Unternehmerin Celine Nadolny: „Skalieren ist kein Muss – und schon gar nicht ein Garant für Erfolg.“ © Celine Nadolny
  • Von Redaktion
  • 08.10.2025 um 16:39
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Höher, schneller, weiter. Oft predigen Wirtschaftsbücher, dass Skalieren gleichzusetzen ist mit unternehmerischem Erfolg. Dass das nicht zwangsläufig der Fall ist, hat Unternehmerin Celine Nadolny erlebt. In ihrer Kolumne berichtet sie über ihre Erfahrungen mit dem Thema und warum weniger auch mehr sein kann.

Alle reden vom Wachstum, aber keiner vom Preis dafür. Wenn über Unternehmertum gesprochen wird, klingt es oft wie ein Wettbewerb: mehr Umsatz, mehr Mitarbeiter, größeres Büro. Wer nicht ständig wächst, hat scheinbar etwas falsch gemacht.

Lange Zeit habe auch ich gedacht, dass Skalieren der logische nächste Schritt sei. Doch irgendwann merkte ich: Wachstum kann sich genauso anfühlen wie eine Last. Und manchmal bedeutet es, weniger erfolgreich zu sein – zumindest im eigenen Leben.

Meine Spitzenzeit: zehn Menschen, ein riesiger Druck

In meiner Hochphase hatte ich drei festangestellte Mitarbeiter, zwei Teilzeitkräfte und fünf Freelancer, die projektweise für mich arbeiteten. Zehn Menschen, die alle in irgendeiner Form von mir abhängig waren. Zehn Menschen, mit zehn Meinungen, zehn Charakteren, zehn Bedürfnissen.

Am Anfang fühlte es sich gut an: Aufgaben abgeben, mehr schaffen, endlich entlastet sein. Doch je größer das Team wurde, desto mehr Energie ging verloren – in Abstimmungen, Diskussionen, Reibungspunkten. Aus dem unternehmerischen Alltag wurde ein permanentes Krisen- und Erwartungsmanagement.

Gleichzeitig stieg der finanzielle Druck enorm. Jeder Monat musste ein Top-Monat werden. Nicht, um Luxus zu finanzieren – sondern schlicht, um Gehälter zahlen zu können. Während ich früher meine Leistung anpassen konnte, wie es in mein Leben passte, war das nun keine Option mehr. Die Verantwortung lastete schwer.

Mein Aha-Moment: Bin ich die Angestellte meiner Angestellten?

Der endgültige Knackpunkt kam in mehreren kleinen, aber bezeichnenden Momenten. Mitarbeiter, die gerade so ihre Umsatzziele erreichten, verlangten Gehaltserhöhungen. Andere stellten plötzlich meine Arbeitsweise infrage – zum Beispiel, wenn ich mir einmal erlaubte, später zu starten.

Ich fragte mich: Wer gibt hier eigentlich den Takt vor? Bin ich die Angestellte meiner Angestellten? Oder ist es nicht genau andersherum? Diese Rollenverdrehung fühlte sich falsch an – und sie zeigte mir, dass mein Unternehmen nicht mehr zu mir passte.

Die Bilanz: Vorteile und Nachteile des Skalierens

Natürlich hatte Skalieren auch positive Seiten. Ich konnte ungeliebte Aufgaben delegieren und musste mich nicht mehr mit jeder Kleinigkeit befassen.

Doch die Nachteile überwogen bei weitem:

  • Kontrollverlust: Je mehr man abgibt, desto größer die Gefahr, dass Dinge nicht nach den eigenen Vorstellungen laufen.
  • Erfolgsdruck: Mitarbeiter erwarten Sicherheit, egal ob dein Geschäft gerade boomt oder nicht.
  • Unfreiheit: Urlaubszeiten oder Krankheitsfälle im Team bedeuteten, dass ich einsprang – und weniger frei war als je zuvor.
Meine Kehrtwende: Gesundes Schrumpfen statt blindes Wachsen

Irgendwann zog ich die Reißleine. Ich baute das Team wieder ab, verabschiedete mich von dem Gedanken, Mitarbeiter seien der Schlüssel zu mehr Erfolg. Heute arbeite ich fast ausschließlich mit Freelancern – und setze auf Automatisierung.

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