- Von Andreas Harms
- 08.07.2025 um 10:02
Manchmal geht alles so schnell. Da kriecht das Auto hinter mir ganz nah heran. Der Fahrer hat lose Finger und gibt Lichthupe und setzt den linken Blinker. Er will vorbei. Ich bin genervt, schere ein. Als er an mir wutschnaubend vorbeizieht, zeige ich ihm leidenschaftlich den Stinkefinger – und kann damit ein echtes Problem bekommen. Wenn der andere mich wegen Beleidigung drankriegen will.
Kein Problem, meine ich, schließlich habe ich ja die Rechtsschutzversicherung. Die übernimmt ja die Kosten, wenn der andere mich anzeigt. Doch leider bin ich damit auf dem falschen Dampfer. Denn die meisten Rechtsschutzversicherer winken in solchen Fällen ab.
Warum eigentlich? Wir haben nachgefragt.
Verbale Beleidigungen wollen wir an dieser Stelle nicht wiedergeben, dafür aber einige sogenannte tätliche Beleidigungen. Neben Klassikern wie dem Stinkefinger und dem gezeigten Vogel nennt der Rechtsanwalt Clemens Louis von der Kanzlei Louis & Michaelis aus Essen auf deren Internetseite ein paar weitere Beispiele: Anspucken, Haare abschneiden oder ein Glas Bier über den Kopf gießen. Hat man auch nicht alle Tage.

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Ein wichtiger Knackpunkt ist der Umstand, dass Beleidigung kein Kavaliersdelikt ist, sondern im Strafgesetzbuch (StGB) auftaucht, nämlich ab Paragraf 185. Doch um wirklich als echte Beleidigung anerkannt zu werden, muss der Beleidiger sie bewusst abgesondert haben, also: mit Vorsatz. Heißt: Wenn es eine echte, strafwürdige Beleidigung ist, dann geschah sie auch mit voller Absicht. Immer.
Beleidung ist immer vorsätzlich
Oder wie es die Arag Rechtsschutzversicherung auf Anfrage zusammenfasst: „Beleidigungen sind Vergehen die nur vorsätzlich und nicht fahrlässig begehbar sind.“ In dieser Hinsicht dürfte ein erhobener Mittelfinger über jeden Zweifel erhaben sein. Aus Versehen macht man das normalerweise nicht.
Und genau dort beginnt das Problem mit der Rechtsschutzversicherung. „Vorsätzliche Straftaten sind im klassischen Privatrechtsschutz in der Regel vom Versicherungsschutz ausgeschlossen“, schreibt die Roland Rechtsschutz-Versicherung auf Anfrage.
Als Erklärung führt sie an, dass Versicherer ja Risiken kalkulieren müssen. Doch „ein vorsätzliches, rechtswidriges Verhalten stellt eine individuelle, moralisch motivierte Entscheidung dar und entzieht sich einer objektiven Risikobewertung“.
Doch das ist nicht allen Kunden gleich bewusst. „Es ist leider ein weit verbreiteter Irrglaube, dass die Rechtsschutzversicherungen Deckung auch für alle strafrechtlichen Fälle erteilen“, berichtet der unter anderem auf Verkehrs- und Strafrecht spezialisierte Rechtsanwalt Matthias Petrausch von der Kanzlei Petrausch & Partner.
Manche Bausteine schließen die Lücke teilweise
Doch er will das gar nicht verurteilen, sondern kann es sogar nachvollziehen: „Die Versicherungsprämien würden bei genereller Übernahme der Kosten von Strafverteidigungen deutlich höher ausfallen.“
Interessant ist allerdings, dass manche Bausteine die Schutzlücke zum Teil schließen. Bei der Roland heißt der Baustein „Strafrechtplus“. Er springt ein, wenn dem Versicherten zu Unrecht Beleidigung vorgeworfen wird. Aber eben nur dann: „Wird rechtskräftig festgestellt, dass unser Kunde das Vergehen vorsätzlich begangen hat, entfällt der Versicherungsschutz rückwirkend.“
Ähnlich äußert sich auch die Arag Rechtsschutzversicherung. Versicherungsschutz besteht aus inzwischen bekanntem Grund für Beleidigungen erst einmal nicht. Doch auch hier lässt sich über den „erweiterten Straf-Rechtsschutz“ das Feld auf „nur vorsätzlich begehbare Delikte“ erweitern. Aber nur, solange man nicht deshalb verurteilt wird. Stellt ein Gericht die Beleidigung rechtskräftig fest, muss der Kunde auch hier die Leistungen zurückzahlen.
Sollte es aber richtig dicke kommen, greift bei der Arag eine Ausnahme: „Wenn das Verfahren mit einem rechtskräftigen Strafbefehl endet, bleibt der Versicherungsschutz auch bei rechtskräftiger Verurteilung wegen einer Vorsatzstraftat bestehen. Auf eine Rückforderung verzichten wir.“
Zur Erklärung: Einen Strafbefehl erlässt ein Gericht nur dann, wenn der Beschuldigte sich so gar nicht mit der Sache befassen mag. Denn dann zieht solche Post von der Polizei recht gut. Doch das ist nur sehr selten nötig.

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