele: Es gibt bestimmt Menschen, die das können. Ein Freund von mir ist Ingenieur und baut Autos für BMW. Er finanziert eine Wohnung und hat sich eine Excel-Tabelle gebaut und vollzieht bis auf die Nachkommastellen nach, was ihm ein Berater ausgerechnet hat. Ihm traue ich das zu. Aber in den allermeisten Fällen wird dieser Aufwand nicht möglich sein, denn Sie müssen sehr viele Daten zusammentragen und bewerten können. Sie müssen übersetzen können, was ein Vermögenswert für den Rest ihres Lebens bedeutet, also was er an Rente wert ist und mit welchen Zinsen und Risiken sie rechnen können. Das ist sehr komplex.
Fast ein Drittel aller Befragten bewertet die eigene finanzielle Absicherung im Ruhestand mit mangelhaft oder ungenügend. Sie laufen also bewusst in die Altersarmut?
Nuschele: Das ist tatsächlich noch schlimmer. Wir haben auch gefragt, wie es mit den Einnahmen und Ausgaben im Ruhestand aussieht. Die Mehrheit erwartet hier ein geringeres Einkommen bei gleichbleibenden oder steigenden Ausgaben. Das Ganze ist aber ein Bauchgefühl, weil es wie erwähnt keinen finanziellen Plan gibt. Dennoch suchen Menschen keine Hilfe und lassen einfach alles auf sich zukommen. Es gibt eine große Hemmschwelle, in Deutschland über Geld zu reden und sich aktiv Hilfe von einem Experten zu suchen. Und auf Konsum zu verzichten zugunsten der Altersvorsorge ist unbeliebt. Verdrängen ist einfacher.
Wenn der Kunde einen Ruhestandsplaner beauftragt hat, wie geht es dann systematisch weiter?
Nuschele: Ein Ruhestandsplaner eruiert die Lebenssituation und erfragt Ziele, Wünsche und Interessen. Er schaut sich auch das soziale Umfeld an. Auch der psychologische Aspekt, wie das Leben später gestaltet werden soll, spielt mit hinein. Das ist wichtig, weil es zunächst darum geht, gegenseitiges Verständnis zu entwickeln und Vertrauen zu schaffen. Erst im zweiten Schritt werden Vermögenswerte analysiert und dann beginnt die Finanzmathematik. Welches Geld ist wofür da? Reicht die gesetzliche Rente, um die laufenden Ausgaben zu decken? Wird eine zusätzliche Sofortrente oder eine aufgeschobene Rente benötigt, die dann definitiv lebenslang liefert? Wird Geld für Notfälle benötigt? Soll später etwas an die jüngere Generation in der Familie übertragen werden? Auch Steuern sowie Testament und Vorsorgevollmachten gehören mit dazu. Letzten Endes ist Ruhestandsplanung ein vertrauensbildender komplexer Prozess. Es braucht Mut, sich dem Thema zu stellen. Aber es lohnt sich!

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Sie haben auch gefragt, welche Produkteigenschaften Kunden bei einer Geldanlage im Ruhestand am wichtigsten sind. Wie hoch darf das Risiko dann noch sein?
Nuschele: Hier sind die Antworten erwartungsgemäß unterschiedlich ausgefallen. Die Sicherheit der Anlage ist ein wesentlicher Aspekt, das fanden 34 Prozent sehr wichtig. Dass es eine lebenslange Rente geben muss, sagten 24 Prozent. Das aber passt nicht mit den tatsächlichen Verrentungszahlen zusammen. Fällige Lebensversicherungen werden in den seltensten Fällen verrentet. Das ist ein Fehler, weil so Steuervorteile verschwendet werden. Flexibilität ist auch wichtig, aber nur 16 Prozent wollten eine Chance auf eine attraktive Rendite. Auch hier erkennen Sie, dass großer Beratungsbedarf zur Geldanlage besteht. Unberatene Menschen sind viel risikoaverser, als sie sein müssten.

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